Peter Schadt: Zwischen Terminator und Taschenrechner Hilfe! Der Aufstand der Maschinen droht.

Sachliteratur
„Dass der ›Menschheit‹ früher oder später ihre eigenen technischen Schöpfungen zum Verhängnis werden, ist ein gerne bedienter Topos“ (S. 3).
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Buchcover. Foto: NASA Johnson Space Center (PD)

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„Mit der Digitalisierung werden die Schrauben der Rationalisierung angezogen. Arbeit wird billiger und verdichtet, aber nicht überflüssig.“ So hiess es unter dem Titel „Ausbeutungsmaschine“ in einer Rezension des Untergrund-Blättles (https://www.untergrund-blättle.ch/buchrezensionen/sachliteratur/peter-schadt-digitalisierung-kritik-7304.html), die das Buch „Digitalisierung“ (PapyRossa 2022) von Schadt vorstellte. Worauf es fokussiert – etwa im Unterschied zu den zahllosen Statements, die einen anonymen Megatrend der Technisierung beschwören –, „sind ihre Akteure und deren Interessen“, hielt die Rezension fest: „Folgerichtig sind die Kapitel des Buches jeweils einem der Akteure gewidmet: den Unternehmen, dem Staat, den Lohnabhängigen und den Ideologen.“
In der neuen Veröffentlichung – von Luise Schaller durchgängig mit Zeichnungen verziert, die den Charme der Mensch-Maschinen-Symbiose ganz hinterhältig zum Ausdruck bringen – geht es um die letztgenannte, eher abgehobene Abteilung, nämlich die Ideologie. Verhandelt werden die verbreiteten Vorstellungen, die nicht die wirklichen Zwecke der Maschinisierung zum Inhalt haben, aber die passende Begleitmusik zu dem angeblich unaufhaltsamen Prozess abgeben. Insofern spielt diese Abteilung dann doch eine wichtige Rolle: Genau so wissen alle über das Problem der Digitalisierung Bescheid und beteiligen sich an den einschlägigen Kontroversen über Chancen und Risiken der modernen Technologie.
„Fernab von den realen Zwecken und Anwendungen stellt man sich vor, die technischen Errungenschaften verfolgten eigene Pläne, sie hätten also eine Art inneres Streben, dem die ›Menschheit‹ geradezu ohnmächtig gegenüberstünde.“ (S. 3) So fasst Schadt den Gegenstand seines „examinierenden“ Essays zusammen. Und es stimmt ja, von Goethes „Zauberlehrling“ bis zum letzten Computerspiel (jüngstes Highlight: „Atomic Heart“ aus dem Heartland einer retrograden Sowjetutopie) wird dieser Topos breit getreten. Und wer auf dem humanistischen Gymnasium war, weiss auch, dass schon in mythischer Vorzeit der Bildhauer Pygmalion eine Figur konstruierte, die dann dank göttlichen Beistands mit Leben erfüllt wurde: der erste Sexroboter des Abendlands!
Bei Schadt geht es natürlich mehr um die Visionen der heutigen Popkultur, etwa um James Camerons „Terminator“ oder um die „Matrix“-Filme. Da Filme und Romane der letzten Jahrzehnte die öffentlichen Debatten zunehmend aufgreifen, nimmt sich der Essay vor, „die Vorstellungen und Urteile über künstliche Intelligenz anhand der Kulturindustrie und der Warenproduktion nachzuzeichnen“ (S. 4). Es gibt bei ihm aber auch Ausflüge in die Vergangenheit, als etwa im 16. Jahrhundert der Mythos vom „Golem“ (einem Vorläufer von Frankensteins Monster) aufkam. Natürlich beginnt die eigentliche Karriere dieser Vorstellungen erst später, läuft nach der industriellen Revolution zur Hochform auf: „Dass sich die Erfindungen gegen diejenigen wenden, die sie benutzen, ist nicht zufällig eine Vorstellung einer modernen, kapitalistischen Gesellschaft, in der die Technik nicht nur als Hilfsmittel, sondern auch als strenger Taktgeber und Instrument der Ausbeutung auftritt.“ (S. 6)
Und natürlich bleibt Schadt nicht auf der Ebne einer kulturkritischen Befragung alter und neuer Mythen stehen. Er holt sie vielmehr auf den Boden der politökonomischen Tatsachen zurück. Ein Beispiel ist da etwa der erfolgreiche „Matrix“-Einfall. Der Film sei „die Hollywoodvariante der Elon-Musk-Warnung: Nicht mehr menschliche, sondern maschinelle Zwecke könnten gelten, und dann wehe uns allen. Doch tatsächlich ist nicht die Technik das Gefährliche, sondern die politökonomischen Zwecke, die heute mit KI durchgesetzt werden“ (S. 13). Den ideologischen Gehalt solcher Warnungen genau so wie der einschlägigen Verheissungen nimmt Schadt aufs Korn.
Er kritisiert etwa die bekannte Behauptung, die digital ins Werk gesetzten Produktivitätssteigerungen seien gleichbedeutend mit einer Reduktion der Arbeit für die Belegschaft. Man muss dann angeblich nur wachsam sein, damit die Maschine nicht ihre negativen Seiten entfaltet. Der Essay ordnet hier immer wieder die Produkte der modernen, vor allem US-amerikanischen „Traumfabriken“ in die ökonomische Realität ein. Schadt kritisiert auch Albträume, wie sie etwa die Reihe „Battlestar Galactica“ liefert: Hier kommt sogar eine Klassengesellschaft vor, in der sich „die Menschheit“ gegen Monster zur Wehr setzen muss: zwei „Geistersubjekte“ im Kampf gegeneinander! In solchen Kämpfen einer Zukunftsgesellschaft gibt es dann auch immer wieder gute Roboter die den Kampf der Menschheit gegen die bösen Maschinen unterstützen – und das in allerlei Varianten (unvergessen Rosa Salazar als weiblicher Kampf-Cyborg in „Alita: Battle Angel“: Sie verliebt sich und macht Marianne Rosenbergs Song „Ich leg mein Herz in deine Hände“ buchstäblich wahr – rührend wie auch das religiöse Erweckungserlebnis, das der Androide in „Real Humans“ hat).
Der Fortgang des Essays konzentriert sich dann auf die Problematisierungen und die entsprechenden künstlerischen Verfremdungen, die heutzutage dem Thema Künstliche Intelligenz gewidmet werden. Schadts Fazit: „Die öffentlich geführte Debatte über die KI transportiert einen Kategorienfehler, wenn sie den Taschenrechner für harmlos und den Terminator für gefährlich hält. Es kommt bei beiden darauf an, was die massgeblichen Instanzen mit ihnen anstellen und vorhaben.“ (S. 32) Auch wenn der Essay die Visionen aus Comics, Filmen und TV-Serien aufmarschieren lässt (ähnliches Material wäre in den Computerspielen zu finden), geht es immer wieder zurück aus der Welt der Geistersubjekte zu diesen Instanzen, die die massgeblichen Zwecke bei der Generierung und Implementierung der Digitalisierung setzen. So liefert das Buch letztlich ganz handfeste politökonomische Aufklärung.
Peter Schadt, Zwischen Terminator und Taschenrechner – Künstliche Intelligenz im Zeitalter ihrer ökonomischen Nutzbarkeit. Ein examinierendes Heft. Mit Originaldruckgraphiken und beiliegendem Plakat von Luise Schaller. MaroHeft #17. Augsburg (Maro-Vlg.) 2025, 36 Seiten, ca. 20.00 SFr.