Festplatten sind der Inbegriff des Computerzeitalters Elektroschrott: Eine akute Bedrohung im 21. Jahrhundert

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Die Menschheit produziert Unmengen an Elektroschrott. Festplatten und Konsorten führen dazu, dass die Umwelt in der Schweiz und der Welt akut gefährdet ist. Dieser kurzer und aktueller Essay konkretisiert die Problematik und zeigt auf, welche Gefahren schon jetzt vorhanden sind.

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60 Minuten bei 1000°C, diese 3,5 Harddisk ist nicht mehr zu retten. Foto: secumem (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

5. Oktober 2015
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Festplatten sind der Inbegriff des Computerzeitalters. Sie werden von wenigen Herstellern produziert, von vielen Handelsmarken weltweit vertrieben und sind vor allem eines: seit Jahrzehnten omnipräsent. Sie kommen praktisch überall zum Einsatz, wo IT-Systeme vorhanden sind. Es gibt praktisch keinen Privathaushalt in der Schweiz oder in einer anderen Nation mit westlichem Industriestandard, in der nicht mehrere Festplatten vorhanden sind. Selbst insogenannten Entwicklungsländern verfügen viele Haushalte über Computer mit Festplatten. Dies liegt auch in der Natur der Sache: jeder Desktop-Rechner, jeder Laptop ist im Normalfall mit einer Festplatte bestückt.

Fachgerecht entsorgt werden Festplatten aus Privathaushalten nur äusserst selten, denn einerseits ist Privatpersonen meist nicht bekannt, wie das überhaupt zu bewerkstelligen ist – andererseits haben viele Privatleute schlichtweg Angst um ihre Daten, die sich noch auf den Datenträgern befinden. Halten wir daher fest: es sind Abermillionen Festplatten im Privaten vorhanden und es werden tagtäglich mehr.

Von Unternehmen ganz zu schweigen: die meisten Unternehmen verfügen über mindestens einen Rechner pro Mitarbeiter. Die darin befindlichen Festplatten werden zudem regelmässig getauscht und die ausgetauschten Modelle nur selten datenschutzkonform vernichtet bzw. im Anschluss daran recycelt, sondern vielmehr in den hauseigenen Archiven oder beispielsweise auch in Tresoren und Bankschliessfächern gehortet. Dazu kommen unzählige Server, die – zum Schutz vor Datenverlust - zumeist aus mehreren günstigenFestplatten im parallelen Betrieb (sog. „Redundant Array of Independent Disks“ – kurz: RAID) bestehen.

Das allgegenwärtige Internet besteht im Übrigen ausschliesslich aus Clients und Servern. Diese wiederum beinhalten fast ausschliesslich Festplatten; auch wenn der Trend hin zummobilen Internet der Schweiz undin anderen Nationen besteht, scheint hier kein Ende in Sicht.

Die Festplatte ist unter den Speichermedien interessanterweise trotz der neu aufgekommenen Flash-Speichermedien (wie z.B. der SSD) immer noch der unangefochtene Platzhirsch. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass SSDs noch sehr kostenintensiv sind und selbst ein rapider Preisverfall zumindest in den kommenden Jahren nichts daran verändern wird, dass ein Grossteil der Menschheit vorerst auf Festplatten setzen müssen wird, da sie selbst dann für den durchschnittlichen Erdenbürger nicht erschwinglich sein werden. Ergänzend kommt zum Tragen, dass diese bisher nur eine bestimmte Anzahl an Schreibzyklen verkraften und dann quasi nur noch Schrottwert besitzen.

Vor dem Hintergrund der immer weitreichenderen Automatisierung und Technisierung kann daher davon ausgegangen werden, dass es – auf jeden Fall in den kommenden Jahren, falls es keine signifikanten Wandel in diesem Segment gibt – immer mehr Festplatten auf dem Weltmarkt geben wird. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass immer mehr Datenvolumen benötigt wird, um private, öffentliche und kommerzielle Daten zu speichern. Eine aktuelle Studie hat ergeben, dass die Menschheit allein im Jahr 2015 über 8.500 Exabyte Daten generiert. In Gigabyte ausgedrückt sind dies 9.126.805.504.000 GB Daten –in einem Jahr. Diese immensen Datenmengen müssen irgendwo gespeichert werden. Trotzdem oder gerade deshalb steht die Menschheit vor einem akuten Problem: wie soll mit ausgemusterten oder defekten Festplatten verfahren werden?

Das von der Europäischen Union geförderte Projekt WCIT (Countering WEEE Illegal Trade) hat Ende August 2015eine Studie veröffentlicht, die bestätigt, dass im Jahr 2012 65 Prozent allen Elektroschrotts in der EU wurde entweder "exportiert" (1,5 Millionen Tonnen), unter irrelevanten Bedingungen recycelt (3,15 Millionen Tonnen), als Ersatzteillager missbraucht (750.000 Tonnen) oder einfach mit dem Hausmüll entsorgt (750.000 Tonnen) wurde. (ebd. S.6f) Diese Zahlen sind alarmierend.

Das CWIT Projekt, das der Europäischen Kommission nicht nur berichtet, sondern auch konkrete Handlungsempfehlungen abliefert, stellt zudem fest, dass durch das fehlerhafte Recycling Schwermetalle wie Quecksilber und Cadmium in die Umwelt gelangen (ebd. S.7).

Die Studie belegt ausserdem, dass der Einkaufswert der Rohstoffe, die durch das schlichtweg falsche Handhaben von Elektroschrott nicht mehr zur Verfügung stehen in Europa zwischen 800 Millionen Euro und 1.7 Milliarden Euro beträgt. (ebd. S.18)

Auch wenn sich die Zahlen explizit auf die EU beziehen, lassen sich hieraus Rückschlüsse für die Schweiz ziehen. Ohne Gletscher, sauberen Schnee, glasklare Bergseen und weitgehend unberührte Natur ist die Schweiz nicht nur für Touristen uninteressant – vielmehr gefährdet die Ignoranz gegenüber dem zunehmend brisanter werdenden Thema Elektroschrott alle Eidgenossen und ihren Lebensraum.

Es wird daher Zeit, dass wir etwas dagegen unternehmen und diese Problematik aktiv anpacken. Es ist absehbar, dass die Datenlöschung für Privathaushalte sowie gesetzliche Grundlagen für die Rücknahme und das fachgerechte Recycling von Festplatten und Co. längst überfällig sind. Die Schweiz war schon immer ein Vorreiter in Sachen Umweltschutz und sollte dies auch zukünftig bleiben. Ohne zeitnahe Reaktion von Verbraucherseite und durch den Bundesrat besteht die Gefahr, dass das Thema Elektroschrott unbemerkt weiter eskaliert und die Schönheit und Unversehrtheit der Natur in der Schweiz und der Welt unterminiert.

Julia S.