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Zeit der Ökologie: Das neue Akkumulationsregime

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Zeit der Ökologie: Das neue Akkumulationsregime Alles schmeckt nach Endzeit

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Sachliteratur

In einer neuen „Flugschrift“: „Zeit der Ökologie – Das neue Akkumulationsregine“ unternimmt eine anonyme Autorschaft, die aktuellen kapitalistischen Verwerfungen zu untersuchen.

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Datum 24. März 2024
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„Zur Kritik der Politischen Ökologie“ heisst eine Flugschrift, die 1980, vor knapp 45 Jahren, von der Subrealisten Bewegung veröffentlicht wurde, an der ich damals beteiligt war. In post-situationistischem Schwung ging es um die Kritik des kapitalistischen Jammertals, als dessen Heiligenschein die Ökologie auftrat. Wie ein Geist, in dem die barbarische Fratze der Welt als reinigende Maske erschien, um ihr Wesen zu erneuern. Der Verzicht, die Unterwerfung und die Tauschbarkeit sollten ökologisch geläutert werden: „Die Ökologie renoviert die Ware.“

Sie segnete neue Formen der Staatlichkeit ein, Volksgemeinschaft und Verteilungsbürokratie. „Alles schmeckt nach Endzeit ... Die reale Unmöglichkeit der Verhältnisse wird zur Anklage an die Unbescheidenheit derer, die über ihre Verhältnisse leben – als könnte irgendjemand in diesen Verhältnissen leben“ ... Der enteignete Mensch könne sich die Zukunft nur noch als Unterwerfung unter die Gegenwart vorstellen. Die ökologische Krise sei die letzte Erscheinungsform der sozialen Krise, die Produktion der Widersprüche habe eine Gestalt angenommen, in der die Frage des „ganzen Lebens“ (das Verlangen nach einem erfüllten, selbstbestimmten Leben) mit der Fragwürdigkeit des Überlebens zusammenfalle.

Die „ökologischen Ideologiebildner“ bauten auf die Kybernetik: die selbstlaufende Verknüpfung operationeller Informationen, die ebenso blinde Gefolgschaft einfordern wie einst die Religion. Die Ökologie sei Inhalt und Kontrollinstanz für die Durchsetzung der Kybernetik, für die staatlichen Erneuerungstendenzen. Beteiligung und Beherrschung sollten ihres fundamentalen Widerspruchs entledigt werden, indem Beteiligung als Beherrschung und Herrschaft als Selbstverwaltung inszeniert werden. Die Macht solle durch Partizipationsstrategien gesichert, die Entremdung universalisiert werden: ein auf Notwendigkeiten reduziertes Überleben.

„Das ökologische Denken ist die Hoffnung, das gänzlich Sinnlose mit einer moralischen Anstrengung zu reinigen“ ... es zeige den Sturz der kapitalistischen Utopie und biete sich als Hilfstrupp beim Putsch der Politik gegen das rastlos talwärts karrende Wrack (den Kapitalismus) an ...

Das war 1980. Heute können wir die Sache ruhiger betrachten, aber in verwandter Perspektive. Vieles ist noch klarer geworden. In einer neuen „Flugschrift“: „Zeit der Ökologie – Das neue Akkumulationsregine“ unternimmt es die anonyme Autorschaft, die aktuellen kapitalistischen Verwerfungen zu untersuchen.

Um einige Thesen fragmentarisch zu skizzieren: Das ökologische Akkumulationsregine beruht auf der Trennung zwischen Mensch und Natur, auf Kolonialisierung, Vermessung, Ausbeutung. Die Ökologie fungiert als Wissenschaft von der Unterwerfung der Welt, als kapitalistischer Zugriff auf die Natur als kostenlose Reserve, als Motor der Modernisierung des Kapitalismus.

Zugriff und Inwertsetzung der natürlichen Reserven beziehen sich nicht nur auf die Rohstoffe des/der Planeten, sondern auch auf sämtliche Lebewesen, inklusive den Erdenbewohner Mensch, seinen Körper und seine Seele. Es geht um ständig neue Landnahmen, um nicht abreissende Kommodifizierungen von Beziehungen und Territorien. Und Territorien werden hier verstanden als Land und Körper. Und darüber hinaus geht es um die Vermessung und Umwandlung unserer Affekte, um die Formung unseres Begehrens, die Kolonialisierung der Seele.

Dazu scheint ein Sicherheitsregime unerlässlich, um die Sicherung der kapitalistischen Verwertungslogik zu garantieren. Das krisengeschüttelte kapitalistische Akkumulationsregime wankt von einer Katastrophe in die nächste: Ressourcenknappheit, Klimawandel, Verschmutzung und Zerstörung der Umwelt, Pandermien, Artensterben, Krieg. Die Krisen, die das kapitalistische Regime hervorruft, soll der Staat einhegen.

Dieser Katastrophenverwaltungsstaat stellt sich als alternativlos dar, als unausweichliche Realität. Er arbeitet einerseits durch Autoritarismus und Sachzwanglogik. Mithilfe des politisch erklärten Ausnahmezustands setzt er Grundrechte ausser Kraft, zur angeblichen Herstellung einer politisch gewollten, den ökologischen Notwendigkeiten unterworfenen Normalität. Die Militarisierung der Gesellschaft, die Permanenz des Ausnahmezustands dienen gleichzeitig zur staatsinternen Aufstandsbekämpfung und nach aussen verlagertem konventionellen Krieg.

Die Digitalisierung als Instrument der Kapitalakkumulation, die digitale Landnahme, funktioniert in Form eines technologischen Angriffs ohne Begrenzung und Kontrolle. Man kann diese totalitäre Herrschaftsform postideologisch nennen, denn es geht um die Verwaltung des Überlebens als warenförmige Befriedigung von Bedürfnissen ohne übergeordnete Idee. Die Technokratie fungiert als erfahrungsarme Verwaltung des blossen Überlebens in einer Welt, die die Form eines digitalen Universums angenommen hat. Ihr Sinn wäre die Herstellung von Vertrauen in die Zukunft, einer zu ökologischen Bildern erstarrten Zukunft.

Dazu bedarf es andererseits der möglichst lückenlosen Einbindung der Individuen anhand von Selbststeuerungsmechanismen zur Abfederung der Katastrophen. Die kybernetische Machtform sitzt als Regulativ zwischen Individuum und Umwelt, sie produziert Vereinzelung, Verflachung und Zweidimensionalität. Lebendige Erfahrungen werden zu Daten, die Enteignung wird von den Subjekten verinnerlicht.

Durch Anpassung und Optimierung sollen die subjektiven Erfahrungen nützlich und verwertbar gemacht werden. Wie weit der kapitalistisch überformte und instrumentalisierte Narzissmus geht, zeigt die Bereitwilligkeit der Unterwerfung unter das Ideal gesellschaftliche Forderungen. Das narzisstische Subjekt kann nur sich selbst sehen, nicht von sich abstrahieren, es produziert eine anti-gesellschaftliche Subjektivität. Es wird Teil eines maschinellen Gefüges, es existiert in Bildern, die aus Inszenierungen bestehen. Es gibt nichts Lebendiges mehr, was nicht technologisch vermittelt ist.

Unausweichlich führt diese Entwicklung zu Einsamkeit, Resignation und Erschöpfung. Das Katastrophensubjekt hat als Resilienz die verinnerlichte Polizei, um die staatlich formulierten, von der Ökologie geforderten Grenzen nicht zu überschreiten. Es bleibt ein technologischer Blick auf die Welt, auf die Welt als steuerbare und technologische Maschine.

Ist ein Widerstand gegen das Ökologische Akkumulationsregime und seine Zurichtungen möglich, fragen sich die Autor*innen am Ende. Ja, wenn man davon ausgeht, dass menschliches Handeln immer grundlegend Neues, Unberechenbares hervorrufen kann. Es besteht in der Suche nach neuen Formen des Denkens und der Praxis jenseits der Dialektik der Machtfrage. Die „Destitution“ als Zerstörung von Staatsgewalt hat nicht nur die Institution anzugreifen, sondern auch das Bedürfnis nach ihr.

Die Verweigerung, im Akkumulationsregime mitzumachen, bedeutet die Desertion aus den kapitalistischen Verhältnissen, den Ausstieg aus kommodifizierten sozialen Beziehungen, den Aufbau anderer sozialer Beziehungen. Genau das wird in den Widerstandsbewegungen täglich getan, und zwar in unendlich variierten Formen. Es geht in diesen Bewegungen nicht darum, eigene Territorien zu besitzen oder zu halten, sondern „auf lokaler Ebene die Kommunen, die Zirkulation und die Solidaritäten zu verdichten ... so dass das Territorium unlesbar, undurchdringlich wird für die Autorität.“

So kann ich dieses Buch als Diskussionsgrundlage für eine Praxis, die sich heute gegen das beschriebene totalitäre Akkumulationsregime richtet, nur wärmstens empfehlen. Für mich setzt es die Einschätzungen von 1980 fort, es gibt ihnen eine „brennende“ Aktualität.

Hanna Mittelstädt

Zeit der Ökologie: Das neue Akkumulationsregine. Aus der brennenden Hütte (Januar 2024).

Subrealisten Bewegung: Zur Kritik der politischen Ökologie, Edition Nautilus Flugschrift 27 (Hamburg 1980).