Digitalkultur Interview mit dem Gründer von Merkopolis

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SaneSociety.org, eines der Pionierprojekte sozialer Netze im Internet und TalentSeekers.net, Plattform für Talentsuche, stehen zum Verkauf.

13. Januar 2011
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Die beiden, im Dienst der internationalen Künstlergemeinde stehenden Projekte, verfügen zusammen über eine Datenbank von mehr als 100.000 Kontakten in der Welt der Kunst, Musik und Literatur. Sie werden unterstützt von Tausenden von Künstler/innen aus mehr als 100 Ländern. Auf Grund dieses Verkaufs und der gleichzeitigen Präsentation eines neuen Portals, Merkopolis.com, führten wir ein Interview mit Arturo Tirador, dem Gründer der drei Projekte.
Seit dem Jahr 2000 arbeitest du im Bereich der Kunst im Internet. Welche Bilanz ziehst du aus diesem letzten Jahrzehnt?

Das Wichtigste für mich persönlich ist, dass ich das Vertrauen eines Teams von aussergewöhnlichen Personen habe, mit denen ich die Projekte entwickeln konnte. In den letzten fast 10 Jahren arbeiteten Dutzende von Leuten aus verschiedenen Ländern mit mir zusammen. Die Tatsache, dass die gemeinsame Illusion und nicht das Geld unser Team zusammenhält, macht das Erreichte noch unglaublicher.

Wir sind eine Art kulturelle Freiwillige und zweifellos ist das einer der Gründe, aus denen uns so viele Künstler/innen ihren Respekt zollen. Ich bin davon überzeugt, dass Erfolg sich nicht ausschliesslich in kaufmännischen Begriffen messen lässt. Erfolg zu haben, bedeutet vor allem, der Gesellschaft dienlich zu sein.

Aber von etwas müsst ihr leben?

Die Kunst als professionelles Gebiet ist nicht einfach und Internet auch nicht. Die Motivation muss tiefer sein, echter als die rein ökonomische. Mit Kunst oder Internet einen finanziellen Gegenwert zu erzielen, ist ein Luxus, der sehr wenigen vergönnt ist, auch wenn uns die Presseüberschriften vom Gegenteil belehren wollen. Glücklicherweise ist der kreative Prozess an sich genugtuend für die Mehrheit der Künstler/innen, und in gewisser Weise betrachte ich meine Internetprojekte auch als Kunstwerke; Werke, die ein Eigenleben bekommen in Händen der Nutzer/innen. Natürlich gibt es auch Geschäftsmöglichkeiten für diejenigen, die sie zu nutzen wissen.

Ich habe verstanden, dass du früher in London in der Welt der Musik gearbeitet hast. War das auch ein schwieriger Sektor?

Ja das war er. Im Musikgeschäft waren die Investitionen viel höher und das Setzen auf neue Talente ergab immer eine Bilanz von mehr geschäftlichen Niederlagen als Erfolgen, selbst für die grossen Multinationalen. Andererseits können Erfolge bedeutende Erträge einbringen. In meinem Fall war es ausserdem so, dass ich eigene Aufnahmestudios hatte und einen Festpreis für meine Arbeitszeit nahm, sodass das Risiko geringer war, sobald ich mir einen Namen geschaffen hatte. In London habe ich meine Berufung zur Unterstützung neuer Talente entwickelt und hatte das Glück, mit vielen grossen Künstler/innen der Zeit Aufnahmen machen zu können, einige davon waren meine Jugendidole und etliche andere begannen mit uns und erreichten ihren geschäftlichen Erfolg parallel zu unserem. Ohne Zweifel war dies eine sehr spezielle Zeit.

Kannst du einige Künstler/innen nennen, die in deinen Studios aufgenommen haben?

Die Liste ist sehr lang und beinhaltet Gruppen, die damals neu waren wie Jamiroquai oder Primal Scream, bekannte Musiker legendärer Gruppen wie Spandau Ballet oder The Smiths. Lass mich eine besondere Anekdote erzählen. Jimmy Destri, Gründungsmitglied von Blondie, kam eines Tages in mein Büro, um das Studio zu mieten. An der Wand hatte ich einen Plan mit allen vergebenen Studioterminen. Er wählte einen Monat, in dem wir erst 4 oder 5 Termine vergeben hatten. Er sagte, er wollte den gesamten Monat, mit der Bedingung, das Studio exklusiv an ihn zu vermieten. Ich sagte ihm, dass ich das ohne Erlaubnis der bereits eingetragenen Kunden nicht zusagen könnte, aber er solle mir 24 Stunden geben, um mit ihnen zu sprechen. In dieser Zeit konnte ich erreichen, dass alle Gruppen entweder gegen hohe Ermässigungen ihre Aufnahmetermine verschoben, oder zu einem anderen Studio höherer Qualität wechselten, mit dem ich einen Spezialpreis aushandelte. Jimmy Destri war so beeindruckt darüber, dass ich die Einnahmen eines ganzen Monats aufs Spiel setzte, um die Rechte dieser Künstler/innen zu respektieren und sagte mir, ich solle ihn anrufen, falls ich irgendwann einmal seine Hilfe bräuchte. Und tatsächlich, 15 Jahre später, ohne in der Zwischenzeit Kontakt gehabt zu haben, bat ich ihn, bei Talent Seekers als Jurymitglied zu fungieren und wenige Minuten, nachdem ich ihm per MySpace meinen Wunsch mitteilte, schrieb er sich ein. Ich glaube, diese Geschichte spiegelt sehr gut wider wie wichtig es ist, auf einer Grundlage von Prinzipien zu arbeiten und nicht nur aus ökonomischer Motivation heraus.

Warum zwei verschiedene Projekte für ein und dieselbe Künstlergemeinde? Was ist der Unterschied zwischen Talent Seekers und Sane Society?

Sane Society will den Austausch von Ideen fördern, um allen Personen mit kreativen Ambitionen das Ausstellen ihrer Werke zu ermöglichen und sich darüber mit anderen Künstler/innen zu verständigen. Man muss kein Picasso sein, um andere anzuregen und anerkennende Worte zu verdienen. Wir haben alle etwas zu sagen und das Internet ist ein ideales Medium, dies zum Ausdruck zu bringen. Kreativ zu sein sollte so üblich sein wie Sport zu treiben, eine gesunde Aktivität für die Seele. Talent Seekers dagegen will professionelle Gelegenheiten schaffen für all jene Maler/innen, Musiker/innen, Schriftsteller/innen, etc., die sich die Gunst des Publikums, der Künstlergemeinde und unseres Expertenteams in jedem einzelnen dieser Sektoren erworben haben. Es handelt sich um zwei verschiedene Konzepte, auch wenn beide ein gemeinsames Ziel haben: dass Talente nicht unbemerkt bleiben und Bestätigung finden. Heute nehmen wir dies als gegeben hin, vor 10 Jahren jedoch war dies nicht so offensichtlich. Damals gab es MySpace, Facebook oder YouTube nicht. Es war damals eine neue Welt, die es zu erfinden galt.

Weshalb bietest du dann beide Projekte zum Verkauf an?

In erster Linie, weil wir zu dem Schluss kamen, dass sowohl Sane Society als auch Talent Seekers ein weit grösseres Potential haben, als das wir zu entwickeln in der Lage waren. Um es auszuschöpfen, müssen neue Akteure einschreiten. Der Verkauf war nicht meine erste Option. Zunächst versuchte ich, mich mit anderen Unternehmen dieses Sektors zusammenzuschliessen. In der Tat bin ich nach wie vor offen für eine mögliche Zusammenarbeit mit anderen als Alternative zum Verkauf. Nach zehn Jahren völliger Hingabe, ist es mir wichtig, beiden Projekten eine gute Zukunft zu sichern. Das konkrete Konzept dafür, ob Gesellschaft, Schirmherrschaft oder Verkauf, ist ein zweitrangiger Aspekt.

Wie, glaubst du, sieht diese Zukunft aus von der du sprichst?

Diese Zukunft wird abhängen von der Vision und Fähigkeit der neuen Geschäftsführung. Es gibt vieles, was gemacht werden kann, aber dazu braucht es Ressourcen. Ich will betonen, dass Sane Society als "Stadt" für Künstler/innen entworfen wurde und was mein Team und ich aufgebaut haben, gleicht mehr einem "Dorf". Das ist sehr gut, aber letztlich ist es nur eine partielle Umsetzung meiner Vision. Talent Seekers wiederum entstand mit dem Ziel, zur bedeutendsten Plattform für Talentsuche im Internet zu werden und ich glaube, es verfügt über alle Elemente, dies zu erreichen.

Ich habe gesehen, dass du den Verkauf von Sane Society und Talent Seekers bei Merkopolis ankündigst und es überrascht mich, dass du offen eine wöchentliche Preissenkung erklärst. Ist dies nicht sehr unüblich?

Ich habe immer auf Transparenz als eigenen Wert gesetzt und sehe nicht, warum wir einen so wichtigen Faktor verschweigen sollten. Da es ausserdem nicht einfach ist, solche Projekte auf den ersten Blick zu schätzen, entscheidet letztlich immer die Marktlage. Wer kann und kein Risiko eingehen will, kauft jetzt und wer nicht kann und will, wartet darauf, dass der Preis sinkt. Ein Preis, der ausschliesslich auf eingebrachter Illusion und Zeit und investiertem Kapital fusst, wäre unerschwinglich; viel höher als der angekündigte. Das Wichtigste ist jedoch, eine Geschäftsführung zu finden, die beiden Projekten eine Zukunft geben kann. Wir suchen jemanden, der, ohne unsere Arbeit unterzubewerten, davon überzeugt ist, dass er es besser machen kann.

Womit werdet ihr euch jetzt beschäftigen, du und dein Team?

Unsere Priorität liegt, mittels Merkopolis, im Aufbau eines unabhängigen internationalen Netzes lokaler Märkte, einer Alternative zu den grossen Multinationalen, die den Sektor dominieren. Wir wollen uns mit Tausenden von Kleinunternehmen zusammenschliessen, mit denen wir unsere Einkünfte in ihren jeweiligen Städten, Regionen oder Ländern zu 50% teilen. Hierfür verfügen wir über die komplexeste Online-Geschäftsplattform des Marktes. Nicht einmal Ebay ? unser spezieller Goliath - verfügt über einige der Anwendungen und Dienstleistungen, die wir in den sechs letzten langen Jahren entwickelt haben. Jetzt brauchen wir nur noch die Unterstützung vieler kleiner lokaler "Davids" zur gemeinsamen Umsetzung dieser Idee.

Wird Merkopolis eine spezielle Verbindung mit der Welt der Kunst haben?

Die Kunst nimmt für uns weiterhin einen bevorzugten Raum ein. Sie ist Teil unseres genetischen Fingerabdrucks. Die Tatsache, dass Merkopolis kein ausschliesslich auf Kunst spezialisiertes Portal ist, betrachten wir als Vorteil für die Künstler/innen, da ihre Werke einem neuen Publikum vorgestellt werden, was wiederum Verkaufsmöglichkeiten eröffnet. Ausserdem stellen wir denjenigen, die sich mit dem Verkauf schwer tun, "die älteste Geschäftsmethode der Welt" zur Verfügung, den Tausch. Dies ermöglicht, im Tausch gegen das eigene Werk, benötigte Artikel zu erhalten. Obgleich es sich bei Merkopolis ebenfalls um ein kreatives und innovatives Projekt handelt, ist unser Ansatz diesmal überaus pragmatisch.

Willst du zum Schluss noch etwas hinzufügen?

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um die Namen der 30 meist bewerteten Künstler/innen der ersten Ausgabe der Internationalen Talent Seekers Preise zu nennen. Von dieser Stelle wünsche ich ihnen viele weitere Erfolge in ihrer professionellen Laufbahn, die sie zweifellos verdient haben: Abelansa, Géphil, Mariano Petit de Murat, Roberto Rosi, Latchezar Boyadjiev, Yunuen, René Rodríguez Soriano, Serge Crampon, Nicemotion, Marco Gonzalez, Khaled Hasan, Txitxi Orbegozo, Dragos Jieanu, bfe, Peter Mandl, Rafe Hollister, Ana Caliyuri, Jochen Schell, Heidi Hinojosa, Ingrid Siliakus, Nicolas Cubaynes, Caroline Westerhout, Migo We, JNZ, Janet Goldner, Marlon Alarm, Juan José Mestre, Die Verzauberer, Joao Pedro Canhenha, Gudrun Geiblinger und GG Design.

Interview geführt von Ainhoa Blanco. Übersetzung: Andrea Heuschmid.