Robert A. Heinlein - Starship Troopers Bei Sternenkriegers daheim zu Besuch

Belletristik

In dem Roman "Starship Troopers" von Robert A. Heinlein haben die Menschen das Weltall erobert, oder vielmehr sind sie gerade dabei. Es gibt Kolonien auf anderen Planeten, zum Beispiel auf Sanctuary, einem Planeten gleich der Erde, nur mit ungeheuer langsamer Evolution.

Robert A. Heinlein an der Science Fiction Convention in Kansas City, 1976.
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Robert A. Heinlein an der Science Fiction Convention in Kansas City, 1976. Foto: Dd-b (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

27. März 1999
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Seine Atmosphäre, das Klima und die Vegetation sind ähnlich der irdischen, nur eben zurückgeblieben: Auf diesem Planeten fällt es den Menschen leicht, Fuss zu fassen. Da sie aufgrund ihrer höheren Entwicklung in der Evolution stärker sind, treffen sie auf keinerlei biologische Feinde. Ihr Weizen, den sie auf Sanctuary anbauen, verdrängt die einheimische Flora und Fauna ruckzuck.

Probleme dagegen haben die Menschen mit anderen Bewohnern des Weltalls:

den sogenannten Bugs, riesige spinnenähnliche Viecher, die sozial organisiert sind wie die Ameisen. Mit ihnen bekriegen sich die Menschen aufs Härteste. Nichts scheint den Bewohnern und Nationen der Erde so wichtig wie dieser Krieg. Alles wissenschaftliche und technische, politische und sozialwissenschaftliche Bemühen läuft darauf hinaus.

Nichts stellt die Menschen so in Bann wie der Krieg gegen diese sonderbaren Wesen. "Der Krieg wird nicht ewig dauern", vermutet Juan, ein Berufssoldat im interstellaren Krieg und die Hauptfigur von Heinleins Roman. "Wirklich nicht?" fragt sein Kumpane skeptisch zurück. Juan hatte sich mehr oder weniger zufällig bei der Armee als Freiwilliger gemeldet. Eigentlich wollte er gar nicht; aber, so will es die Dramaturgie des Romans, jedesmal wenn er drauf und dran ist, sich im Leben als Zivilist einzurichten, erregt ihn eine Frau - und als nächstes verpflichtet er sich für weitere Dienstzeit.

Doch Juans merkwürdige Beziehung zwischen sexueller Erregung und seiner Motivation zum Krieg, werden im Roman nicht problematisch geschildert - zumal es völlig normal ist, auch als Soldat irgendwann mal in den Ruhestand zu gehen und dann erst zu heiraten. Darüber hinaus gibt es aber noch einen weiteren Grund, warum das Leben als Soldat im Ruhestand veheissungsvoll ist: Im Ruhestand nämlich gehen die Soldaten in die Politik und gestalten die Staatsgeschäfte. Ausschliesslich Soldaten ist die Politik zugänglich, die Zivilisten sind in dieser Hinsicht unmündig, sie haben in politischen Belangen gar kein Mitspracherecht. Warum das so geregelt ist, verrät Juan und dem Leser der Lehrer in der Offiziersschule: "Unter unserem System ist jeder Wähler und gewählte Amtsträger ein Mensch, der durch seinen freiwilligen und schwierigen Dienst bewiesen hat, dass er die Wohlfahrt einer Gruppe über seinen persönlichen Vorteil stellt."

Neben dem Krieg gegen die Bugs ist den Menschen ist ein stabiles soziales System das Wichtigste. Fast neidvoll blicken sie auf die Bugs, die als geborener Ameisenstaat quasi von Natur aus eine optimale soziale Organisation mitbringen - gerade im grossen Krieg ihr mächtigster Vorteil: Jedesmal, wenn wir tausend Bugs töteten und dabei einen Menschen verloren haben, war das ein Sieg für die Bugs. Wir mussten teuer dafür bezahlen, um zu lernen, wie leistungsfähig ein totaler

Kommunismus sein kann, wenn er von einem Volk praktiziert wird, das von der Evolution tatsächlich dafür erschaffen ist.

Fast neidvoll blicken die Menschen also auf die Bugs, weil die einen perfekten sozialen Körper bilden, von Natur aus sozusagen, ohne sich je damit soziotechnisch-planerisch befassen zu müssen. So sind die Bugs den Menschen auch eine Art Vorbild auf der Suche nach der perfekten Organisation. Interessant wird dies an dem Punkt, da die Menschen doch über die Bugs eigentlich kaum was wissen, man sich als Leser von "Starship Troopers" also die Frage stellt, ob die Bugs tatsächlich biologisch so geschaffen sind oder ob der Mensch hier nicht seine Sehnsucht nach der makellosen Organisation in sie hinein projiziert?

Auf jeden Fall sind die Menschen von den Bugs als fixen Idee schier besessen. Nicht zuletzt darum, weil bei ihnen das einzelne Lebewesen kaum einen Wert hat: wird ein Bug im Kampf verletzt, kümmert sich kein Helfer um ihn, das Wesen verreckt einfach ohne Aufsehen. Dagegen die Menschen veranstalten einen ziemlichen Aufwand um jeden Einzelnen, setzen für ihn sogar ganze Schlachten aufs Spiel. Immer wieder kommt es zu Gewissenskonflikten und Entscheidunsnotständen.

Die zahllosen Paragraphen und Netzwerke aus Vorschriften, welche Person welcher Funktion zu gehorchen hat, müssen immer wieder mal aufgegeben werden - für die spontane, impulsive Rettung eines Individuums in einer konkreten Situation. Damit kommt es zum Beispiel zu Konflikten zwischen der militärischen Ordnung und dem menschlichen Impuls, einen Verwundeten zu retten. Immer wieder kommt es zu Widersprüchen zwischen Befehlen und Vorschriften und dem, was die konkrete Situation im Krieg gegen die Bugs spontan erfordert. Heinleins Roman ist keine Negativ-Utopie, denn er klagt sein futuristisches Megasystem nicht an. Doch die Angst Juan Ricos, er könne, einem menschlichen Impuls folgend, einem Kameraden das Leben retten und dafür gegen Vorschriften verstossen und in Ungnade fallen, korreliert mit seinem merkwürdigen Drang, sich immer dann neu zum Dienst zu verpflichten, wenn eine Frau ihn sexuell erregt...

Paul Verhoevens "Starship Troopers"-Verfilmung von 1998 ist mindestens genauso irre wie der Roman: eine supercoole Seifenoper, in der Optik der zahllosen SF-TV-Opern: die Darsteller haben glatte Dutzendgesichter, die Farben sind uni und grossflächig, die Kriegsszenen verspielt und die Flugszenen gewaltig, eine Militarismus-Orgie im Mehrkanalssound; doch die in dem Megasystem der Zukunft handelnden Personen sind samt und sonders vereinzelte und empfindsam Seelenwesen.

"Starship Troopers" handelt von Liebe, von verlorenen Eltern, von psychischen Konflikten und Gewissensnotständen, Minderwertigkeitsängsten, Einsamkeit und Freundschaft, Einfühlung und Verständnis und es behandelt diese Themen humanistisch-aufgeklärter als andere Epen, in denen sie verkitscht werden.

Wenn Johnny Rico nach Jahren der Anstrengung die ferne Geliebte fahren lassen muss und dafür erste sexuelle Erfahrungen mit einer Kumpelfreundin macht, so ist das dichter an den wirklichen Prozessen der menschlich unzulänglichen Liebe als alle moralischen gut/böse-Dualismen der "Star Wars"-Saga.

In dem Punkt ist "Starship Troopers" viel reifer und erwachsener als die übrigen Hollywoodopern mit ihren holzschnitthaften Gut-Böse-Dualismen.

Gerade weil "Starship Troopers" zwischen den Strukturen des imperialen Systems und den menschlichen Regungen in den Einzelfiguren weniger strikt trennt, wirkt er auch als Negativ-Utopie überzeugend. Die wunderschöne Pilotin Carmen lbanez sieht noch in grauer Naziuniforrn hinreissend knuddelig aus! Beeindruckende Bewegungen auf die Bauchgegend, Gefühle wie die Abfahrt in einer Achterbahn, der Rausch eines sausenden Tiefflugs, zum Beispiel beim Angriff auf dem Todesstern in "Star Wars" simuliert, ist doch bekannt seit Leni Riefenstahl für die Berliner Olympiade 1937 zum ersten mal Kameras auf Schienen montierte und die Flüge der Turmspringer so schnitt, dass diese mit ihren architektonischen Körpern in der schweren Luft fast zu stehen schienen.

In "Starship Troopers" wird dieses gigantische Gefühl von Dynamik und Wucht ebenfalls erzeugt. Aber wenn das Raumschiff "Roger Young" schwer in ein Weltraumloch sackt, geht man vor der Grossbildleinwand innerlich in die Knie und fühlt sich doch zugleich schäbig.

Thomas Nöske

Robert A. Heinlein: Starship Troopers. Roman. Bastei Lübbe, 1998. 336 S., 16 SFr, ISBN 978-3404141593