Diether Dehm: Bella Ciao Partisanenkrieg in Norditalien

Belletristik

Der Roman «Bella Ciao» von Diether Dehm handelt von Krieg, Widerstand und Liebe im faschistischen Italien. Im Mittelpunkt dabei steht das Lied der italienischen Partisanen.

Gruppe kriegsgefangener deutscher Fallschirmjäger unter Bewachung durch neuseeländische Soldaten auf einer Strasse bei Monte Cassino, Italien, März 1944.
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Gruppe kriegsgefangener deutscher Fallschirmjäger unter Bewachung durch neuseeländische Soldaten auf einer Strasse bei Monte Cassino, Italien, März 1944. Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1975-014-31 (CC BY-SA 3.0 cropped)

21. Dezember 2015
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Es geht um das Lied der italienischen Partisanen. Und um Krieg und Widerstand. Nicht zuletzt lesen wir eine Liebesgeschichte. Hauptdarsteller: Anna, die Partisanin aus dem einfachen Volk, Renzo Rizzi, der behütete berühmte Liedermacher aus der Bourgeoisie und Attila, deren beider Jugendfreund, Faschist und im Auftrag der deutschen Besatzer italienischer Regionalchef in Oberitalien. Zeit: Der kurze Abschnitt nach dem Sturz des „Duce“, Benito Mussolini, durch seinen Mitkämpfer General Badoglio 1943. (Auch „Wende von Salerno“ genannt.) Danach die Befreiung Mussolinis durch deutsche SS und seine Wiedereinsetzung als Herrscher der kleinen, künstlich geschaffenen Republik Salo in Norditalien entlang den Alpen und den dortigen bekannten Seen.

Ort des Geschehens: Die Berge und Täler rund um den Lago Maggiore. Man geht mit und kann zum besseren Verständnis eine Landkarte neben das Buch legen und die diversen Auseinandersetzungen und Gefechte so mit verfolgen.

Das Lied „Bella ciao“ bestimmt den menschlichen Gehalt des Romans.

Allerdings nicht in der Version, wie wir es als Linke seit Jahrzehnten kennen und singen. Wir lernen die – links umstrittene – aber sehr gut nachvollziehbare Liedadaption von Diether Dehm kennen.

Nachvollziehbar, weil im Roman klar wird, dass Partisanen nicht nur Helden – unsere Helden – sind. Sondern auch Menschen mit ihrer Liebe, ihren Ängsten, den Sorgen um die eigene Familie.

Dabei ist die Geschichte nicht leicht zu lesen. Erforderlich ist mehr als einfaches Grundwissen der Geschichte des 2. Weltkrieges an seiner südeuropäischen Front, seiner Schlachten („Monte Cassino“) und der bestimmenden Abkommen der Alliierten (Teheran, Jalta). Denn alles hat seinen Einfluss auf die Partisanen-Kämpfe der kommunistischen „roten“ Garibaldini, der blauen Monarchisten und der grünen Kämpfer der Aktionspartei, einer Mischung aus Anarchisten, Sozialisten und radikalen Liberalen.

Es geht um das Zusammenspiel der deutschen Wehrmacht mit der italienischen SS, um die Einflussnahme des britischen Geheimdienstes auf die Kämpfe in Norditalien von der Schweiz aus. Wir bekommen auch einen Begriff davon, wie die italienischen Faschisten als „soziale Bewegung“ trotz absehbarem Kriegsende weiter versuchen, die Bevölkerung des Ossola- Tales von ihrer Vision für Italien zu überzeugen: soziale, nationale Faschisten zu sein und angeblich nur das Wohl der kleinen Leute im Auge zu haben.

Bei einer Neuauflage sollte ein Glossar Begrifflichkeiten erklären, die nicht jedem geläufig sind, wie: Wende von Salerno, Garibaldini, Abkommen von Jalta und Teheran, Goten-Linie, Persönlichkeitsdaten von Mussolini und General Badoglio. Dazu wäre ein grober Kartenausschnitt des betroffenen Gebietes rund um den Lago Maggiore nicht schlecht.

Aus dem Epilog:

„In Cannobio haben sich Anna und Renzo noch einmal getroffen. Auf einem Fest der „UNITA“, zufällig. Zuerst schwiegen sie. Dann stand sie auf und setzte sich ihm gegenüber und begann zu summen. Renzos Lied. Dann sah er ihre Tränen auf dem Tisch.

Nachdem sie eine Weile so gesessen hatten, begann sie lauter zu summen und trotziger. Und mit ihrer Fingerkuppe vermischte sie ihrer beiden Tränen auf dem harten Holz.“

An deiner Schulter, da wird es hell schon, bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao...

Für Anhänger eines kämpferischen Antifaschismus ist Diether Dehms Partisanenroman ein Muss.

Rüdiger Deissler
kritisch-lesen.de

Diether Dehm: Bella Ciao. Roman. Verlag Das Neue Berlin, 2007. 400 Seiten. ca. 24.00 SFr, ISBN 978-3-360-01292-0

Zum Autor: Diether Dehm, 57 Jahre, kommt politisch aus der nach-68er unabhängigen Schülerbewegung AUSS in Frankfurt/Main. Danach war Dehm langjähriger Funktionär der Jungsozialisten, der Sozialistischen Jugend - Die Falken und der Frankfurter SPD. Unter seinem Künstlernamen „Lerryn - der Sänger mit den besseren Liedern“ dürfte der Liedermacher der 70er und 80er Jahre (LP Goya) manchem der Älteren noch ein Begriff sein. In Frankfurt/Main etablierte er mit städtischen Mitteln die sommerlichen „Lieder im Park“ als Open-Air für jedermann/frau. Danach war er erfolgreicher Textautor und Manager von Klaus Lage („Faust auf Faust“) und BAP, der bots und von vielen anderen. Seit frühester Jugend ist Diether Mitglied in VVN/Bund der Antifaschisten. 2005 zog er als nicht-reformerischer Linker auf der Liste der LINKSPARTEI in den deutschen Bundestag ein und ist dort europapolitischer Sprecher seiner Fraktion.

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-ND 3.0) Lizenz.