NSA-Chef fordert verteilte Hinterlegung von Schlüsseln Vordertür statt Hintertür

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Michael Rogers, seines Zeichens NSA-Chef,fordert die Hinterlegung von Schlüsseln für Rechner und Smartphones, damit diese von Geheimdiensten und Ermittlungsbehörden entschlüsselt werden können.

Der neue Direktor des Nachrichtendienstes NSA, Michael S. Rogers.
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Der neue Direktor des Nachrichtendienstes NSA, Michael S. Rogers. Foto: sn (PD)

17. April 2015
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Dabei soll jedoch nicht ein einziger Schlüssel nötig sein, um die Inhalte zu entschlüsseln. Mehrere Stellen, etwa eine Geheimdienstbehörde und der Gerätehersteller, sollen über Teilschlüssel verfügen und nur in Zusammenarbeit zur Dechiffrierung in der Lage sein.

Vertraulichkeit durch Verschlüsselung wird dadurch möglich, dass nur die intendierten Kommunikationspartner die für sie bestimmten Nachrichten lesen können. Das ist vielen Sicherheitsbehörden und Ermittlern ein Dorn im Auge. Denn sonst, so heisst es oft, sei man machtlos gegenüber Terroristen™ und Co. Auch in der Bundesregierung propagierte man die Einführung vonKey Escrow– Schlüsselhinterlegung. So unser Innenminister Thomas de Maizière:

«[Deutsche Sicherheitsbehörden müssen] befugt und in der Lage sein, verschlüsselte Kommunikation zu entschlüsseln oder zu umgehen, wenn dies für ihre Arbeit zum Schutz der Bevölkerung notwendig ist. Effektive Ermittlungen zur Strafverfolgung müssen auch im Cyberraum möglich sein.»

Dass Rogers nun vorschlägt, die Schlüssel auf mehrere Partner aufzuteilen, beruhigt wenig, denn die freundliche Zusammenarbeit zwischen Diensten und Technologiefirmen ist in den letzten Monaten trotz vielerDementi zum Vorschein gekommen. Und im Allgemeinen widerspricht es dem Grundverständnis der Vertraulichkeit zwischen zwei Parteien, dass zur Ermöglichung dieser einer dritten und vierten (und fünften…) vertraut werden muss. Da hilt auch Rogers freundliche Metapher von der Vorder- statt Hintertür nichts:

«Ich will keine Hintertür, ich will eine Vordertür. Und ich will, dass die Vordertür mehrere Schlösser hat. Grosse Schlösser.»

Mehrere Schlüssel auf Parteien aufzuteilen, die nur durch Zusammenarbeit den Klartext einer Nachricht ermitteln können, ist keine Raketentechnologie, sondern eine lange bekannte kryptographische Technik. Die einfachste, vorstellbare Umsetzung ist die Zusammensetzung eines Schlüssels durch Addition von Teilschlüsseln. Ein neuralgischer Punkt in diesem Verfahren ist immer die Verteilung der Schlüssel auf die Parteien, da in der Regel sicher sein muss, dass der „Dealer“ vertrauenswürdig ist. Ein solches Schema stimmt im Falle der US-Dienste wenig optimistisch.

Doch das Problem ist den Kryptographen bekannt und es gibt seit über drei Jahrzehnten Lösungsvorschläge, um das Vertrauen in den Dealer zu reduzieren, beziehungsweise komplett überflüssig zu machen. Sowohl was seineEhrlichkeit bei der Verteilung der Schlüssel angeht als auch seinWissen um den Gesamtschlüssel. Auch Schemata, bei denen nur eine Untermenge der Teilschlüsselinhaber zusammenkommen müssen, um das Gesamtgeheimnis zu rekonstruieren, sind gründlich erforscht.

Eine integrale Instanz, bei der das Secret Sharing angewandt wird, ist der Root-Schlüssel für DNSSEC. Er ist Teil der ICANN-Sicherheitsstruktur und garantiert die Authentizität der Auflösung von Domainnamen in IP-Adressen. Dieser Schlüssel istunter sieben Personen aufgeteilt, von denenfünf anwesend sein müssen.

Doch wie steht die Obama-Regierung zu dem Vorschlag des Geheimdienstchefs? Klare Äusserungen gibt es noch nicht, doch derzeit arbeitet eine Gruppe des Weissen Hauses an einem Vorschlag, wie man den Zugriff von Ermittlern auf Daten sichern kann. Ein wie vorgeschlagen gearteter Key Escrow könnte ein Szenario sein. Und würde auch zu den schwammigen Aussagen Obamas passen, der im Februarin einem Interview sagte:

«Ich bin vielleicht eher für starke Verschlüsselung als manche in Strafverfolgungsbehörden. Aber ich habe Verständnis für die Ermittler, denn ich weiss um den Druck, unter dem sie stehen, um für unsere Sicherheit zu sorgen. Es ist nicht so schwarz-weiss, wie es manchmal aussieht.»

Das einzig Gute ist, dass durch einen eventuell verpflichteten Key Escrow für US-Hersteller kein ausländisches Unternehmen betroffen sein wird. Von dritten Programmen generierte Schlüssel blieben von der Regelung unberührt. Was nicht heisst, dass die Dienste nicht auch hier versuchen werden, durch Hintertüren oder Sicherheitslücken Zugriff zu bekommen.

Anna Biselli
netzpolitik.org

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.