Timur Vermes: Er ist wieder da Monotoner Klamauk

Belletristik

Berlin 2011 – Adolf Hitler erwacht auf einem leeren Grundstück aus 77 Jahre währender Abwesenheit.

Timur Vermes bei der Frankfurter Buchmesse 2015.
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Timur Vermes bei der Frankfurter Buchmesse 2015. Foto: © JCS (CC BY-SA 3.0 unported - croppedGFDL)

19. September 2018
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Korrektur
Details seiner Rückkehr und seines zwischenzeitlichen Verbleibs bleiben der Imagination des Lesers überlassen. Sein Vorhaben, die politischen Zustände der 1930er Jahre wiederherzustellen, führt den einstigen Möchtegern-Künstler in eine Berliner Fernsehanstalt, wo er, irrtümlicherweise für einen Kabarettisten gehalten, schon bald mit einer eigenen TV-Show Karriere macht. So weit der Plot des Romans.

Wer nun aber ein kurzweiliges Lesevergnügen erwartet hat, der dürfte enttäuscht werden. Schnell zeigt sich, dass zwischen Kurzweile und Langeweile mitunter ein allzu schmaler Grat verläuft, der gerade in der ersten Hälfte der Erzählung oftmals überschritten wird.

Zugegeben, das Buch hat auch seine grossartigen Momente. Zum Beispiel dann, wenn es gnadenlos die Mechanismen des modernen Sensationsjournalismus, der – Achtung: 30er-Jahre-Rhetorik – »verjudeten Hetzpresse« persifliert oder wenn in scheinbarem Widerspruch das Alltägliche auf den Fanatismus des Nazi-Führers prallt und dessen Ideologie sich ein ums andere Mal in Banalitäten wie der nationalsozialistischen Hundeaufzucht und der Frage nach dem eigentlichen »Judenhund« verfängt. (Spoiler: Es ist nicht der Fuchs! »Ein Fuchs kann niemals ein Hund sein und ein Hund niemals ein Fuchs, insofern ist auch der Fuchs niemals ein Judenhund. Wenn schon, dann ist unter den Füchsen ein eigener Judenfuchs auszumachen, den ich noch am ehesten im Löffelhund ausmachen kann, der bezeichnender, typisch jüdischer Weise schon im Namen sein Fuchssein verleugnet.«)

Grösstenteils aber stagniert der Roman – und mit ihm sein Protagonist – in der Monotonie seines immer gleichen Nazi-Jargons und beginnt damit, sobald das erste Amüsement verflogen ist, sehr bald zu nerven. Schnell hat man die Pointe als Leser begriffen und nur selten noch überrascht die Handlung mit wirklich Unerwartetem. Zwar trifft Vermes, immerhin, den Ton des historischen Hitlers mitunter erschreckend genau, jedoch verlieren die gebetsmühlenartig wiederkehrenden inneren und äusseren Monologe über wahres »Führertum« schnell ihren Reiz.

Daran ändert auch der Aspekt der ungeklärten Zeitreise nichts, dank dessen die Leserschaft den Roman-Diktator dabei beobachten darf, wie er sich mit den neusten technischen Errungenschaften wie etwa Telefonapparaten von der Grösse einer Streichholzschachtel oder dem neuerdings so verbreiteten »Internetz« vertraut macht – eine Art George of the Jungle mit Hakenkreuz-Faible und Seitenscheitel.

Da die Erzählung nicht dazu taugt – im Übrigen auch gar nicht erst den Anspruch erhebt –, die Gefahren des realen Nationalsozialismus zu veranschaulichen, bleibt sie bis zuletzt ein einziger Klamauk. Nur eben leider kein besonders gut gemachter. Ein dümmlicher Adolf Hitler, der durch das Berlin des 21. Jahrhunderts irrt, bleibt, bei aller sprachlichen Pseudo-Authentizität, das, was er ist: eine dümmliche Figur in einem dümmlichen Roman. Viel zu selten trifft die vom Verleger propagierte »bittersüsse Satire« ihr Ziel, das angekündigte »atemberaubende Lesevergnügen« entpuppt sich über weite Strecken als Rohrkrepierer.

Leo Eberhardt

Timur Vermes: Er ist wieder da. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 2012. 400 Seiten. ca. 14.00 SFr, ISBN 978-3847905172