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Über die Gesichtstracking-Software „VidiReports“ Niederlande: Versteckte Kameras mit Analyse-Software in Werbetafeln gefunden

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In Aussenwerbetafeln in den Niederlanden wurden Kameras mit Video-Scannern eingesetzt, um Passanten zu analysieren.

In den Niederlanden wurden Reisende durch Werbeanzeigen beobachtet. (Symbolbild)
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In den Niederlanden wurden Reisende durch Werbeanzeigen beobachtet. (Symbolbild) Foto: Giuseppe Milo (CC BY 2.0 cropped)

14. September 2017
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Die Betreiberfirma hat die Praxis nach Protesten eingestellt. Doch auch in Deutschland werden Überwachungssysteme getestet, die Menschen automatisiert erkennen und lesen sollen. Die britische Werbefirma „Exterion Media“ hat in den Niederlanden 50 Kameras deaktiviert, die sich in digitalen Aussenwerbetafeln des Konzerns befinden. Das berichtet die niederländische Zeitung „NRC Handelsblad“ unter Berufung auf eine Pressemitteilung des Unternehmens.

Exterion, das nach eigenen Angaben auch in Frankreich, Spanien und Grossbritannien aktiv ist, reagierte damit auf öffentlichen Protest gegen die ungefragte Analyse. Ausgelöst wurde der Widerstand durch einen Twitterpost: Ein Reisender hatte auf dem Bahnhof der Stadt Amersfoort eine Apparatur in einer Anzeigetafel entdeckt und ein Bild davon geteilt. Während die staatliche Bahngesellschaft als Betreiberin des Bahnhofs zunächst von einem „Sensor“ sprach, der keine Bilder erzeugen könne, bestätigte Exterion später, dass es sich um eine Kamera handele.

Laut Bericht der Zeitung wurden die Kameras mit der Gesichtstracking-Software „VidiReports“ ausgestattet, um die Werbeanzeigen zu optimieren. Der Website des Herstellers „Quividi“ zufolge kann die Software sowohl erkennen, ob und wie lange eine Person die Werbeanzeige betrachtet, als auch biometrische Merkmale wie Geschlecht und Alter abschätzen. Diese Daten sollen in einer Datenbank gespeichert worden sein. Die Software kann zudem laut Hersteller auch die Gemütslage der Betrachter erfassen. In diesem Fall sei die Funktion allerdings nicht aktiviert gewesen, so Exterion.

Das Unternehmen betonte in seiner Pressemitteilung „dass die Kameras keine Videoaufnahmen in irgendeiner Weise machen.“ Das System erfasse und speichere lediglich die genannten Informationen über die Betrachter, aber keine Bilder. Ein Rückschluss auf einzelne Personen sei nicht möglich.

Ähnliche Systeme auch in Deutschland getestet

Auch in Deutschland wurden ähnliche Systeme bereits eingesetzt. So erregten etwa die Supermarktkette Real sowie die Deutsche Post Aufmerksamkeit durch den Einsatz von Werbebildschirmen mit visueller Tracking-Software in einigen Filialen. Ob solche Systeme überhaupt legal eingesetzt werden dürfen, istumstritten. Fraglich ist insbesondere, ob eine Kennzeichnung durch einen allgemeinen Hinweis auf Videoüberwachung ausreicht, wie esbei Real der Fall war. Das Unternehmen hat die Tests inzwischen ebenfalls eingestellt.

Die Kapazitäten von Gesichtserkennungssoftware nehmen stetig zu. Wie derGuardian berichtet, kam zuletzt eine Studie der Stanford University zu dem Schluss, dass die Technik genutzt werden kann, um die sexuelle Orientierung eines Menschen mit hoher Trefferquote vorherzusagen. Auch für staatliche Akteure sind die Systeme interessant. Während ein Test des BKA mit automatischer Gesichtserkennung am Bahnhof Südkreuz noch läuft, träumt die CDU in ihrem Wahlprogramm bereits von einem flächendeckenden Einsatz der vernetzen Videoscanner an „öffentlichen Gefahrenorten“.

Johannes Steiling
netzpolitik.org

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.

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