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Ein Blick in die Geschichte der Überwachung | Untergrund-Blättle

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„1684 statt 1984: Des Königs NSA“ Ein Blick in die Geschichte der Überwachung

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Lange vor der Überwachung durch NSA, BND und Co. entwickelten die Monarchen Europas Systeme zur Kontrolle ihrer Untertanen. Die Reise in die Vergangenheit zeigt viele Parallelen der damaligen Zeit zu heutigen Formen der Überwachung.

Aktion vor dem BND-Neubau, Überwacht die Überwacher! Freiheit statt Angst.
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Aktion vor dem BND-Neubau, Überwacht die Überwacher! Freiheit statt Angst. Foto: digitalcourage (CC BY 2.0 cropped)

17. Mai 2016
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In seinem Talk auf der vergangene Woche stattgefundenen re:publica unternimmt der Autor Tom Hillenbrand (u.a. „Drohnenland“ & „Der Kaffeedieb“) eine Zeitreise ins Europa des 17. Jahrhunderts. Sein Blick wendet sich dabei auf die Methoden der staatliche Überwachung dieser Zeit, die er mit den heutigen Formen der Überwachung vergleicht.

Dreimal Frankfurt, Dreimal Überwachung

Eine der Parallelen, die sich durch den Lauf der Geschichte der Überwachung zieht ist die Nutzung strategischer Standorte. Das Beispiel Frankfurt zeigt dabei, wie Überwachung in den verschiedenen Epochen umgesetzt wurde.

Mitte des 17. Jahrhunderts liefen sämtliche Briefe des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation in der Frankfurter Hauptpost zusammen, wo sie vor Ort geöffnet und ausgewertet wurden. Ermöglicht wurde das durch die zentralisierte Kaiserliche Reichspost, die das Adelsgeschlecht Thurn und Taxis betrieb.

Ähnliche Bestrebungen gibt es auch in anderen Ländern: Der Französische König gab die Anweisung, jeden Brief über Paris zu leiten, selbst wenn dies nicht die schnellste Route sei. Zur gleichen Zeit wurden in England kleinere private Postdienste verstaatlicht. Beide Massnahmen dienten dazu, die Kontrolle über das Briefwesen mehr in die staatliche Hand zu legen.

Rund dreihundert Jahre später ist es eine andere Kommunikationsform, die in Frankfurt zusammenläuft. Nunmehr sind es Telefonate – genau genommen sämtliche Ferngespräche, die Deutschland erreichen und verlassen-, die im Frankfurter Fernmeldehochhaus gebündelt werden. Neben der Telefonzentrale belegt auch noch eine andere Behörde Büros im Gebäude: die NSA, die die strategische Position im Westdeutschland des kalten Krieges für seine Überwachungsaktivitäten nutzte.

In Zeiten, in denen Briefe und Telefonate seltener werden, rückt zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Überwachung des Internetverkehrs in den Vordergrund. Auch hier befindet sich in Frankfurt ein zentraler Knotenpunkt, der bekanntlich von BND und NSA angezapft wird.

Dies zeigt, dass Kommunikation unabhängig von ihrer Form an zentralen Orten gebündelt wird und diese Bündelung von staatlichen Stellen für Überwachungsaktivitäten ausgenutzt werden.

Die Überwachung der „schwarzen Kabinette“

Im Verlauf des 17. Jahrhunderts bildeten sich die ersten Formen strukturierter staatlicher Massenüberwachung heraus. Die Überwachung erfolgte dabei über die sogenannten „schwarzen Kabinette“, in welchen angekommene Briefe zunächst gesammelt wurden.

Die Entscheidung, welche Briefe geöffnet werden sollten, basierte oftmals auf Adresslisten auf denen Absendern und Empfängern gesammelt wurden, die als verdächtig galten – quasi den damaligen Selektorenlisten. Anschliessend wurden die Siegel der ausgewählten Briefe gebrochen, deren Inhalt entweder kopiert oder Interzepte erstellt und die Briefe anschliessend wieder versiegelt und weitergeschickt.

„Thou shalt fight for thy analogue rights“

Da es weitgehend bekannt war, dass der Briefverkehr überwacht wurde, entwickelten sich verschiedene Abwehrmöglichkeiten.

Zum einen versuchte man der Überwachung durch Verschlüsselung zu entgehen. Sogar der Sonnenkönig Ludwig XIV verwendete die Grand Chiffre um seinen Briefverkehr zu verschlüsseln. Im Falle von Ludwig XIV war dies auch erfolgreich, weniger ausgeklügelte Verfahren konnten jedoch häufig von den Kryptographieexperten der schwarzen Kabinette entschlüsselt werden.

Andere Massnahmen waren das Verwenden von Deckadressen, um nicht auf den Selektorenliste aufzutauchen oder die Nutzung alternativer Postwege, die meist von Banken operiert wurden und durch welche die Briefe nicht in die Hände der Überwacher geraten sollten. Die britische Krone leitete ihre Post über weitere Wege um, quasi eine Art Schengenrouting.

Diese Gegenmassnahmen waren jedoch nur bedingt erfolgreich. Von staatlicher Seite reagierte man neben den Bestrebungen zur Entschlüsselung der Briefe durch Vereinbarungen mit den für die alternativen Postwege genutzten Banken, welche auch das Überwachen dieser Briefe ermöglichte. Wie im 21. Jahrhundert bei PRISM wurde also eine Kooperation zwischen privaten Unternehmen und staatlichen Überwachungsstellen dafür genutzt, eine Lücke des Überwachungsnetzes zu schliessen.

Ben Siegler
netzpolitik.org

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.

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