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Drogen und Drogenhandel: Eine kleine Geschichte der Drogenpolitik

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Eine kleine Geschichte der Drogenpolitik Drogen und Drogenhandel

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Gesellschaft

Emotionen und Unwissenheit prägen die Drogenpolitik. Mit dem Argument, die Gesellschaft zu schützen, wird ein starker Prohibitionskurs gefahren. Doch im Hintergrund stehen ganz andere Interessen und Interessensgruppen.

Szene mit Nadja Uhl aus der deutschsprachigen Kriminalfilmreihe «Polizeiruf 110» mit dem Titel «Kleine Dealer, grosse Träume».
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Szene mit Nadja Uhl aus der deutschsprachigen Kriminalfilmreihe «Polizeiruf 110» mit dem Titel «Kleine Dealer, grosse Träume». Foto: Ulrich Bendele (CC BY-SA 2.0 cropped)Oxfordian Kissuth (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

Datum 25. April 2004
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Im Folgenden wird anhand der Verbotsgeschichte der Rauschdrogen Heroin und Kokain dieses Spannungsverhältnis aufgezeigt. Der Gebrauch psychoaktiver Pflanzen war schon immer Teil der Kulturgeschichte der Menschheit. Erst im 19. Jahrhundert begannen Chemiker, sich mit der Isolierung der für die Wirkung dieser Pflanzen verantwortlichen Inhaltsstoffe zu befassen. Im Jahre 1806 entdeckte der Apotheker Friedrich Wilhelm Sertüner das Morphin, das für die euphorisierende und schmerzstillende Wirkung des Opium verantwortlich gemacht wird.

Damals wie auch heute gilt diese Substanz als eines der wichtigsten und potentesten Schmerzmittel in der Arzneimitteltherapie, insbesondere bei Krebspatienten. Die schnelle Verbreitung im 19. Jahrhundert verdankte das Morphin den Kriegen. Den Soldaten wurde bei Verletzungen Morphin zur Selbstinjektion überlassen.

Die dadurch auch nach den Kriegen resultierende Abhängigkeit wurde unter dem Namen "Soldatenkrankheit" bekannt. 1862 wurde von Albert Niemann das Kokain isoliert und nach genaueren Untersuchungen seine örtlich betäubende Wirkung beschrieben. Kokain ist heutzutage als Arzneimittel weitgehend vom Markt verdrängt, wird aber immer noch in der Augenheilkunde angewandt.

Beide Substanzen erfreuten sich im 19. Jahrhundert grosser Beliebtheit. Vor allem Künstler erhofften sich eine Steigerung ihrer Kreativität. Die Damen der so genannten besseren Gesellschaft kamen zu Injektionskränzchen zusammen. Der Apotheker John Styth Pemberton mischte schliesslich Extrakte der afrikanischen Kolanuss mit Extrakten der Blätter des Kokastrauches, um ein Stärkungsmittel für geschwächte Grippekranke zu produzieren – Coca-Cola.

Sehr schnell wurde man sich jedoch des ausgeprägten Suchtpotenzials beider Substanzen bewusst. Auf Grund der stimulierenden Wirkung des Kokains im Gegensatz zum Morphin vermutete der Arzt Sigmund Freud eine antagonistische Wirkung von Morphin und Kokain, wodurch man sich erhoffte, die Sucht der einen Substanz mit der anderen bekämpfen zu können.Die alleinige Folge war eine, auf Grund der damals noch üblichen Selbstversuche, oft lebenslange Abhängigkeit der Forscher von beiden Substanzen.

Heroin als Hustenmittel

Zur Bekämpfung der Morphinsucht wurde 1874 vom Chemiker Felix Hoffmann das diazetylierte Morphin für die Firma Bayer synthetisiert. Nach zweimonatigen Untersuchungen der Substanz an den Berliner Universitäten wurden sehr gute Erfolge bei Bronchitis und Atembeschwerden festgestellt.

Am 26. Juni 1896 wurde der Arzneistoff patentrechtlich geschützt und kam unter dem Handelsnamen Heroin als Hustenmittel sowie für 39 weitere Indikationen auf den Markt. Sowohl Heroin als auch Hoffmanns zweite Entdeckung, das Aspirin, verhalfen Bayer zu einem Weltkonzern anzuwachsen.Ab 1898 wurde Heroin industriell produziert. Im Jahre 1904 erst berichtete der französische Arzt Morel-Lavallé zum ersten mal, dass Heroin abhängig mache, was allerdings in Deutschland aufgrund "geschäftsschädigender" Wirkung nicht publiziert wurde.

Internationale Abkommen des Drogenverbots

Vor allem unter dem Einfluss der USA, wo eine starke fundamentalistische Prohibitionslobby drängte, wurde 1909 in Shanghai die erste Welt-Opium-Konferenz einberufen. Nur drei Jahre später trafen sich die Experten erneut in Den Haag. Dort verlangten sie die Rezeptpflicht für Opiate, sowie deren Kontrolle bei Herstellung und Handel.

Die Begeisterung in Deutschland, dem damaligen Hauptlieferant von Morphinderivaten und Kokain, war gering. Erst 1917 wurde dort Heroin verschreibungspflichtig. Obwohl bei der Genfer Konvention am 19. Februar 1925 Heroin und Kokain international verboten wurden, unterschrieb Deutschland erst 1929 den Vertrag.
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Bild: Elixir Heroin Hyd. Conc. des Hersteller Rimmington & Son, England. Flasche aus dem frühen 20. Jahrhundert mit Dosierungsanweisung für Erwachsene und Kinder. / Oxfordian Kissuth (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

Das neu erlassene Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln verbot fortan Heroin. Nachdem sich die pharmazeutische Industrie aus dem Geschäft zurück gezogen hatte, übernahm die organisierte Kriminalität Vertrieb und Produktion.Das bis heute international gültige Prohibitionsprinzip entstand auf Initiative von Harry J. Anslinger.

Nachdem der Cannabiskonsum 1935 in den USA einen Höhepunkt erlangte, wurde unter seinem Einfluss und nach einer grossen Propagandakampagne Cannabis 1937 verboten. Das Argument des gesteigerten Konsums diente als Vorwand für wirtschaftliche Interessen. Hanf war ein qualitativ hochwertiger Konkurrent für Kunststoffe und bedrohte somit die bereits etablierte Kunstfaserindustrie.

Das Cannabisverbot von 1937 stand in direktem Zusammenhang mit der Entwicklung der technischen Möglichkeiten zur Massenproduktion von Hanfprodukten wie Farben, Öle und Papier. Schliesslich schaffte Anslinger es mit Hilfe seiner beiden Freunde, dem damaligen FBI Chef J. Edgard Hoover und dem Kommunistenjäger Joseph McCarthy 1961 durch die UN die Single Convention on Narcotic Drugs zu verabschieden, in dem das internationale Drogenverbot besiegelt wurde.

Dieses Abkommen wurde in den folgenden Jahren erweitert. Die Einhaltung dieses internationalen Abkommens wird durch die 1968 eigens dafür gegründete International Narcotic Control Board (I.N.C.B.) überwacht.Diese Internationale Rauschgift Kontrollkommission (IRK) mit Sitz in Wien unternimmt vor ihrem alljährlichen Bericht so genannte Missionen in alle Länder der Welt, um vor Ort die Drogensituation zu prüfen.

Dritt-Welt-Staaten müssen mit Streichungen von Hilfsmitteln rechnen, wenn sie sich nicht "ordnungsgemäss" am Krieg gegen die Drogen beteiligen. Dass diese Art der Überwachung der IRK als sehr formal und bürokratisch gewertet werden kann, zeigen folgende Beispiele: Die Kommission kritisierte die Legalisierung von Cannabis als Arzneimittel in den USA, indem sie die "angeblich" medizinischen Zwecke bezweifelte.

Cannabis hat bei Krebspatienten und bei AIDS-Patienten inzwischen so gute Erfolge gezeigt, das es seit 1998 auch in Deutschland offiziell in die Arzneimitteltherapie aufgenommen ist. Schliesslich wurde auch die Schweiz gerügt, da sie in einigen Fällen Heroin an Schwerstabhängige abgibt (siehe unten).

In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass im UN-Abkommen von 1961 wegen der langen Tradition unter anderem das Opiumrauchen und das Kokablattkauen ausdrücklich erlaubt sind. Das Kauen des Kokablattes gilt nicht als Kokainkonsum, da sich im Speichel des Mundes das Kokain schnell in sein Spaltprodukt "Ecgonin" zersetzt, das amphetaminartige Wirkung hat.

Entwicklung der Drogensituation

Nachdem das Drogengeschäft in den 30er Jahren fest in kriminellen Händen war, kam es während des Zweiten Weltkrieges kurzeitig ganz zum Erliegen. Heroin verbreitete sich während des Vietnamkrieges extrem unter den GI: mindestens 20 Prozent von ihnen waren süchtig.Nach dem Krieg wurden die US-amerikanischen Soldaten erst einmal für ein halbes Jahr in der weitgehend heroinfreien Bundesrepublik zur Quarantäne stationiert – die Rauschdroge kehrte mit ihnen in ihr Ursprungsland Deutschland zurück. Mittlerweile hat sich die Drogenszene weiterentwickelt.

Durch Kombinationen und Veränderungen gelangte man zu billigeren und "effizienteren" Drogen. Eine Steigerung des Rauscheffektes wird durch die so genannten Speedballs, eine Kombination von Heroin und Kokain erzielt.Seit Mitte der 80er Jahre trat Kokain zusätzlich unter dem Namen Crack auf dem illegalen Drogenmarkt auf. Heutzutage zählt man allein in Deutschland 250.000 bis 300.000 Konsumenten "harter" Drogen.

Legalisierung der Drogen als Lösung des Suchtproblems?

Trotz des internationalen Drogenverbots der UNO versuchen Vertreter einiger Länder wie der Niederlande, der Schweiz und demnächst auch Deutschlands individuell ihre Drogenpolitik zu liberalisieren, um die Folgekriminalität zurück zu drängen, die Resozialisierung und die Gesundheit der Drogensüchtigen zu fördern. Unter Legalisierung sollte primär die Entkriminalisierung des Drogenkonsums und der Drogenbeschaffung verstanden werden, aber nicht der unbeschränkte Zugang eines jeden zur Droge.

Aus dem UN-Abkommen von 1961 wird deutlich, dass das Drogenverbot als Massnahme "zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung" zu verstehen ist. Eine andere Auslegung dieses Wortlautes bedeutet, dass eine Massnahme zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung die Legalisierung der Droge selbst ist. Die Legalisierung aller Drogen könnte langfristig eine Verbesserung der Situation des Drogenkonsumenten nach sich ziehen.

Es wären zwar keine nennenswerten Veränderungen im Konsumverhalten zu erwarten, aber ein wesentlicher Rückgang der Drogen- und Beschaffungskriminalität. Die Qualität der Substanz wäre einwandfrei, was weniger Todesfälle und weniger notwendige medizinische Betreuung bedeuten würde. Die Verkaufsstellen könnten besser kontrolliert werden.

Die Preise sollen niedriger sein als die der auf dem Schwarzmarkt erhältlichen Drogen. Es soll gesetzlich ein einheitlicher Abgabepreis geregelt werden. In der Schweiz wird seit vielen Jahren erfolgreich die kontrollierte Abgabe von Heroin praktiziert. Auch sprachen sich 1994 15 von 26 Kantonen für eine Legalisierung aller Drogen aus. Es mag verwunderlich erscheinen, dass ein so kleines Land wie die Schweiz eine derart progressive Drogenpolitik betreibt.

Doch berücksichtigt man ihre Rolle in der weltweiten Entwicklung der Drogensituation erkennt man schnell ihre Schlüsselrolle und den Handlungszwang: die schweizerischen Pharmaindustrien Sandoz und Hoffmann la Roche haben nicht nur bis in die 30er Jahre Heroin produziert, sondern auch noch in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts LSD als Arzneimittel vertrieben und in den USA populär gemacht.

In Anlehnung an das schweizerische Heroinmodell soll nun auch in Deutschland in sieben verschiedenen Grossstädten eine kontrollierte Studie durchgeführt werden.
Auflösen von Heroin in einem Teelöffel.

Bild: Auflösen von Heroin in einem Teelöffel. / Psychonaught (PD)

Zwei Kontrollgruppen von Heroinsüchtigen werden jeweils entweder Methadon, ein Opiat mit Langzeitwirkung, das zur Substitutionstherapie zugelassen ist oder Heroin bekommen.

Das Ziel der Studie ist eine Verbesserung des Gesundheitszustandes und der Resozialisierung der Drogensüchtigen.Eine von diesem Projekt unabhängige Entwicklung ist die Einrichtung von Drogenkonsumräumen, wo unter medizinischer Aufsicht legal Heroin und andere Drogen konsumiert werden können. So soll der Drogenkonsum von der Strasse weg verlagert werden, gesundheitliche Komplikationen vermieden und Todesfälle auf Grund von Überdosen verhindert werden.

Ein guter Ansatz, der jedoch noch nicht zu Ende gedacht ist: diese Massnahmen beeinflussen noch nicht die gesundheitlichen Komplikationen durch "gestreckte" Substanzen und die Beschaffungskriminalität. Die weiter führende Fragestellung dieser positiven Entwicklung der Drogenpolitik könnte nun sein, ob als Konsequenz des legalen Drogenkonsums in den dafür vorgesehenen Räumen auch eine vorangehende legale Beschaffung der Droge mit "Qualitätssiegel" ermöglicht werden wird.

Schon wie die Prohibition des Alkohols in den USA der 20er Jahre die Mafia förderte, verstärkt auch die Illegalität der Rauschdrogen die Macht der Drogenkartelle. Bei einer vollständigen Legalisierung der Rauschdrogen könnten die Geschäfte der Drogenkartelle verblühen.

Sabine Bayer / Artikel aus Lateinamerika Nachrichten Nr. 333