Alexei Monroe: Laibach und NSK Der fragende Monolith

Sachliteratur

Laibach vermischt in ihren brachialen Auftritten Faschismus, Sozialismus und Folklore. Sie sind das Fragezeichen im Zentrum der slowenischen Nation, das keine Antworten gibt.

Laibach Volk-Tour in Frankfurt am Main, April 2007.
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Laibach Volk-Tour in Frankfurt am Main, April 2007. Foto: Ivo Klassmann (CC BY-SA 2.0 cropped)

25. Juli 2021
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Zwei Monate nach dem Tod Titos gründete sich die Gruppe Laibach in Trbovlje. In der Industriestadt fand kurz darauf die erste Aktion des Künstlerkollektivs statt, die den Ton für ihr folgendes Schaffen bestimmte. Am 26. September 1980 tauchten mysteriöse Plakate auf, die über Nacht geklebt worden waren. Ein Motiv zeigte eine Gewaltszene, auf dem anderen prangte ein monumentales schwarzes Kreuz. Darunter war der Name Laibach abgedruckt, der als deutsche Bezeichnung für Ljubljana an die Zeit der nationalsozialistischen Besatzung und partiellen Kollaboration erinnerte. Den Plakaten wurde mit starker Ablehnung begegnet und in Folge der Aktion verbot man polizeilich die damit beworbene Ausstellung. Im Dezember druckte das Magazin Mladina einen Leserbrief der Jugendorganisation Trbovlje, in dem sich das übergenerationale Entsetzen der Bevölkerung spiegelte:

„We, the young, feel that not everything, especially not what our elders went through during the war, can be pasted on walls under the cover of the word punk." [„Wir, die Jungen, finden, dass nicht alles, vor allem nicht das, was unsere Älteren während des Krieges durchmachen mussten, unter dem Schutz des Wortes Punk an die Wände plakatiert werden kann.“, Übers. LW] (Arns 2002, S. 26)

Überaffirmation als Kritik

Laibachs Aktionen sind von ihrer Gründung an untrennbar mit dem Prozess der Auflösung Jugoslawiens und Nationenbildung Sloweniens verbunden. In seinem umfangreichen Werk „Laibach und NSK. Die Inquisitionsmaschine im Kreuzverhör“ historisiert der Kulturtheoretiker Alexei Monroe ihr ambivalentes Wirken, das in der Über-Identifikation mit sozialistischen und faschistischen Symbolen Kritik an der Verklärung der Tito-Ära und später der Konstruktion slowenischer Folklore leistet. Dabei beleuchtet er ebenfalls die anderen Gruppen, die sich 1984 als Neue Slowenische Kunst (NSK) zusammengeschlossen hatten, ohne seinen Fokus auf die bekannteste Ausformung der slowenischen Retroavantgarde zu verlieren.

Wie sich schon in Laibachs erster Aktion abzeichnete, gehört es zu ihrer Methode, verdrängte Geschichte aufzugreifen. So kommentieren sie aktuelle Entwicklungen und bringen ihre Gegenwart in Aufruhr, wie Monroe an den zahlreichen Skandalen nachzeichnet, die sich um die Laufbahn der Gruppe ranken.

„Indem Laibach die Sprache Titos, Kardeljs und die offizieller Diskurse nachahmten und scheinbar offen für Totalitarismus und De-Individualisierung eintrat, nahm die Gruppe die in der Öffentlichkeit unterdrückten, doch innerhalb des Systems gleichbleibend starken totalitären und irrationalen Impulse vorweg.“ (S. 20)

Neben der Bedeutung öffentlichkeitswirksamer Aktionen wie dem polizeilich aufgelösten Auftritt im April 1983 in Zagreb, wo neben das Antlitz Titos pornografische Bilder projiziert wurden, zeigt Monroe ebenfalls die künstlerische Konsequenz von Laibach und NSK auf. Ihr Auftreten als monumentales Gesamtkunstwerk setzte sich in der behaupteten Organisation des Kollektivs fort. Die überaus komplizierte Struktur mit teils existierenden, teils behaupteten Unterabteilungen für Architektur, Philosophie oder Propaganda erinnerte an den bürokratischen Apparat der jugoslawischen Selbstverwaltung und war in der vorgeführten Überaffirmation als Kritik zu verstehen.

Intervention in die Konstruktion von Identität

Entlang der Auseinandersetzung Slavoj Žižeks mit der Band legt der Autor überzeugend dar, dass es Laibach gelang in den 80er Jahren folkloristische Symbole Sloweniens zu annektieren und mit nationalsozialistischen zu kontaminieren. Die parasitäre Aneignung durch die „Aussenseiter“ der slowenischen Kultur verhinderte einen positiven Bezug auf das Volkstümliche durch die Nationalisten, wie es in anderen Teilen Jugoslawiens geschah. Auch die Unabhängigkeit Sloweniens antizipierte die Gruppe durch ihr Konzert „Zehn Jahre Laibach, zehn Jahre slowenische Unabhängigkeit“, das Ende 1990 nur zehn Monate vor der tatsächlichen Unabhängigkeit stattfand. Die Gruppe setzte sich in dieser Inszenierung als Katalysator der ‚nationalen Sache' ein und verschmolz so untrennbar mit der slowenischen Kultur, was sich in ihrem Bekanntheitsgrad über die Grenzen des Landes hinaus bis heute fortsetzt.

„[D]ie Gruppe behauptete, ‚slowenischer als das Slowenische selbst' zu sein, und zwar aufgrund – nicht trotz – der Einbindung von deutschen und anderen nicht-slowenischen Elementen. [...] Dies markiert einen Punkt, der unmöglich zu überschreiten ist, was bedeutet, dass jegliches zukünftige kulturelle oder politische Projekt, das eine solche unmittelbare Bindung mit der ‚nationalen Sache' oder auch nur seine Darstellung versucht, unvermeidbar an der Intensität von Laibach gemessen werden wird.“ (S. 157)

Die Arbeit Monroes zeichnet sich durch die genaue und quellenreiche Betrachtung der Wechselwirkung zwischen Laibach beziehungsweise NSK und der (kultur-)politischen Entwicklung Jugoslawiens aus und beleuchtet beispielhaft den Umgang mit Alternativkultur in den '80er Jahren. Laibach als ewig fragender Monolith im Herzen der ‚Kulturnation' bringt in ihrem radikalen Mix von Symbolen und Zitaten homogene Volkstümelei zum Zersplittern. Wie der Autor entlang der Bildung Sloweniens aufzeigt fördern sie das Ausgeschlossene und Verdrängte zu Tage und intervenieren so in die Konstruktion von Identität. Dabei positionieren sie sich nie klar, sprechen sich nicht als Opposition aus. Ihr affirmativer Bezug auf Folklore, Faschismus und Sozialismus verunmöglicht, sie als nicht involvierte Kritiker zu begreifen. Besonders in den '80er Jahren werden sie in der Darstellung Monroes als Motor der Auseinandersetzung mit Geschichte und Zukunft Sloweniens erkennbar, die selbst keine Antworten gibt.

Pop-Diktatoren

Wie Monroe betont, zitieren Laibach in ihrer Selbstinszenierung nicht nur staatlichen Totalitarismus. In der Überblendung von elektronischen Beats und militärischen Trommeln, populären Musiktexten und dem totalitären Auftreten des Frontsängers werden ihre Konzerte zu wuchtigen Massenerfahrungen. Wenn man sich Monroe zufolge nicht der überwältigenden Wirkung hingibt, werden hier die Parallelen zwischen Pop und Militarismus sichtbar. Selbst zieht er diese so:

„Eine Armee aus Oasis-Fans beim Stadionauftritt, grösstenteils in Designs der Band gekleidet, ist die visuelle Analogie der Konsumgesellschaft zu einem Stadion voller politischer ‚Fans' in einheitlich braunen Hemden.“ (S. 189)

Die Frage, wie Laibach als intervenierende Kraft in der postjugoslawischen Konsumgesellschaft wirkt, geht der Autor nicht mit der gleichen kleinteiligen Sorgfalt an. Er stellt zwar fest, dass sich die Gruppe mit einem weniger offensichtlich repressiven System konfrontiert sieht. Wie sich dies auf die Durchschlagskraft ihrer subversiven Strategien auswirkt, beleuchtet er kaum. Es bleibt eher im Bereich der Behauptung, dass die Über-Identifikation mit dem System weiterhin Wirksamkeit behält und nicht von kapitalistischen Mechanismen eingehegt wird.

Lara Wenzel
kritisch-lesen.de

Alexei Monroe: Laibach und NSK. Die Inquisitionsmaschine im Kreuzverhör. Übersetzt von: Beatrice Graef. Ventil-Verlag, Mainz 2014. 348 Seiten. ca. 27.00 SFr. ISBN 978-3-95575-001-5

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