JournalistInnen ziehen gegen den BND vor Gericht Wie verklagst du einen Geheimdienst?

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Der Bundesnachrichtendienst überwacht Millionen von E-Mails und sammelt dabei massenhaft Metadaten. Diese Praxis der Überwachung kann nicht ausschliessen, dass auch Journalisten ins Schleppnetz geraten – ein Umstand, der für eine Demokratie nicht akzeptabel ist.

Haupteingang zum Gelände des Bundesnachrichtendienstes in Pullach.
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Haupteingang zum Gelände des Bundesnachrichtendienstes in Pullach. Foto: Bjs (CC BY-SA 4.0 cropped)

30. März 2016
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Deshalb hat die Organisation “Reporter ohne Grenzen” Klage gegen den BND eingereicht. Journalist und Mitkläger Matthias Spielkamp über die Hintergründe. Ein Protokoll:

Die Angestellten und die Beiratsmitglieder von Reporter ohne Grenzen kommunizieren ständig mit Journalisten im Ausland, welche in Ländern wie Aserbaidschan, Syrien, dem Irak und Afghanistan leben. Da der Bundesnachrichtendienst (BND) für Auslandsüberwachung zuständig ist, versucht er solche Kommunikation daraufhin zu überwachen, ob darin etwas vorkommt, das für ihn interessant sein könnte.

Es ist nicht vorstellbar, dass nicht auch deutsche Journalisten in dieses Netz der Überwachung geraten. Das ist aber nicht erlaubt. Deutsche dürfen nicht überwacht werden, bzw. wenn sie es werden, dann muss es eine Genehmigung der sogenannten G 10-Kommission geben.

Wir bei “Reporter ohne Grenzen” sind der Auffassung, dass das nicht die Rechtspraxis ist. Denn beim Vorgehen des BND wird die Kommission nicht um ihre Genehmigung gebeten. Dabei werden E-Mails von Personen ausgewertet, deren E-Mails nach deutschem Recht und Gesetz nicht ausgewertet werden dürften – allein schon wegen der schieren Masse der Kommunikation, die da überwacht wird. Das bedeutet, dass wir uns nicht darauf verlassen können, dass unsere Kommunikation vertraulich bleibt.

Die Datenbank des BND

Es muss aber garantiert sein, dass die Kommunikation von Geheimnisträgern – also Menschen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht haben und dazu gehören auch Journalisten – vertraulich bleibt. Sonst können wir unsere Arbeit nicht machen. Der Vertrauensverlust ist enorm. Leute, die nicht davon ausgehen können, dass ihre Kommunikation mit uns vertraulich bleibt, werden uns nicht mehr kontaktieren. Und dann wird es wahnsinnig schwierig überhaupt noch mit ihnen in Kontakt zu treten. Das wiederum behindert unsere Arbeit in einem Masse, das wir nicht akzeptieren können.

Wenn es um Metadaten geht, gibt es ein spezielles Problem: Der BND betreibt ohne Rechtsgrundlage eine Datenbank namens VerAS – die Abkürzung steht für Verkehrsanalysesystem.

Damit in Deutschland massiv Kommunikationsdaten gespeichert werden können, also wer/wann/mit wem/über welchen Kanal Kontakt hatte, braucht es eine gesetzliche Grundlage. Wenn es keine gesetzliche Grundlage gibt, ist es verboten solche Daten zu erheben. Das heisst, der BND macht etwas, ohne die Befugnis dafür zu haben und tut so, als sei es völlig selbstverständlich. Das ist eine Situation, die sobald wie möglich beendet werden muss. Deshalb haben wir von “Reporter ohne Grenzen” eine Klage gegen den BND eingereicht.

Arbeit der Geheimdienste muss kontrolliert werden

Es ist schwierig, einen Prozess gegen einen Geheimdienst in Deutschland zu gewinnen. Der Geheimdienst gehört ganz klar zu dem, was man Staatsräson nennt. Dabei geht es darum, von staatlicher Seite aus das Gewaltmonopol zu behalten und die entsprechenden Mittel dafür einzusetzen – und das sind eben auch Überwachung und Ausspähung.

Man kann auch der Ansicht sein, dass der Staat das Recht hat, einen Geheimdienst zu haben und dass dafür sogar eine Notwendigkeit besteht. Denn ein Staat muss sich selbst behaupten und für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger garantieren können. Deswegen gibt es viele, die sagen, “ja der Staat darf und muss sogar einen Geheimdienst haben”. Aber dieser Geheimdienst muss sich meines Erachtens auf dem Boden des Rechts bewegen.

Wenn Kritik an den genanannten Praktiken aufkommt, wie jetzt mit der Klage, dann verweist die Regierung gern auf Geheimhaltung sowie auf nationale Sicherheit – und der Nachrichtendienst tut das an erster Stelle. Trotzdem sind in der Vergangenheit gerade vom Bundesverfassungsgericht sehr viele Entscheidungen getroffen worden, die die Handlungsfähigkeit des Staates eingeschränkt haben – mit dem Hinweis darauf, dass alles nach Recht und Gesetz zugehen muss.

Darauf hoffen wir auch. Wir sagen zum einen, dass es nicht sein kann, dass der Bundesnachrichtendienst weder demokratisch noch rechtsstaatlich kontrolliert wird. Für unsere Klage gibt es zwei ganz wesentliche juristische Argumente: Wir können zum einen zeigen, dass extrem viele E-Mails ausgewertet werden und dass es fast unmöglich ist, nicht in dieses Netz zu geraten. Und zum anderen können wir auf die Existenz der Datenbank verweisen, die keine gesetzliche Grundlage hat.

Darauf baut die Klage

Demokratietheoretisch muss man da sagen: wenn ein Land oder eine Gesellschaft der Ansicht ist, dass sie einen Geheimdienst braucht – und ich glaube, dass das eine Sichtweise ist, die in der deutschen Gesellschaft vorhanden ist – dann heisst das keinesfalls, dass der machen darf, was er will. Vielmehr muss er sich selbstverständlich an Recht und Gesetz halten. Dafür wollen wir von “Reporter ohne Grenzen” sorgen.

Bei der ersten Klage gegen den BND, die ein Anwalt eingereicht hat, ging es zum Teil um denselben Sachverhalt wie im Augenblick. Es ist völlig klar, dass bei so einer massiven Überwachung auch die Kommunikation dieses Anwalts in das Monitoring des BNDs hineingerät und analysiert wird – all das ohne eine Genehmigung der G 10-Kommission. Damals hat das Gericht unter anderem argumentiert, dass keine Betroffenheit nachgewiesen werden konnte. Der Anwalt konnte nicht hieb- und stichfest belegen, dass seine E-Mail-Kommunikation vom BND überwacht wurde.

Das ist unserer Ansicht nach ein Catch-22. Der BND hält geheim, wen er überwacht. Um gegen den BND vorzugehen, verlangt das Gericht allerdings, dass man nachweisen kann, dass der BND einen überwacht. Da läuft der Rechtsschutz dann ins Leere – man kann nicht mehr davon ausgehen, dass diese gesetzliche Situation tatsächlich einen Rechtsschutz für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger garantiert. Trotzdem hat das Bundesverwaltungsgericht damals so entschieden und der Anwalt war der Ansicht, dass dieses Urteil keinen Bestand haben würde und ist zum Bundesverfassungsgericht gegangen – dort aber an Formalitäten gescheitert.

Der Weg durch die Instanzen

Das bedeutet für uns, dass wir eine verhältnismässig ähnliche Klage führen, was diesen einen Aspekt angeht. Wir hoffen, dass wir noch bessere Argumentente gefunden haben und noch besser die Betroffenheit belegen können. Wir hoffen zudem, dass das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in dieser Hinsicht anders abläuft.

Bei unserem Ansatz kommt ein zweiter Teil zur Klage hinzu, den es damals noch nicht gab. Denn die Existenz der VerAS-Datenbank war zum Zeitpunkt der ersten Klage nicht bekannt. Die Tatsache, dass die Datenbank überhaupt betrieben wird und diese ganze Auswertung stattfindet, ohne eine gesetzliche Grundlage zu haben, ist ein zusätzliches Argument dafür, dass das Verwaltungsgericht diese Art der Überwachung für unrechtmässig erklären müsste. Sollten es das nicht tun, dann werden wir selbstverständlich vor das Bundesverfassungsgericht gehen.

Im übrigen ist es ganz normal, dass man vor einem Gericht ein nach eigener Ansicht schlechtes Urteil bekommt und dann eben vor das nächste Gericht gehen muss. Das ist der Weg durch die Instanzen, das ist nun einmal so in diesem Geschäft. Auch deshalb ist der Anwalt, der damals die erste Klage geführt hat und der uns nun in der zweiten Klage vertritt, nicht vom Glauben abgefallen.

Wie es jetzt weitergeht

Momentan warten wir darauf, dass wir einen Verhandlungstermin bekommen, der wird im Sommer oder im Spätsommer, vielleicht auch erst im Herbst 2016 sein. Wir hoffen auf eine etwas frühere Verhandlung, aber das entscheidet das Gericht. Man kann die Klage auf zwei Arten unterstützen: Einmal gibt es eine Petition, die man unterzeichnen kann, um uns moralisch den Rücken zu stärken. Sie befindet sich auf der Seite von “Reporter ohne Grenzen”.

Zudem kann man unsere Arbeit durch Spenden unterstützen. Reporter ohne Grenzen finanziert sich über Mitgliedsbeiträge sowie über Spenden und man kann Mitglied werden, um uns dauerhaft bei unseren Kampf für Presse- und Informationsfreiheit zu unterstützen. Man kann aber spenden und sagen, dass diese Spende speziell für das Verfahren gegen den BND ist. Für uns entstehen durch die Klage Kosten und diese Kosten begleichen wir aus unseren laufenden Einnahmen. Wenn sich jetzt jemand sagt, er oder sie möchte uns da mit einer Spende unterstützen, dann ist die jederzeit herzlich willkommen.

Wie viel die moralische Unterstützung bedeutet, ist schwer einzuschätzen. Wir haben im Moment knapp 4.500 Unterschriften und ich finde das ist schon eine ganze Menge für so eine Initiative. Aber das dürfen durchaus noch mehr sein! Es gibt erfolgreiche, motivierende Beispiele von ziviler Beteiligung, wenn auch nicht genau auf die gleiche Art und Weise. Was genau jetzt die Petition für die Klage bringen wird? Die Richter werden sicherlich ihre Meinung dadurch nicht ändern. Aber es gibt auch noch die Politik, die die Gesetze verändern soll. Da würde eine solche Petition sicherlich schon etwas nützen, als Argumentationshilfe.

Vor allen Dingen gibt es das legendäre Verfahren gegen die Vorratsdatenspeicherung aus dem Jahr 2007. 34.939 Beschwerdeführer hatten damals gegen die Vorratsdatenspeicherung geklagt und am Ende auch gewonnen. Das ist ein sehr ermutigendes Beispiel.

Matthias Spielkamp
berlinergazette.de

Der Beitrag basiert auf einem Interview, das die Redaktion der Berliner Gazette am Rande des LOGAN-Symposium führte.

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