Wenige Konzerne beherrschen die weltweite Lebensmittelproduktion Agropoly

Wirtschaft

Saatgut, Jungtiere, Futtermittel, Dünger – was früher auf dem Bauernhof selbst produziert wurde, wird heute von der Saatgut-, Tierzucht-, Futter-/Düngemittel und Pestizidindustrie hergestellt.

Das Plastik-Meer von Almería, Satellitenbild.
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Das Plastik-Meer von Almería, Satellitenbild. Foto: NASA (PD)

18. Oktober 2013
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Immer weniger Konzerne liefern die Basis unserer Lebensmittel und beeinflussen dabei massgeblich Preise, Geschäftsbedingungen und sowie teilweise politische Rahmenbedingungen. Die neue Dokumentation der Erklärung von Bern macht Konzentration und Zusammenhänge sichtbar.

Kampf der Giganten

Die Weltbevölkerung und ihr Nahrungsmittelkonsum wachsen – wächst damit auch die Anzahl der im Nahrungsmittelbereich tätigen Firmen? Das Gegenteil ist der Fall: Konzerne kaufen kleinere Firmen und steigern so Marktanteile und Macht.

Firmen können damit die Preise, Geschäftsbedingungen und zunehmend auch die politischen Rahmenbedingungen diktieren. Vieles, was wir im Norden verbrauchen, wird billig im globalen Süden produziert.

Die Gewinne erzielen wenige überwiegend im Norden beheimatete Unternehmen. Die grossen Verlierer sind die Plantagenarbeiter und Kleinbauern im Süden als schwächste Glieder der «Wertschöpfungskette». In keiner anderen Bevölkerungsgruppe ist Hunger so verbreitet. Die Ökosysteme werden mehr und mehr zerstört.

Wir berichten über den Konzentrationsprozess in der Nahrungsmittelbranche und zeigen, dass die Industrialisierung und Konzentration in diesem Sektor in eine Sackgasse führt. Nachhaltige Landwirtschaft basiert auf Kleinbauern und regionaler Produktion.

Hohe Konzentration in wenigen Jahren

1996 hielten die zehn grössten Unternehmen der Saatgutindustrie einen Marktanteil von unter 30 %. Heute kontrollieren die drei grössten Unternehmen über 50 % des Marktes. Das Saatgut wurde in vielen Fällen teurer. Die drei Marktleader beim Saatgut sind allesamt auch führende Pestizidverkäufer.

Die Mächtigen beherrschen die Kette

Bauern werden von den Konzernen unter Druck gesetzt. Einerseits durch niedrige Abnahmepreise bei Soja, Weizen und Mais, andererseits durch hohe Preise für Saatgut, Pestizide, Energie, Dünger und Futtermittel.

Die RekordNahrungsmittelpreise 2008 führten daher bei Konzernen zu höheren Gewinnen und nicht bei Bauern, die die Risiken sowie negative Preisschwankungen tragen müssen.

Wer verdient?

Zum Beispiel: Vietnamesische Aquakulturfarmer produzieren Pangasius-Fisch, der in Europa etwa 10 USD pro Kilo kostet. Der Farmer erhält davon 1 USD. Nach Abzug der Produktionskosten beträgt der Verdienst 10 Cent je Kilo. Dabei tragen die Farmer die Risiken in der Aquakultur, wie Fischkrankheiten und Wetterprobleme; viele sind verschuldet.

Die Kette im Griff

Zusätzlich zur horizontalen Konzentration, bei der ein Unternehmen grosse Marktanteile beherrscht, breitet sich bei der vertikalen Integration ein Unternehmen in die vor und nachgelagerten Bereiche aus. Dabei geht es weniger um eine Verteilung der Geschäftsrisiken über mehrere Branchen, sondern vor allem um die Kontrolle der Wertschöpfungskette und den Zugriff auf billige Rohstoffe.

Wertschöpfungskette statt Nährstoff- und Energiekreislauf

Was früher im Sinne einer Kreislaufwirtschaft auf dem Hof produziert wurde – Saatgut, Jungtiere, Futtermittel, Dünger – ist heute eine industrialisierte und globalisierte «Wertschöpfungskette» für Nahrungsmittel und Agrotreibstoffe mit negativen Folgen für Böden, Wasser, Klima, Tierschutz und Gesundheit.

Lobby statt Wettbewerb

Agropoly Cover

Bild: Agropoly von EvB

Der Einfluss der Nahrungsmittelkonzerne auf Politik und Öffentlichkeit wächst. Tausende von Lobbyisten setzen sich für Konzerninteressen ein. Oft werden Konzernvertreter in staatlichen Einrichtungen platziert.

Mit Erfolg: Bei Nahrungsmittelstandards, Zulassungen von Pestiziden oder Gentechsaatgut, Handelsabkommen oder der Agenda der öffentlichen Forschung können sie ihre Interessen oft durchsetzen.

Der Welthandel dominiert die Preise

Auf die Preise hat der globale Handel dennoch massiven Einfluss. Im Börsenhandel wird mit einem Mehrfachen der realen Menge spekuliert. Mais und Soja rangieren gleich nach dem Rohöl.

Was kann ich als KonsumentIn tun?

Es ist für KonsumentInnen kaum möglich, den Überblick über die Wertschöpfungskette unserer Nahrungsmittel zu bewahren. Als die EvB 2010 die Schweizer Detailhändler fragte, ob sie wüssten, mit welchem Saatgut die Früchte und Gemüse in ihrem Sortiment produziert werden, haben alle unisono verneint.

Wenn jedoch nicht einmal die Supermärkte über die Herkunft der Nahrungsmittel informiert sind, wie sollen es die KonsumentInnen sein? Es braucht deshalb zuerst einmal mehr Transparenz.

Und natürlich können wir schon jetzt etwas tun:

Personal immer wieder nach Herkunft und dem sozialen und ökologischen Hintergrund der Produkte fragen mit Briefen an das Management und Anfragen in Meinungsbriefkästen mehr Transparenz fordern auf lokalen Märkten und beim Direktvermarkter saisonal und regional einkaufen Fairtrade- und Bioprodukte bevorzugen auf Marken grosser Unternehmen verzichten. Was für einzelne KonsumentInnen gilt, gilt selbstverständlich auch für die Einkäufer von Verwaltungen und Privatfirmen.

EvB

Dieser Text ist ein Auszug aus der 17-seitigen Broschüre "Agropoly", die von der Redaktion des Schweizer Vereins Erklärung von Bern herausgegeben wurde. Zu beziehen auf derEvb-Webseite.