Und täglich grüsst das Murmeltier! Die Soziale Frage und der Wohnraum in Regensburg

Politik

Seit Jahren nehmen wir sprunghafte Steigerungen von Preisen für (Wohn)Räume wahr.

Blick auf Regensburg.
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Blick auf Regensburg. Foto: Hans100 (CC BY 3.0 unported - cropped)

31. Oktober 2018
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Hintergrund hierfür ist der allgegenwärtige Markt, auf welchen sich kapitalstarke Akteure an dem Allgemeingut Wohnraum oftmals unter der Schirmherrschaft der jeweilig regierenden Parteien unermesslich bereichern können. Ein gutes Beispiel für Privatisierung von Wohnraum ist der GBW-Verkauf von Markus Söder. Dieser von der Staatsregierung als „alternativlos“ bezeichnete Vorgang ist schlichtweg eine Bankrotterklärung politischer Interventionen zum Schutz der hiesigen Bevölkerung vor der kapitalistischen Marktlogik bzw. deren dramatischen Folgen für die Menschen.

Jeder Mensch benötigt Wohnraum. Dieser Aspekt ist nach wie vor noch unumstritten. Doch an welchem Ort, welcher Mensch das Recht haben soll zu leben, wird unter den Augen der politischen ProtagonistInnen der Kommunen, Gemeinden und Städten zunehmend dem Markt überlassen.

Gerade deshalb tun sich seit mehreren Jahren verschärfte Widersprüche in der Gesellschaft auf, die sich um die Frage „Recht auf bezahlbaren Wohnraum“ drehen.

Der Markt sowie seine politischen Vertreterinnen machen es möglich, dass trotz eklatanten Wohnungsnotstandes in Regensburg hunderte Wohnungen und sogar ehemalige Studentenwohnheime Leerstehen müssen. (1) Eines dieser Wohnheime ist auf dem Keplerareal und muss Platz machen für ein „Kultur- und Kongresszentrum“, welches einerseits zig Millionen kosten wird und andererseits in den Augen vieler schlichtweg nicht benötigt wird. Im Marinaquartier sind neue Räume entstanden und im Kolpinghaus und in der Uni gibt es ebenfalls Räume für Kongresse und “Kultur“. Diese Agenda wird unter der Perspektive „innovativer Stadtentwicklung“ gefahren, welche sich ausschliesslich zum Ziel gesetzt hat, zahlungskräftige Investoren und UnternehmerInnen in die Stadt zu locken. Trotz horrender Miet- bzw. Grundstückpreise und dramatischer Wohnungsnot möchte die von den Sozialdemokraten regierte Stadt Regensburg ihre Türen lieber für Investoren und Spekulanten öffnen, als die Sorgen und Nöte der Menschen hier ernst zu nehmen.

Ein weiterer Leerstand in der Otto-Hahn-Strasse wurde vormals aufgrund der Uni-Nähe und der niedrigen Mieten in erster Linie von Studis und Auszubildenden bewohnt. Dieses Areal wird jetzt luxussaniert. Die neuen Wohnungen sollen mehr als 11€/qm kosten.

Direkt hinter der Otto-Hahn-Strasse ist Richtung Humboldtstrasse ein neues Wohnquartier entstanden. Es gibt eine gesetzliche Regelung, die bei Neubau zu einer Quote von 20% Sozialbau (2), also öffentlich geförderter Wohnungen verpflichtet. Die reale Situation sieht natürlich vollkommen anders aus: Nachdem der Grossteil der Wohnhäuser inzwischen bezugsfertig sein könnte, liegt die Fläche, auf der der Sozialbau entstehen sollte, weiterhin brach.

Des Weiteren werden viele Wohnungen als Air-Bnb verwendet. Auf einer offiziellen Seite findet man für Regensburg mehr als 300 Unterkünfte, also pro Nacht zu vermietende Objekte. Technisch gesehen bedeuten diese Unterkünfte für die dramatische Wohnraumssituation Leerstand.

Aber was hat es auf sich mit dem Effekt von brachliegenden Flächen und Leerstand in der Stadt? Wie oben bereits erwähnt, wird unser aller Wohnraum den Gesetzen des Markts überlassen. Ein Markt beruht u. A. auf Angebot und Nachfrage. Wenn aber bei tendenziell steigender Nachfrage nach Wohnraum (3) der tatsächlich verfügbare Wohnraum aber weniger wird, werden die Mieten dadurch massiv nach oben getrieben.

Wenn man nun bedenkt, dass Mieten in aller Regel immer erhöht werden, wenn ein Mieterwechsel stattfindet, mag es einen nicht mehr wundern, dass Regensburg mittlerweile einer der teuersten Städte im Freistaat geworden ist.

Doch wohin geht das ganze Geld? Es gibt einige Privatpersonen, die neben ihrem Beruf für vergleichsweise wenig Aufwand(4) einige Immobilien vermieten. Auf der anderen Seite gibt es Immobilienunternehmen, um für Regensburg einige Namen zu nennen das Immobilienzentrum oder re/max, die u.a. Eigentümer ganzer Mehrparteienwohnhäuser oder sogar Strassenzüge sind und diese an Menschen mit Bedarf an Wohnraum vermietet. Man stelle sich vor wie viele Menschen, da wir ja alle Wohnraum brauchen, monatlich einen Betrag Miete an einen solchen Konzern zahlen, zeichnet sich eine krasse Umverteilung von Geld an wenige Unternehmen oder Privatpersonen ab. Welche wiederum aufgrund des oben genannten Effekts der stetigen Preissteigerung immer reicher werden.

Bei dem genannten Immobilienzentrum sollte man wissen, dass dessen Gründer und Vorstandsvorsitzender Thomas Dietlmayer im November 2017 im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre der Stadtregierung nach eigener Aussage den ehemaligen OB Wolbergs mit Spenden unterstützte und auch vom aktuellen Landtagskandidaten der CSU Rieger um Spenden angefragt wurde mit dem Angebot für zukünftige Baugenehmigungen und Baugebiete (5).

Zum einen handelt es sich in einigen Fällen eindeutig um Korruption und Vetternwirtschaft, zum anderen um völlig legale Prozesse des Marktes bei welchem sich KapitalistInnen massiv an einem „öffentlichen“ Gut bereichern.

Dass es so nicht weitergehen kann ist selbst sogenannten „unpolitischen“ Menschen völlig klar. Leider lassen sich immer noch genügend Menschen auf die Warteschlange ein, welche vor den Versprechen der Staatsregierung sowie etlicher Gemeinden, Städten und Kommunen erwartungsvoll anstehen. Dass das Warten auf bessere Zeiten noch nie irgendetwas zum Positiven Verändert hat sollten mittlerweile auch dem/der letzten Hoffenden klar geworden sein. Wohnraum ist Spekulationsgut und wird verscherbelt. Wir, die Menschen die hier leben, spielen dabei überhaupt keine Rolle. Deshalb zu kapitulieren ist genauso falsch wie sich etwaige NOCH verbleibende Nischen zu suchen um sich vor diesen Prozessen zu schützen und ansonsten sich an dem Protest gegen diese Verhältnisse nicht zu beteiligen. Von einigen KapitalistInnen abhängig zu sein auf einer gewissen Fläche vorrübergehend geduldet zu werden ist nachvollziehbar, da akut fast alternativlos. Sich darauf zu verlassen ist dumm. Genauso dumm ist es deshalb diesbezüglich nicht politisch aktiv zu werden um zusammen mit den Menschen die Soziale Frage auch unter diesem Gesichtspunkt neu zu stellen.

Wir benötigen Räume in denen wir uns selbst organisieren können. Eine Stadt muss sich den Bewohnerinnen entsprechend entwickeln können, nicht nach den Vorstellungen einiger weniger, die Profit aus unseren Grundbedürfnissen ziehen. Es muss Raum geben für alternative Wohn- und Lebenskonzepte, für Menschen, die keine Lust mehr haben, alleine in einem 20 Quadratmeter grossen Loch zu vereinsamen, dass sie sich gerade noch so leisten können.

Alternative Konzepte, die jeden Menschen mit einbeziehen, gemeinschaftliche Organisation von Wohnraum statt Angst vor Wohnungslosigkeit oder Betonsärgen!

In den letzten Jahrzehnten sind auch einige Ideen für die Umsetzung entstanden, welche im Folgenden kritisch betrachtet werden sollen:

Zum einen gibt es das Projekt Mietshäusersyndikat (syndikat.org), welches nach Gründung einer GmbH durch die (zukünftigen) Hausbewohner*innen, um die Hälfte unterstützt vom Dachverband, mit Bank- und Privatkrediten ein Haus kaufen, die dann durch regelmässige Mieteinnahmen wieder abbezahlt werden sollen. Damit wird dem Markt dauerhaft Wohnraum entzogen um es Menschen zur Verfügung zu stellen, die bei solchen Prozessen mit partizipieren möchten. Das grundlegende Problem dabei ist, dass bei den aktuellen Kaufpreisen für Häuser, vollkommen egal ist, ob bewohnbar oder nicht, eine gemeinschaftliche Finanzierbarkeit häufig unmöglich oder unrentabel erscheint. Ausserdem sind die Grundstücke um ein vielfaches mehr Geld wert als alles, was darauf steht, was auch zur Folge hat, dass sich Neubau mehr lohnt als die Sanierung schon vorhandener Häuser.

Dann gibt es noch den Tiny-House-Hype. Mobiler Minimalismus für ca. 30.000 € ohne Inneneinrichtung von Transition am Pürkelgut. Aber wer hat grade mal so nebenbei Zeit sich ein Tiny- house zu bauen oder 30.000€ für ein Tiny house übrig wenn sich viele nicht mal eine Kaution für eine Wohnung leisten können? Und selbst wenn, dann stellt sich das nächste Problem: Wohin damit, wenn man nicht ständig auf Reisen ist und vielleicht sogar einer Arbeit/Ausbildung nachgehen möchte? Dasselbe Problem: ein Grundstück kaufen, das heisst als wenige Einzelpersonen ohne Kapital eine 5-6 stellige Menge Geld zusammenkratzen, die dann an eine Einzelperson oder einer/m UnternehmerIn gehen, für den diese Menge Geld vergleichsweise wenig ist. Es stellt sich praktisch derselbe Widerspruch wie bei einer klassischen Mietsituation dar.

Aus verzweifelten Situationen wachsen radikale Lösungsvorschläge

Bei der radikalen Linken haben Hausbesetzungen eine lange Tradition. Also durch Nutzung eines Leerstands und Öffentlichkeitsarbeit versucht man auf einen Leerstand hinzuweisen und eine eigene, selbstorganisierte Nutzungsform anzubieten. Zur rechtlichen Umsetzung kann man auf die Zweckentfremdungssatzung (6) zurückgreifen, welche der Stadt ermöglicht, den Leerstand zu enteignen um eine neue Nutzung, beispielsweise mit einem Mietvertrag zu ermöglichen. In Berlin haut diese Aktionsform mittlerweile wieder Hochkonjunktur. Immer mehr Menschen solidarisieren sich mit den Widerständlerinnen bzw. partizipieren selbst.

Eine andere Form der freien Wohnraumgestaltung sind Wagenplätze, wo Menschen in mobilen Behausungen wie selbst ausgebauten Bauwagen oder Containern wohnen. Aber selbst hier bleibt eine Konfrontation mit der Verwaltung nicht aus.

Wir kämpfen nicht für den Erhalt von Parkanlagen und angeblich „sozial“ genutzten Räumen (z. B. in der Diskussion um das RKK) sofern dabei nicht vollkommen klar ist, dass dabei ein „schöner Wohnen“ für die es sich noch leisten können grundsätzlich abgelehnt wird. Die Soziale Frage muss auch hierbei im Mittelpunkt stehen.

Die Frage nach bezahlbaren Wohnraum ist so dramatisch wie komplex. Ohne Grundlegende Widersprüche dieses Wirtschaftssystems aufzuzeigen und auch zu bekämpfen kann diese Frage selbstverständlich nicht grundlegend geklärt werden. Jedoch sind die unzähligen Kämpfe jener, welcher sich gegen eine Zwangsräumung zu Wehr setzen, MieterInnen Initiativen, stille und offene Hausbesetzungen vollziehen, sich öffentliche Plätze und Parks zurückerobern als beispielgebend anzusehen und müssen unterstützt werden. Nur zusammen und solidarisch mit vielen Formen und Aktionen können wir politisch eine Kraft entwickeln und einen politischen Druck aufbauen. Der erste Schritt ist aus der politisch gewollten Vereinzelung in dieser Frage zu einem kollektiven Moment zu kommen, bei welchem gemeinsam auf die Strasse gegangen wird und in vielen verschiedenen Arten und Weisen die Stadt, das Dorf, das Haus, die Strasse, Parks usw. nach unser aller Interessen unkommerziell und lebenswert umgestaltet werden.

Sozialrevolutionäre Aktion Regensburg
autonomie-magazin.org

Fussnoten:

(1) https://rechtaufstadt-regensburg.uetheater.de/category/leerstandsmelder/

(2) https://www.regensburg-digital.de/die-naechste-extrawurst-fuers-immobilien-zentrum/19012018/

(3) https://www.br.de/nachricht/oberpfalz/inhalt/zu-viele-studenten-oth-regensburg-zieht-bilanz-nach-edv-fehler-100.html

(4) Der Ertrag im Vergleich zu einer Arbeitsstelle im Dienstleistungsgewerbe oder in der Produktion

(5) https://www.regensburg-digital.de/system-scheinrechnung-kronzeuge-beschreibt-profi-verschleierung-von-wahlkampfspenden/30072018/

(6) http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayZwEWG2008