Praktische Solidarität in Österreich Wien: Flüchtlinge willkommen!

Politik

Endlich hat das Binnenland mal wieder seine gute Seite gezeigt. Zehntausende haben am Montag in Wien für eine andere Asylpolitik demonstriert.

Demo «Gleiche Rechte für alle» (Refugee-Solidaritätsdemo) am 16. Februar 2013 in Wien.
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Demo «Gleiche Rechte für alle» (Refugee-Solidaritätsdemo) am 16. Februar 2013 in Wien. Foto: Haeferl (CC BY-SA 3.0 cropped)

2. September 2015
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Gleichzeitig bewiesen hunderte Menschen auf den Bahnhöfen von Wien, Linz und Salzburg praktische Solidarität mit den Geflüchteten.Da die österreichische Politik ihr Versagen erneut eindrucksvoll unter Beweis stellte und auf die aus Ungarn ankommenden Züge voller Flüchtlinge einfach überhaupt nicht reagierte, sprangen Privatpersonen ein. Binnen kürzester Zeit wurden Strukturen auf 02den Bahnhöfen aufgebaut, Lebensmittel und Hygieneartikel herangeschafft und nach Ankunft der Flüchtlinge die Verteilung organisiert.

Genau diese praktische Solidarität zeigt auch, dass die Grossdemo mit mindestens 20.000 TeilnehmerInnen weit über beherzte, aber letztlich kaum konkrete Auswirkungen zeigende Lichtermeerkundgebungen aus der Vergangenheit hinausgeht. Was wir derzeit erleben ist eine echte Notsituation für tausende geflüchtete Menschen, auf die die Sozialdemokratisch-konservative Bundesregierung mit gewollter Unfähigkeit reagiert – als ob sie der FPÖ mit ihren einfach klingenden „Lösungen“ (Parteichef Strache will etwa nach ungarischem Vorbild Grenzzäune errichten) den Weg asphaltieren will.

Die Entwicklungen der vergangenen Wochen und Monate haben vielen Menschen gezeigt, dass es keinen Sinn mehr hat, darauf zu warten bis die Verantwortlichen aktiv werden. Seit Monaten signalisieren Innenministerium und KommunalpolitikerInnen – einige wenige rühmliche Ausnahmen wie der Traiskirchner SPÖ-05Bürgermeister Andreas Babler ausgenommen –, dass sie unfähig sind, das „Problem“ der Unterbringung von Flüchtlingen zu lösen. Genau diese demonstrative Unfähigkeit nützt aber der Partei der angeblich einfachen Lösungen: aktuelle Umfragen zeigen die FPÖ an der Spitze. Die grossen Parteien scheinen in ihrer selbstgewählten Falle zwischen repressiver, aber nicht funktionierender Asylpolitik, EU-Vorgaben und FPÖ-Bedrohung kapituliert zu haben. Man hat den Eindruck, die Bundesregierung wartet darauf, dass die Flüchtlinge einfach eines Morgens wieder verschwunden sind.

Ob das Engagement hunderter und tausender Menschen es letztlich vermag, die Stimmung im Land derart zu verändern, dass auch den rechten Demagogen endlich wieder der Wind in den Segeln fehlt, bleibt abzuwarten. Das starke Zeichen am Montag und die konkrete Hilfestellung sind aber kaum zu überschätzen. Zynische Kommentare selbsternannter „AsylkritikerInnen“ über „Gutmenschen“, die nur politisch korrekt daherreden können, 04erübrigen sich ab sofort. Die politisch Verantwortlichen wiederum werden durch alle Privatinitiativen beschämt, die zeigen, dass Flüchtlinge kein „Problem“ darstellen, sondern dass nur ein bisschen Solidarität aufgebracht werden muss, um jene zu unterstützen, die der Hilfe bedürfen.

Die ersten Reaktionen deuten indes nicht darauf hin, dass die Regierenden lernfähig sind. Bundeskanzler Faymann und Innenministerin Mikl-Leitner faseln weiterhin vom Dublin-Abkommen – also ob dieses noch irgendetwas mit der Realität der aktuellen Entwicklungen zu tun hätte. Nach dem Tod der 71 Flüchtlinge in der vergangenen Woche waren von denselben Figuren ebenfalls ausschliesslich Wortmeldungen zu hören, die aus der Pressestelle der FPÖ kommen könnten – angekündigt wurden „harte Massnahmen“ gegen „Schlepper“ und verstärkte Grenzkontrollen. Kein Wort darüber, wie man sich gegen eine internationale Politik einzusetzen gedenkt, 07die überhaupt erst Menschen in die Flucht treibt. Kein Wort über die Verantwortung der europäischen Abschottungspolitik für den Tod der 71 Flüchtlinge hierzulande und zigtausender an den EU-Aussengrenzen.

Die unzähligen HelferInnen und AktivistInnen werden sich von dieser gefährlichen Uneinsichtigkeit nicht beeindrucken lassen, sondern weiterhin immer dort sein, wo konkrete Solidarität nötig ist. Nicht mehr und nicht weniger ist das Gebot der Stunde.

Karl Schmal / lcm