Spenden im Internet Ice Bucket Challenge

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Menschen schütten Eiswasser über ihren Kopf um nicht Spenden zu müssen – und so manche nehmen die #IceBucketChallenge wahr und spenden trotzdem, um der Welt zu zeigen wie lustig und gutherzig sie doch im Grunde sind.

Eiswasser oder Geld spenden - das erfolgreiche Konzept der Ice Bucket Challenge.
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Eiswasser oder Geld spenden - das erfolgreiche Konzept der Ice Bucket Challenge. Foto: Anthony Quintano (CC BY 2.0 cropped)

1. September 2014
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Das die Forschung gegen die Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) Spendengelder akquirieren muss, macht so manchem bürgerlichen Medium dabei weniger zu schaffen als die Tatsache, dass “was für den einen Zweck gespendet wird, wird für den anderen nicht gespendet” wird (1). Zum Glück gibt es noch diesen kritischen Journalismus, der das “Haar in der Suppe” findet.

Im Februar 2014 war es die Biernominierung die zur Selbstdarstellung bürgerlicher Subjekte diente. Damals noch völlig ohne höhere Weihe und Spendenaufruf. Gleich geblieben ist indes das die Facebooknutzer als Lohnabhängige alle den gleichen stupiden Alltag zu ertragen haben, sich hier allerdings als etwas ganz besonderes in Szene setzen können.

Facebook-Alltag ist das neue Tattoo, der Urlaub, gestorbene Haustiere oder Kinobesuche. Alles taugt zur wechselseitigen Vorführung der eigenen Perönlichkeit. Die Biernominierung und das IceBucketChallenge sind soetwas wie die Feiertage der digitalen Gemeinde, die Höhepunkte der Heuchelei wie abgefahren das eigene Leben sei.

Der Facebooknutzer verwandelt sich vom Privatmensch in ein öffentliches Profil. Er teilt mit, was immer er zur Darstellung seiner selbst für mitteilenswert hält – ob es das ist oder nicht ist zweitrangig. Es kommt nur darauf an, dass er etwas mitzuteilen hat. Die aufgezählten Interessen sollen den, der sie hat, selber interessant machen – weil er sie hat und weil er es ist, der sie hat. Damit das sorgfältig entworfene Bild von der eigenen Person dann auch entsprechend gewürdigt werden kann, wird die grosse virtuelle Facebook-Gemeinde zur Betrachtung und Wertschätzung eingeladen.

Bleibt die Anerkennung aus, ist die Depression nah – steigt die Anzahl der “Likes” und der “Freunde” ist der eigene Internetauftritt gelungen. Ganz jenseits der eigenen materiellen Lebenssituation wird die Anerkennung durch die digitale Gemeinde gesucht und manchmal sogar gefunden. So darf sich sogar noch der erbärmlichste Tropf als etwas besonderes fühlen.

Marxisten werden da selbst von den Hungerleidern noch als Störenfriede wahrgenommen, sehen sich die Biernominierten und -nominieren und Eiswürfeljunkies doch keineswegs als Abhängige von Variablen die sie nicht kontrollieren, sondern als hochanerkannte Mitglieder ihrer Gemeinschaft. Wo selbst der Hinterletzte und offensichtlichste Verlierer dieser Verhältnisse die Bilder von dem letzten Urlaub online stellen kann, will keiner als Abgehängter zu erkennen sein.

Es gibt keine Verlierer mehr. Nur noch die #IceBucketChallenge und Spielverderber.

Berthold Beimler

Fussnoten:

(1) http://orf.at/stories/2242422/2242450/