Mission und Kolonialismus Gert von Paczensky: Verbrechen im Namen Christi
Sachliteratur
Fromm, gütig, segensspendend, fürsorglich, väterlich - so ist das traditionelle Bild christlicher Missionare in der farbigen Welt.


Kolonialismus in Ostafrika im 19. Jahrhundert. Foto: PD
Sie förderten und billigten ein System, das unzählige Millionen in drei Erdteilen verelenden liess, ihnen Hunger und Krankheiten brachte. Die vielgepriesenen Missionsschulen erzogen die "Heiden" zu Menschen zweiter Klasse, anstatt sie auf Selbstverantwortung, Unabhängigkeit und die moderne Welt vorzubereiten. An der Fehlentwicklung Lateinamerikas, Afrikas und Asiens, dem Hauptproblem der Gegenwart, tragen Missionare und Kirchen aller Richtungen und Konfessionen Mitschuld.
Gert von Paczensky gibt in seinem Buch einen Überblick über die Geschichte der christlichen Mission. Nicht immer ging sie mit der Kolonisation eines Landes einher, mancherorts waren die Missionare zuerst im Land und bereiteten die Kolonisierung vor, mancherorts kamen die Misionare mit den Besatzern oder aber im Gefolge von Kaufleuten. Oft, nicht immer, ging die Missionierung mit der Kolonisierung Hand in Hand, auch Missionare betätigten sich als Besatzer. Es wird geschildert, wie die "Landnahme" vor sich ging, mit welchen Methoden - hauptsächlich strengste Strafen und Folter - sich die Menschen gefügig gemacht wurden, wie restlos ihre Kultur, ihre Identität, letztlich auch ihr Land (beispielsweise durch willkürliche Grenzziehungen, gerade in Afrika) zerstört wurde.
Kapitel wie "Die moralische Botschaft" beschreiben, was nach Meinung der Missionare bekämpft werden musste: kultisches "Heidentum", unsittliches Verhalten, Bekleidung oder vielmehr Nicht- Bekleidung der "Eingeborenen", Initiationsriten - alles musste weggeputzt und durch das Christentum, europäische Vorstellungen von Arbeit, Moral und Sitte ersetzt werden.
Das Kapitel "Werke der Wohltäter" entlarvt auch das, was gerne als positiv an der Missionierung fremder Völker aufgeführt wird - endlich fester Schulbesuch, medizinische Wohltaten, Entwicklung und Versorgung - als Schein: der Schulbesuch - hauptsächlich natürlich Religionsunterricht - sollte keinesfalls der Bildung und Weiterbildung der Afrikaner dienen, sondern ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu billigen Arbeitskräften und willenlosen Untergebenen sein. Die vielgepriesene medizinische Hilfe war eine Farce schlechthin: schleppten doch die Siedler und Missionare viele der Krankheiten erstmal ein, die man dann "siegreich" bekämpfte!
Das Kapitel "Konkurrenzkampf um Seelen" ist besonders interessant: nicht nur Katholiken und Protestanten konkurrierten fortwährend um die Bekehrung der "Heiden" zum "richtigen" Glauben, auch einzelne Missionsstationen der gleichen Richtung oder Missionare einer Station lieferten sich Gefechte. So wurde den "Heiden" gleich ein endrucksvolles Bild von dem "einen Gott" vermittelt. Zumal die Afrikaner ja schon genug Probleme damit hatten, das Wissen um christliche und sittliche Lebensführung, Gnade und Vergebung, das ihnen im Unterricht vermittelt wurde, mit dem oft ganz und gar nicht im Einklang damit stehenden Verhalten der Missionare zusammenzubringen.....
Gert von Paczensky stützt sich in seinem Buch auf vielfältige Quellen, u.a. auf Missionsberichte und Tagebücher einzelner Missionare. Eine Zeittafel und eine ausführliche Literaturliste runden das Buch ab.
Rezension v. Horst Goldstein:
"Eine in der Tat erschreckende Bilanz, welche die Kirchen nur zu einem Schuldbekenntnis gegenüber Indianern und Afrikanern, Indern und Chinesen, Madegassen und Südseebewohnern bewegen kann. Christinnen und Christen, denen an einer ernsthaften, kritischen Betrachtung der Missionsgeschichte ihrer Kirchen liegt, werden schwerlich an dem vorliegenden Buch vorbeikommen".
Gert von Paczensky: Verbrechen im Namen Christi. Orbis, 2000. 544 Seiten, 12 SFr, ISBN 978-3572011773
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