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Shari Steele über die Organisation des Tor-Projekts | Untergrund-Blättle

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Einblicke in die Arbeitsweise und Organisation Shari Steele über die Organisation des Tor-Projekts

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Shari Steele ist seit Anfang Dezember 2015 neue Direktorin beim Tor-Projekt. Im Interview mit netzpolitik.org erzählt Shari, welche Aufgaben auf sie zukommen und wie sie diese bewältigen möchte. Sie arbeitete seit 1992 bei der Electronic Frontier Foundation (EFF), die letzten 15 Jahre auch dort als Direktorin.

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Tor-Logo. Foto: Tor Project (CC BY-SA 3.0 unported)

12. Januar 2016
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In der Anfangszeit war die EFF massgeblich daran beteiligt, dem Projekt zu dem zu verhelfen, was es heute ist. So arbeitete Shari schonwährend ihrer Zeit bei der EFF mit den Leuten vom Tor-Projekt zusammen. Sie war zudem verantwortlich für die finanzielle Unterstützung des Projekts seitens der EFF von 2004 bis 2005.

Zur Zeit läuft übrigensdie erste grosse Spendenaktion vom Tor-Projekt. Wer mehr als 100 Dollar spendet, bekommt dafür ein T-Shirt, aber dazu später mehr im Interview.

Das Tor-Projekt ist in der letzten Zeit erheblich umfangreicher geworden, die interne Organisation ist aber aus der Anfangszeit bestehen geblieben und nur bedingt mitgewachsen. Shari gibt in dem Interview einen Einblick in die sympathische bisherige Arbeitsweise und erzählt, wie sie mit ihrer organisatorischen Arbeit vorhat, dem Projekt gerecht zu werden.

netzpolitik.org: Sie wurden als diejenige vorgestellt, die die organisatorische Seite des Tor-Projekts erneuern soll, während die technische Seite bereits gut funktioniert. Wie sehen Ihre Pläne zur Neuorganisierung des Projekts aus?

Shari Steele: Ich möchte an der Infrastruktur arbeiten, die das Tor-Projekt unterstützt. Ich bin keine Technologieexpertin und es wäre lächerlich, den an der Technologie arbeitenden zu sagen, wie sie ihre Arbeit zu machen haben. Die Dinge, mit denen ich mich beschäftigen werde, sind Fundraising und die operative Arbeit. Wir brauchen dringend Unterstützung aus nicht-staatlicher Herkunft, vor allem, da die Gelder aus den bestehenden Verträgen mit der Regierung zweckgebunden sind. Es gibt jedoch noch eine Menge anderer Vorhaben, die wir gerne umsetzen möchten, aber für die wir bisher kein Geld zur Verfügung haben.

Eine Infrastruktur zur Unterstützung für alle, die am Projekt mitarbeiten, ist bisher nicht wirklich vorhanden. Zum Beispiel brauchen wir Leute für die Personalführung. Das Tor-Netzwerk basiert zu einem grossen Teil auf der Arbeit von Freiwilligen. Diese arbeiten oft an Vorhaben, für die wir keine Förderungen erhalten. Manche Freiwillige sind sehr verlässlich, andere weniger, und für manche Vorhaben finden sich sehr einfach Freiwillige, für andere Vorhaben nicht. Zurzeit mangelt es aber vor allem an der Infrastruktur für das Fundraising.

Ein gutes Beispiel für die bisherige Arbeitsweise ist Folgendes: Wir wollten in unserer aktuellen Fundraising-Kampagne T-Shirts an alle vergeben, die mehr als 100 Dollar gespendet haben. Wir haben aber kein System, mit dem uns die Spender mitteilen können, welche Grösse das T-Shirt haben sollte oder ob sie überhaupt eines möchten. Momentan läuft das so, dass wir per E-Mail nach der gewünschten Grösse fragen, sobald wir mitbekommen, wenn jemand über 100 Dollar gespendet hat. Solche Dinge möchte ich verbessern.

netzpolitik.org: Warum haben sie die EFF verlassen und als Direktorin bei Tor angefangen?

Shari Steele: Ich habe im April bei der EFF aufgehört, da mein Mann einen Job in Seattle bekommen hat. Zuvor haben wir in der Gegend rund um San Francisco gewohnt, wo die EFF ihren Sitz hat. Aufgrund des Umzugs war ich also nicht in der Lage, bei der EFF zu bleiben. Ich dachte dann, ich nehme mir eine Auszeit und überlege in Ruhe, was ich als nächstes machen möchte. Aber als meine Kinder wieder in der Schule waren, wurde mir zu Hause langweilig. Das Tor-Projekt hatte dann Anfang September angefragt, ich überlegte mir eine Woche lang das Angebot und entschied mich dann, die Stelle anzunehmen. Ich dachte, ich bin wieder bereit, arbeiten zu gehen, und bei Tor würde es sicherlich Spass machen. Ich ging davon aus, dass es aufregend und interessant wird, da ich genau die Fähigkeiten habe, die für den Job gebraucht werden und ich mich in der Lage sah, etwas zu verändern. Ausserdem ist es für mich ein Zurückgehen in eine Community des freien Internets, die ich sehr gerne mag.

netzpolitik.org: Wie haben Sie sich ihre neue Arbeit vorgestellt und wie unterscheidet sie sich davon?

Shari Steele: So ziemlich in jeder Hinsicht. Was sich nicht unterscheidet ist, dass die Leute genauso nett, schlau und leidenschaftlich bei der Arbeit sind wie ich es von ihnen erwartet habe. Worauf ich nicht vorbereitet war, war wie… wie die „Techies“ denken, im Hinblick auf Problemlösungen. Für jedes Problem gibt es eine sehr analytische Methode, es zu lösen, aber manchmal ist es gar nicht nötig, sich so tiefgründig Gedanken zu machen. Manchmal gibt es bereits Lösungen, auf die man zurückgreifen kann. Da ist eine Menge auf der nicht-technischen Seite, wo ich sagen würde: „Interessante Idee, aber lasst es uns doch anders machen, das wäre deutlich effizienter.“

netzpolitik.org: Was waren die grossen Veränderungen der Infrastruktur im letzten Jahr?

Shari Steele: Eine der wirklich grossen Veränderungen war die Erkenntnis, dass sich die Organisation spezialisieren muss. Für lange Zeit wollten immer alle über alles Bescheid wissen, und jeder arbeitete an allem mit. Während des letzten Jahres kam dann die Erkenntnis, dass die Organisation zu gross geworden ist und die bisherige Herangehensweise nicht skaliert. Es handelt sich so gesehen um eine Veränderung der Gewohnheiten. Die Leute fangen an zu realisieren, dass es besser ist, wenn sie sich auf ihren Aufgabenbereich fokussieren und sich darauf verlassen, dass die Anderen ihren Teil schon richtig machen werden. Sie realisieren, dass sie nicht über jedes Detail Bescheid wissen müssen. Es ist eine langsame, aber wichtige Veränderung, und ich glaube, mich einzustellen ist Teil dessen.

Sie hätten auch jemanden aus ihren Reihen für die Stelle der Direktion nehmen können, jemanden, der bereits vorhandene Fähigkeiten mitbringt. Aber sie haben sich für mich entschieden, mit Fähigkeiten, die sie brauchen, mit denen sie nicht selber aufwarten können.

Jakob May
netzpolitik.org

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.

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