Flüchtlingspolitik in der Schweiz Die parlamentarische Linke und ihr Verhältnis zur Migration

Politik

Die grenzübergreifende Migration wird immer mehr zu einem der zentralsten Punkte der öffentlichen Debatte in der Schweizer Politik. In den letzten Jahren erlangte die SVP mehrere Erfolge mit fremdenfeindlichen Volksinitiativen und parlamentarischen Vorstössen.

Fahrzeug der Schweizer Grenzwache.
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Fahrzeug der Schweizer Grenzwache. Foto: Dickelbers (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

12. Februar 2015
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Kaum ein Tag vergeht, ohne dass die politische Rechte ihre Stimme erhebt, wenn der Jugendliche, der den Gleichaltrigen geschlagen hatte, keinen Roten Pass besass, oder dass über die Anzahl der Personen mit Migrationshintergrund an Arbeitsplätzen diskutiert wird. Im Jahre 2013 schien der Rassismus an der Urne einen neuen Höhepunkt erreicht zu haben. Rund 78% der stimmenden Bevölkerung hiessen die Revision des neuen Asylgesetzes gut, welches unter anderem den Familiennachzug erschweren sollte und das Botschaftsasyl gänzlich abschafft.

Diese ungleiche Behandlung von verschiedenen Menschen lediglich aufgrund der Herkunft ist zutiefst rassistisch. Diese Vorlage fand ihre Zustimmung bis weit in linksparlamentarische Kreise. Ganz anders sah dies bei der Abstimmung zur Masseneinwanderungsinitiative aus. Dort schlossen sich linke und Wirtschaftskreise zusammen, um gegen die Bedrohung der Schweizer Wirtschaft durch die Kontingentierung der Immigration zu kämpfen. Dieses auf den ersten Blick widersprüchlich anmutende Stimmverhalten entblösst die Absichten der Migrationspolitik eines grossen Teiles der parlamentarischen Linken.

So war ein wichtiges Argument gegen die Masseneinwanderungsinitiatve, dass dies einen Arbeitskräftemangel auslösen könne, da viele Fachkräfte, gerade im Gesundheitssystem, fehlen würden. Auch Gewerkschaften bezogen sich einzig und allein darauf, dass die Menschen, die einwandern, Arbeitskräfte seien, die wichtig für das wirtschaftliche Wohl der Schweiz seien.

Diese Argumentation wurde nicht nur durch rechte Parteien benutzt. Auch die Linke sprang auf diesen Zug auf. Bei der Revision des Asylgesetzes waren ähnliche Argumente im Vordergrund. Allerdings sprachen sich Teile der Linken für die Annahme der Revision aus, da der grosse „Flüchtlingsstrom“ eine Belastung für die Volkswirtschaft darstelle. So sei „das Boot voll“ und die Allgemeinheit habe zu hohe Kosten zu tragen für die Unterbringung und Ernährung der Asylsuchenden. Des weiteren seien sie ohnehin durch die schlechte Ausbildung in den Heimatländern nicht dazu befähigt, eine Arbeit hier zu verrichten, was erneut zu einer Belastung der Sozialwerke führe. Auch wenn viele linksgerichtete StimmbürgerInnen humanitäre Gründe für eine Ablehnung der Gesetzesvorlage stärker gewichteten, als wirtschaftliche Bedenken, konnte letztere Argumentation bis weit in traditionell linke Kreise vordringen.

Diese Beispiele zeigen deutlich die Haltung vieler parlamentarischer Linker auf, welche sich an ökonomischen Massstäben orientieren. Auch in der Migrationspolitik wird der Mensch in eine Waagschale gelegt, welche entscheidet, ob die Person wirtschaftlich nützlich sein könnte, oder nicht. Dies ist kein seltenes Phänomen und auch nicht die Ansicht ein paar weniger Leuten, die in der falschen Partei gelandet sind. Der grosse Teil der linken Parteien und Organisationen heben die Wirtschaftlichkeit ihrer Anliegen hervor. Egal ob in der Migrationsdebatte oder beim Mindestlohn. So scheint der Mensch und dessen Wohlergehen nicht im Vordergrund der Politik zu stehen. Vielmehr ist es ein Abwägen zwischen dem wirtschaftlichen Nutzen eines Menschen und den Idealen, die man verfolgt. So wird der Mensch nicht mehr zum Subjekt des gesellschaftlichen Lebens, sondern zum Objekt der Volkswirtschaft. Der Mensch gilt als Arbeitskraft, und somit als Ressource.

Diese Verwertungslogik ist eine der Grundfesten dieses Systems, in welchem die Menschen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um das Überleben zu sichern, und somit für die EigentümerInnen der anderen Produktionsmittel einen Profit erarbeiten. Wer kein ökonomisch relevantes Eigentum besitzt, welches zur Vermehrung des Kapitals beitragen kann, also Beispielsweise ein Unternehmen, ist gezwungen, seine Arbeitskraft zu verkaufen. Das dafür erhaltene Geld, also der Lohn, entspricht allerdings nicht dem Wert, den man für die EigentümerInnen erarbeitet hat. In diesem Umstand ist der Mensch, wie andere Produktionsmittel, zum Beispiel eine Bohrmaschine oder eine Landwirtschaftsfläche, nur ein Produktionsfaktor.

So gut wie alle parlamentarischen Parteien haben sich in dieses System eingereiht und politisieren auf der Grundlage von Kapital und Nation, also sowohl der Grundlage dieser systematischen Ausbeutung sowie der Grundlage der Unterteilung der Menschen in In- und Ausländer.

So bemisst sich die Migrationspolitik der parlamentarischen Parteien nicht nach den persönlichen Umständen der Betroffenen, sondern nach der Möglichkeit der Profitmaximierung und des Nutzens für die Wirtschaft. Auch unterstützen und akzeptieren die parlamentarischen Parteien die Notwendigkeit der Migrationspolitik.

Es ist also nicht verwunderlich, dass die Asylgesetzrevision mit einem solch klaren Ergebnis angenommen wurde. Auch ist es nicht verwunderlich, dass die Masseneinwanderungsinitiative nur so knapp angenommen wurde. Es sind Beispiele, die die parlamentarische Linke demaskieren und eine Lupe auf das Kleingedruckte der Positionspapiere darstellen.

rjg