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Nina Degele / Gabriele Winker: Intersektionalität

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Nina Degele / Gabriele Winker: Intersektionalität Über die Verflechtung von Herrschaftsverhältnissen

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Sachliteratur

Intersektionalität ist das Zauberwort, um die Verflechtung von Ungleichheiten zu erfassen.

Black Lives Matter Graffiti, Dezember 2020.
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Black Lives Matter Graffiti, Dezember 2020. Foto: David Geitgey Sierralupe (CC BY 2.0 cropped)

Datum 10. Januar 2021
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Die Grundlage dessen und eigene wissenschaftliche Modelle stellen die TheoretikerInnen Nina Degele und Gabriele Winker vor. „Wir können Geschlecht nicht in Isolation von anderen Ungleichheiten betrachten, noch können wir allein die Verflechtung von Ungleichheiten untersuchen und die historische und kontextuelle Spezifität ignorieren, welche die Mechanismen, die Ungleichheit durch verschiedene kategoriale Trennungen produzieren, ignorieren.“ (Risman 2004, S. 443)

Herrschaftsverhältnisse und Ungleichheiten reloaded

Intersektionalität und die damit einhergehenden Diskurse sind Grund für einen Paradigmenwechsel in den Geschlechterstudien und führen so auch disziplinübergreifend zu neuen Herangehensweisen. Der Begriff wurde von der US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw geprägt, um die Diskriminierung von women of color zu erfassen, welche aufgrund ihrer Ethnizität und ihres Geschlechts besonders starken Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt waren.

Crenshaw benutzt dabei die Metapher einer Strassenkreuzung (englisch: intersection), um diese doppelte Diskriminierung darzustellen. Intersektionalität beziehungsweise intersektionale Ansätze werden dazu verwendet, Ungleichheitsdimensionen und ihre Überschneidungen darzulegen und zu analysieren. Mittlerweile finden solche Ansätze auch über die gender studies hinaus in den Sozialwissenschaften oder den Kulturwissenschaften Anklang. Hierbei setzt sich die Erkenntnis durch, dass Ungleichheiten und Unterdrückungsmechanismen, welche sich aufgrund von Strukturkategorien und Formen der Differenzsetzung ergeben, nicht isoliert voneinander betrachtet werden können, sondern diese aufeinander wirken und sich so ändern beziehungsweise verstärken und abschwächen können.

Um diese oft kompliziert wirkende theoretische Strömung zu verstehen, bieten Gabriele Winker und Nina Degele mit ihrem Band „Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheiten“ eine verständliche und klar strukturierte Einführung für all jene, die sich zum ersten Mal mit der Thematik auseinandersetzen. Aufgrund ihrer eigenen Forschungen anhand der Mehrebenenanalyse lassen sich jedoch auch praktische Anwendungsbereiche der Intersektionalitätsforschung nachvollziehen.

Das Buch ist in sechs Kapitel untergliedert, wobei gerade die ersten beiden für diejenigen interessant sind, die sich eher einführend mit dem Thema auseinandersetzen wollen. In der Einleitung umreissen Degele und Winkler die Aktualität intersektionaler Analysen sowie die Verbindungen der Kategorien und Ebenen. Sie gehen darauf ein, warum gerade die Betrachtung der Wechselwirkung von ungleichheitsgenerierenden Herrschaftsverhältnissen wichtig ist und nicht eine einfache Addierung der Diskriminierungsaspekte.

In anderen Worten: women of color können als Frauen diskriminiert werden und als people of color, aber es kommt zu spezifischen Diskriminierungen unabhängig des Umstandes, dass sie women of color sind. Eindimensionale Modelle, welche nur einen Bezug auf das Klassenverhältnis oder aber das Herrschaftsverhältnis Patriarchat wiedergeben, haben mittlerweile ausgedient (S. 12), da sie in ihrem Fokus auf nur eine Kategorie eine verkürzte Analyse bieten. Bei der Frage nach der Anzahl der zu betrachtenden Kategorien gehen sie sowohl auf schon bestehende Konzepte ein, markieren aber auch hier offene Fragen und Probleme, welche mit den verschiedenen Theorien einhergehen.

Eine Erweiterung von race, class, gender

Degele und Winker positionieren sich klar in der Ansicht darüber, dass sich die verschiedenen Kategorien durch die sie forcierenden unterschiedlichen Herrschaftsverhältnisse abtrennen lassen und so als Strukturkategorien gefasst werden. Bei ihrer Mehrebenenanalyse setzen sie Kapitalismus „vor die Klammer“, da sich ihrer Ansicht nach jedes andere Herrschaftsverhältnis in den Zwang der Lohnarbeit und die kapitalistische Verwertungslogik integrieren lässt und dort deutlich wird (vgl. S. 37). Neben Klasse (Kapitalismus), Geschlecht (Patriarchat) und „Rasse“ führen sie eine vierte zu betrachtende Kategorie in ihre Analyse ein, nämlich den Körper als Kulturprodukt, welcher die Chancen auf dem Arbeitsmarkt steigert.

Hier zeigt sich die Stärke ihrer Kategorienauswahl, da sich auch Differenzkategorien wie Alter, sexuelle Orientierung oder aber ability ( „behindert“ vs. „normal“) integrieren lassen. Durch die analytische Verengung der Kategorien auf ihr Verhältnis zur Arbeit bleiben allerdings andere Ausprägungen heteronormativer oder rassistischer Ausprägungen unreflektiert, wie beispielsweise rassistische Polizeigewalt oder sexualisierter Gewalt. So scheint – auch wenn es das Ziel der Intersektionalität ist, genau dies nicht zu tun – diese „Klammer“ zur Wiederholung der Haupt- und Nebenwiderspruchsproblematik zu führen.

Und auf welchen Ebenen spüren sie Diskriminierung?

Neben der klaren Erläuterung der Kategorienauswahl und der historischen Herleitung dieser ist eine weitere Darstellung des Buches die Darstellung der verschiedenen gesellschaftlich relevanten Ebenen, auf welchen ihr Intersektionalitätsmodell aufbaut. Sie berücksichtigen „sowohl gesellschaftliche Sozialstrukturen inklusive Organisationen und Institutionen (Makro- und Mesoebene) sowie Prozesse der Identitätsbildung (Mikroebene) als auch kulturelle Symbole (Repräsentationsebene)“ (S. 18).

Gegenüber anderen Theoretiker_innen wie Knapp und Klinger gelingt es ihnen so, alle drei Ebenen miteinander zu verbinden und die erwähnten Kategorien nur deduktiv auf der Strukturebene zu setzen, um so auf den anderen beiden Ebenen Spielraum für eigene Interpretationen zu lassen. Jedoch führt die Auswahl der Kategorien auf Strukturebene zu begrifflichen Problemen, denn auch wenn sich nach Degele und Winker generierte Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen wie Antiziganismus und Antisemitismus unter dem Begriff des Rassismus subsumieren lassen, so ergibt sich doch die Frage, inwieweit dadurch nicht auch die spezifisch und unterschiedlich wirkenden Diskriminierungen nicht mehr wahrgenommen werden können.

Zudem wird zwar in Bezug auf die Kategorie „Rasse“ von einem Herrschaftsverhältnis ausgegangen, welches mit dieser Kategorie verbunden ist; allerdings wird hierbei verfehlt, dieses zu benennen oder - wie es in Bezug auf Klasse und Geschlecht geschieht - in einen historischen Kontext einzubetten. Ein möglicher Grund dafür könnte darin begründet liegen, dass auch hier die Forschung in Bezug auf soziale Ungleichheit durch „Rasse“, Ethnizität, Weltanschauung, Religion oder Nationalität noch Unklarheiten aufweist.

Gerade im vierten Kapitel zeigt sich eine weitere Stärke vom Degele und Winkler: Sind theoretisch-empirische Modelle oft sehr trocken und schwierig nachzuvollziehen, vereinfachen die Auszüge einzelner Interviews und die bildliche Darstellung des Modells und des Untersuchungsverlauf in Form von Diagrammen das Verständnis der intersektionalen Mehrebenenanalyse enorm.

Zusammenfassend lässt sich zweierlei festhalten: Einerseits kann man – vergleicht man das vorliegende Werk mit anderen Büchern, welche sich mit dieser Thematik auseinandersetzen - Degele und Winker für ihre verständliche Sprache und die Sinnhaftigkeit ihrer Argumentation danken. Andererseits lässt dieses Buch hoffen, dass es in den nächsten Jahren zu weit mehr Betrachtungsweisen intersektionaler Ansätze kommt, denn „Intersektionalität hat sich in seiner kurzen Geschichte zu einem Konzept entwickelt, das über ein Strömungen übergreifendes Potenzial verfügt und Perspektiven für konstruktive Weiterentwicklungen und Anwendungen bietet.“ (S. 14)

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Nina Degele / Gabriele Winke: Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheiten. Transcript Verlag, Bielefeld 2009. 166 Seiten ca. 19.00 SFr., ISBN 978-3-8376-1149-6

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