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Schluss mit der schweizerischen Kollaboration mit dem Folterstaat Türkei | Untergrund-Blättle

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Keine Exportrisikogarantie für ABB und Sulzer für den Ilisu-Staudamm in Kurdistan! Schluss mit der schweizerischen Kollaboration mit dem Folterstaat Türkei

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Am 30. 10. 98 hat der Bundesrat den Konzernen Sulzer und ABB eine Exportrisikogarantie in der Höhe von 400 Millionen Franken gewährt. Brisant ist dabei, weiches privatwirtschaftliche Projekt hier durch die öffentliche Hand versichert werden soll.

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Foto: Karte von Kurdistan

12. März 1999
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Es handelt sich um den Ilisu-Staudamm, der im kurdischen Südosten der Türkei, nahe der syrischen und irakischen Grenze entstehen soll. Er ist Teil des an pharaonische Zeiten erinnernde Südostanatolienprojektes (GAP), durch das die Ebenen Kurdistans in einen Garten Eden verwandelt werden soll. Bei genauerem Hinsehen, zeigen sich jedoch die katastrophalen Folgen dieses Projekts, das von den Befürwortern und Befürworterlnnen gerne als sogenannte Entwicklungshilfe verkauft wird:

-> 20'000 Menschen werden gezwungen, ihr Land zu verlassen

-> Ihre fruchtbaren Felder versinken in den künstlichen Fluten

-> Die Stadt Hasankeyf mit ihren Kulturgütern von unschätzbarem Wert geht für immer verloren Weitere 14 Kleinstädte und Dörfer werden überflutet

-> Durch das Stauen des Tigris wird mit der Fliessgeschwindigkeit, die Selbstreinigungskraft des Flusses stark herabgesetzt, die Wasserqualität wird sich folglich massiv verschlechtern, Krankheiten wie Malaria und Leishmaniose werden wieder aufkommen


All dies wird von den schweizerischen Firmen und der schweizerischen Regierung bewusst in Kauf genommen.

Modernisierung als Aufstandsbekämpfung

Hauptsächlich handelt es sich beim GAP um ein militärstrategisches Projekt mit zwei Stossrichtungen. Erstens soll es dazu dienen, durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Veränderung der sozio-ökonomischen Struktur in den kurdischen Gebieten, dem seit 1984 von der PKK geführten Guerillakampf den Rückhalt in der Bevölkerung zu entziehen.

Zweitens bekommt die Türkei mit der Kontrolle über die beiden grössten Flüsse im Nahen und Mittleren Osten, Euphrat und Tigris, eine übermächtige Waffe in die Hand: das immer knapper werdende Trinkwasser. Mit den Dämmen und Staubecken kann die Türkei dem Irak und Syrien den Wasserhahn ganz abdrehen. Das GAP ist also auch ein aussenpolitisches Erpressungsinstrument, das vom türkischen Regime im Sinne der NATO eingesetzt wird.

Die Rolle der Schweiz

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Schweiz zur Kollaborateurin von Folterregimes macht. Dies war nicht nur in der heutzutage mal mehr und mal weniger hitzig diskutierten Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Deutschland oder Aphartheid-Südafrika der Fall. Auch würde es sich beim Ilisu-Staudamm nicht um die erste schweizerische Grossinvestition in der Türkei handeln. 

So waren es die schweizerischen Konzerne ABB und Sulzer (und die schweizerische Regierung über die ERG), die in den 80er Jahren den Bau des Atatürk-Staudammes ermöglichten, nachdem sich der Internationale Währungsfond (IWF) und die Weltbank wegen unabschätzbaren ökologischen und geostrategischen Bedenken aus dem Projekt rausgehalten hatten.

Bild: Ilisu-Staudamm-Projekt

Beim Atatürk-Staudamm handelt es sich um das Herzstück des GAP. Der Damm wurde von den türkischen Generälen nach dem blutigen Septemberputsch von 1980 geplant. Wegen seines Baus mussten über 50'000 kurdische Bewohnerinnen ihr Land verlassen, ohne dafür in irgendeiner Form entschädigt zu werden. Die meisten von ihnen landeten in den Armutsgürteln der grossen Städte. Etliche kamen nach Europa, von denen aber viele wieder als sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge abgeschoben wurden.

Allein daraus kann mensch leicht erkennen, dass die Dämme für die im GAP-Gebiet lebende kurdische Bevölkerung nicht das sind, als was sie von der türkischen Regierung und den multinationalen Konzernen verkauft werden. Statt eines besseren Lebens bringen sie nur noch mehr Elend, Armut, Zerstörung und Abhängigkeit.

Ziele und Folgen des GAP

Das GAP wurde nicht nur zur Stromerzeugung in Angriff genommen. Es handelt sich darüber hinaus um ein ehrgeiziges Bewässerungsprojekt. An sich wäre das Bewässern von trockenem Land für die Produktion von Lebensmitteln nichts Verwerfliches; solange es von der lokalen Bevölkerung gewollt und vorangetrieben wird. Doch dies ist beim GAP nicht der Fall.

Es geht keineswegs um eine nachhaltige, ökologische Nutzung des Landes im Sinne der Bevölkerung, sondern vielmehr um die rücksichtslose Plünderung natürlicher und menschlicher Ressourcen und ihre Zuführung in die gnadenlose Konkurrenz des Weltmarktes. Dafür muss natürlich möglichst billig produziert werden.

Wie das dann etwa aussehen wird, ist auch nicht schwer zu prophezeien: In riesigen Monokulturen werden schlecht entlöhnte und hungrige Arbeiterinnen unter massivem Pestizid- und Düngereinsatz Baumwolle, Gemüse und Getreide für den Export produzieren.

Mit dem GAP wird also versucht, die Kurdinnen und Kurden mit einem ökonomischen Modernisierungsangriff unter Kontrolle zu bringen, nachdem sich gezeigt hatte, dass dies mit rein militärischen Mitteln nicht zu erreichen ist.  Kurdische Frauen werden unter dem Deckmantel der "Emanzipation" mit Alphabetisierungskampagnen assimiliert.

In den Kursen soll ihnen das GAP schmackhaft gemacht werden, um ihre Familien von den segensreichen Auswirkungen der wirtschaftlichen Modernisierung zu überzeugen.

Jedoch stützt sich die türkische Regierung dabei voll auf die feudalistisch-patriarchalen Strukturen, aus denen sie auch die sogenannten Dorfschützer rekrutieren. Die Dorfschützer und ihre Familien sind neben den Grossgrundbesitzern und Feudalherren auch die einzigen, die für den Landverlust infolge des GAP entschädigt werden. Die Landlosen, also die grosse Mehrheit der Bevölkerung, gehen leer aus.

Die im Solde der Regierung stehenden, bewaffneten Dorfschützer haben die Aufgabe, Unterstützerlnnen der Befreiungsbewegung den Militärs oder der Polizei auszuliefern. Zudem schützen sie auch die GAP-Baustellen vor Angriffen und Sabotageaktionen der Guerilla.

Die Türkei setzt weiter auf Krieg

Neben der sozio-ökonomischen läuft die militärische Aufstandbekämpfung schon seit Jahrzehnten. Diese eskalierte Anfang der 90er Jahre, als das türkische Militär begann, die kurdische Bevölkerung flächendeckend zu terrorisieren. So wurden in wenigen Jahren über 3.000 Dörfer zerstört, deren Bewohnerinnen im Verdacht standen, mit der Guerilla zu sympathisieren. Tausende wurden festgenommen, gefoltert, verurteilt oder ermordet. Hunderte Menschen sind sogenannt verschwunden. Bei der militärischen Aufstandsbekämpfung wird auch die Natur nicht geschont.

So setzt die türkische Luftwaffe gezielt ganze Wälder mittels Napalmbomben in Brand. Die Grenze zu Syrien und Irak wurde systematisch entvölkert und dann vermint. All die Aktionen haben eine riesige Anzahl Flüchtlinge produziert. So gibt es in der Türkei heute drei Millionen kurdische Binnenflüchtlinge. Die Zahl der Bewohnerinnen der kurdischen Stadt Diyarbakir stieg innert weniger Jahre von 300.000 auf 1,5 Millionen.

Zehntausende von Kurdinnen und Kurden flüchteten und flüchten weiterhin nach Europa, wo viele als "Wirtschaftsflüchtlinge" abgeschoben, oder, wie vornehmlich in Deutschland, als "Terroristen" verfolgt werden. Dabei wird von den europäischen Regierungen und Konzernen ausgeblendet, dass sie über ihre wirtschaftliche oder militärische Unterstützung des türkischen Regimes die Flüchtlinge mitproduzieren.

Sie erfinden viel lieber irgendwelche rassistischen Horrorszenarien von Strömen oder Fluten von Menschen, die die in der ganzen Welt zusammengerafften Reichtümer wegnehmen wollen, um damit eine immer repressivere Asyl- und Flüchtlingspolitik durchzusetzen.

Kampf gegen das GAP heisst also nicht nur, grössenwahnsinnige Projekte von Multis zu bekämpfen, sondern ebenso die rassistische und imperialistische Flüchtlingspolitik des reichen Nordens.

Keine politische, militärische und ökonomische Unterstützung
des faschistischen Regimes in der Türkei!



Schaffen wir den nötigen Druck für einen Frieden in Kurdistan!
Offene Grenzen und Bleiberecht für Flüchtlinge! Solidarität mit der PKK!

ub

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