Über den neuen Gesetzentwurf „Investigatory Powers Bill“ Britisches Überwachungsgesetz könnte „Leben kosten“

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Das geplante britische Überwachungsgesetz würde Menschenleben kosten, sagte der ehemalige technische Direktor des US-Geheimdienstes NSA, William Binney, in einer Anhörung vor einem Ausschuss des britischen Parlaments.

Der ehemalige technische Direktor des US-Geheimdienstes NSA, William Binney.
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Der ehemalige technische Direktor des US-Geheimdienstes NSA, William Binney. Foto: Rama (CC BY-SA 2.0 fr cropped)

11. Januar 2016
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Analysten würden von einer Flut an Informationen überschwemmt und hätten folglich Schwierigkeiten, die Nadel im Heuhaufen zu finden.

Er spreche aus eigener Erfahrung, erklärte der 36 Jahre bei der NSA tätig gewesene und mittlerweile zum Whistleblower gewandelte Binney. Massenhaft abgefangene Kommunikation habe unüberschaubare Datenberge zur Folge, die niemand durchforsten könne. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 habe dies „durchwegs zum Verlust von Menschenleben geführt, in meiner Heimat und anderswo“, so Binney in seinerschriftlichen Stellungnahme.

Die Anschläge hätten verhindert werden können, hätte man sich für einen zielgerichteten Ansatz entschieden. „16 Monate vor den Attacken betrieb meine Abteilung [Signit Automation Research Center – Sarc] eine neue Methode, die sich auf ‚intelligente Datensammlung' konzentrierte, um terroristische Netzwerke aufzudecken. Der Plan wurde zurückgewiesen, zu Gunsten eines deutlich teureren Plans, der darauf abzielte, sämtliche Kommunikation von allen zu sammeln“, zitiert ihnder Guardian.

Silicon Valley will Vertrauen wiederherstellen

In einer gemeinsamen Stellungnahme übten ferner die IT-Schwergewichte Facebook, Google, Microsoft, Twitter und Yahoo scharfe Kritik am Gesetzentwurf der britischen Innenministerin Theresa May. So wiesen sie im Entwurf enthaltene Bestrebungen zurück, Ermittlungsbehörden Zugang zu verschlüsselter Kommunikation zu gewähren, etwa mittels gesetzlich vorgeschriebenen Hintertüren. Problematisch sei zudem die Ermächtigung, in Computernetzwerke oder einzelne Geräte einzudringen, da dies die Sicherheit von Produkten oder Diensten gefährden und somit das Vertrauen der Nutzer in das gesamte Ökosystem untergraben würde.

Unvorhergesehene Auswirkungen hätte auch die Verpflichtung zur Herausgabe von im Ausland liegenden Nutzerdaten an britische Behörden. Um der Gesetzeslage auf der Insel zu entsprechen, müssten die Unternehmen womöglich Datenschutzrichtlinien anderer Länder missachten, was ein bodenloses Fass aufmachen würde.

Noch einen Schritt weiter ging Apple, das in einergesonderten Stellungnahme vor „schweren internationalen Konflikten“ warnte, sollten nicht-britische Unternehmen dazu gezwungen werden, Gesetze ihrer Heimatländer zu brechen. Zudem sei wahrscheinlich, dass solche Regelungen einen Dammbruch darstellen und andere Länder ähnliche Gesetze erlassen würden. Das könnte einen „substanziellen Teil der IT-Industrie“ lahmlegen, die „dutzende oder hunderte, einander widersprechende Länder-spezifische Gesetze“ einhalten müsste.

Der „Investigatory Powers Bill“ genannte Gesetzentwurf war vergangenen November vorgestellt worden und sieht derzeit unter anderem eine weitreichende Vorratsdatenspeicherung, eine abgeschwächte richterliche Kontrolle sowie Massnahmen vor, die Ermittlungsbehörden Zugang zu verschlüsselter Kommunikation verschaffen sollen. Die aktuelle laufende parlamentarische Debatte vor einem eigens eingerichteten Ausschuss hat zu zahlreichen lesenswerten Stellungnahmen geführt, etwa der des legendären InvestigativjournalistenDuncan Campbell, derElectronic Frontier Foundation (EFF) oder der desUN-Sonderberichterstatters. Sie lassen sich auf derWebseite des Parlaments oderhier in alphabetischer Reihenfolge abrufen.

Tomas Rudl
netzpolitik.org

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