TZKU - Texte und Zeichen aus dem kulturellen Untergrund Subkultur und autonomes Handeln

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In der Untersuchung "Zur Konstitution und Wirkung von Subkultur" haben wir auf den Zusammenhang zwischen der Möglichkeit eigenständiger dissidenter Subkultur und dem mündigen Handeln des Individuums hingewiesen.

Subkultur und autonomes Handeln.
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Subkultur und autonomes Handeln. Foto: epSos.de (CC BY 2.0 cropped)

8. Juni 1999
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Die Hegemonialkultur ist stets bemüht, ihre Werte und ihr Handeln in jedem Einzelnen der von ihr Beherrschten zu reproduzieren. Der Grad der Hegemonie einer Gesellschaft kann durch das Modell des delegierbaren Machtquantums dargestellt werden. Das Modell beruht auf der Vorstellung, dass jedes Individuum ein gewisses Machtquantum besitzt.

Das kann entweder von ihm selbst, von einem oder mehreren anderen wahrgenommen werden. In einer Gruppe können die vorhandenen Machtquanta demnach an niemanden, an viele, an wenige oder auch an nur eine Person delegiert werden.

In segmentären, akephalen Gesellschaften sind sie an keinen delegiert - oder nur wenige Machtquanta an eine grosse Anzahl von Leuten. In zentralisierten Staaten gibt jeder sein Machtquantum an eine Zentralinstanz ab, in einer Despotie reisst ein Einzelner alle Macht an sich. Dazwischen gibt es natürlich unzählige Abstufungen.

Aber je weniger delegiert wird, desto freier das Individuum, desto grösser die Möglichkeit zu unabhängigem und erfülltem Leben. Dieser Gedankengang ist nicht neu, er wurde immer wieder aufgegriffen.

Zuletzt von Theodore Kaczynski, der in seinem Unabomber-Manifest schreibt (33):"Menschliche Wesen haben ein Bedürfnis nach etwas, das wir den "Machtprozess" nennen. Der Machtprozess hat vier Elemente." Diese Elemente sind Ziel, Anstrengung, Erreichung des Ziels und vor allem die AUTONOMIE dieses Tuns. Kaczynski betont die Wichtigkeit, dass Setzung und Erreichung der persönlichen Ziele auf eigene Initiative erfolgen, also nicht delegiert werden.

Aber auch in KLEINEN Gruppen sieht er den Machtprozess noch gewahrt. Nicht dagegen in grösseren Gemeinschaften. In '94 heisst es dazu: "Freiheit bedeutet, als Individuum oder Mitglied einer KLEINEN Gruppe die Kontrolle über die Lebenswichtigen Angelegenheiten der eigenen Existenz zu haben, ... Freiheit bedeutet macht zu haben; nicht die Macht, andere Menschen zu kontrollieren, sondern die Macht, die eigenen Lebensbedingungen zu kontrollieren.

Man besitzt keine Freiheit, wenn irgendjemand anderes (besonders grosse Organisationen) Macht über einen haben, egal wie wohlwollend, tolerant und permissiv diese Macht ausgeübt wird".

Kaczynski steht damit in bester amerikanischer Tradition. Bereits 1849 schrieb Henry David Thoreau in seinem Essay "Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat" über das delegieren autonomer Macht: "Nie wird es einen wirklich freien und aufgeklärten Staat geben, solange sich der Staat nicht bequemt, das Individuum als grössere und unabhängigere Macht anzuerkennen ... und den Einzelmenschen nicht entsprechend behandelt."

Ich mache mir das Vergnügen, mir einen Staat vorzustellen ..., der es nicht für unvereinbar mit seiner Stellung hielte, wenn einige ihm fernblieben, sich nicht mit ihm einliessen.

Ein anderer bedeutender Kulturkritiker, der wichtiges zu diesem Thema beigetragen hat, ist Ivan illich. Kaczynskis Machtprozess, "die Fracht, die eigenen Lebensbedingungen zu kontrollieren, firmiert bei Illich unter dem Begriff des "Vernakulärem", "ein Wort, das autonome, nicht auf einen Markt bezogene Akte bezeichnet, durch welche die Menschen ihre Alltagsbedürfnisse befriedigen - jene Akte, die sich von Natur aus der bürokratischen Kontrolle entziehen."

Axel Monte