Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste Biedermann und die Bachmann

Kultur

„Ingeborg Bachmann – Reise durch die Wüste“ fokussiert sich auf die toxische Beziehung zwischen der Lyrikerin Ingeborg Bachmann und Autor Max Frisch.

Die deutsche Regisseurin Margarethe von Trotta und Vicky Krieps an der Berlinale am 19. Februar 2023 anlässlich der Präsentation ihres Filmes
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Die deutsche Regisseurin Margarethe von Trotta und Vicky Krieps an der Berlinale am 19. Februar 2023 anlässlich der Präsentation ihres Filmes "Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste". Foto: Martin Kraft (photo.martinkraft.com) (CC-BY-SA 4.0 cropped)

9. Januar 2024
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4 min.
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Die Biografie lässt sich Zeit mit den Figuren, hat ein paar Längen und wirkt stellenweise ein wenig zäh. Insgesamt findet Margarethe von Trotta eine eigene Stimme für das in Rückenblicken erzählte Beziehungsdrama, führt das Publikum an malerische Drehorte und baut interessante Referenzen und Zitate ein.

Ein Telefon plärrt in der Ferne. Ingeborg Bachmanns (Vicky Krieps) Schritte führen sie durch einen unheimlichen Flur. Als die berühmte Lyrikerin den Telefonhörer abhebt, hört sie jemanden lachen. Kenn Sie den Anrufer? Sie versucht, dem Gesprächspartner eine vernünftige Antwort abzuringen, aber sie erntet nur erneute Lachsalven. In welchem Albtraum ist sie gefangen?

Schwere Briefe und die Weite der Wüste

Regisseurin Margarethe von Trotta, die schon mit Rosa Luxemburg und Hannah Arendt Biografien bedeutsamer Frauen der Geschichte herausgebracht hat, präsentiert uns mit Ingeborg Bachmann: Reise in die Wüste ein Beziehungsdrama, in dessen Mittelpunkt die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann steht. Der thematische Fokus des Films liegt auf ihrer Beziehung zu Homo Faber-Autor Max Frisch (Ronald Zehrfeld) und ihrer Reise zur Selbstbestimmung und emotionalen Befreiung.

Wir haben es nicht gut gemacht lautet der Titel des 2022 im Suhrkamp-Verlag erschienen Werkes, in dem ein Briefwechsel zwischen der berühmten Lyrikerin Ingeborg Bachmann und dem Romancier Max Frisch abgedruckt wurde. Als Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste entstanden ist, hatte die Regisseurin noch keinen Zugriff auf diese Korrespondenz. In einem Interview, veröffentlicht auf filminstitut.at, erklärt die Regisseurin, dass ihr aber gerade dieser Umstand geholfen haben könnte, da es vielleicht zu einer linearen und damit weniger spannenden Erzählweise geführt hätte, statt zu dem aus Rückblicken erzählten Beziehungsdrama, das es letzten Endes geworden ist.

Ambivalenzen

Diese Zeitwechsel führen dazu, dass der Kontrast zwischen der biedermeierlichen Schwere der schleichend schwieriger werdenden Beziehung und der Weite der Wüste nochmal deutlicher hervortreten kann. Obwohl die Biografie private Einblicke auf die historischen Persönlichkeiten eröffnet, nimmt dieses Element des Entzaubernden nicht unbedingt das Geheimnisvolle von den Figuren. Das liegt unter anderem an dem thematischen Fokus. Ingeborg Bachmanns schriftstellerische Leistungen erhalten ihren Platz, so sehen wir zum Beispiel eine Rede und hören Zitate. Doch diese Punkte finden eher am Rande statt oder werden zu Rädchen im Getriebe des Beziehungsdramas.

Je weiter der Film voranschreitet, desto mehr merkt man auch Längen. Die Kamera lässt sich Zeit. Dadurch tritt es in manchen Szenen stärker hervor, wenn diese eine Note zu gekünstelt wirken. Trotz der daraus entstehenden hölzernen Stellen sind die Entwicklung der Beziehung, das Hervortreten der Eifersucht, der Biedermann-Mentalität und der Ausbruch daraus nicht uninteressant. Hinzu kommt, dass sich die Aufmachung – Kostüme, Requisiten, etc. – stimmig in das streckenweise an Postkarten erinnernde malerische Gesamtbild fügen.

Biedermann und die Bachmann

Literaturinteressierte und Fans von Bachmann und Frisch können hier einige Referenzen finden. Die Gruppe 47 wird mal erwähnt. Eine Anekdote über fallengelassene Gegenstände, die beispielsweise Marcel Reich-Ranicki in der Sendung Lauter schwierige Patienten über die Poetin zum Besten gegeben hat, wird visualisiert. Die Darstellung der Beziehung ist bis zu einem gewissen Grad alleine deshalb nicht uninteressant, weil man es mit Charakteren der Literaturgeschichte zu tun hat. Die scheiternde Kommunikation wird mit sicherer Hand gezeigt, etwa wenn wir Ingeborg Bachmann vor einem Fenster sehen, die zu Max Frisch blickt, den wir gleichzeitig im Hintergrund in einer unscharfen Spiegelung erkennen, wie er in die Ferne starrt.

Abgesehen davon ist das Liebesdrama stellenweise aber auch zäh und bei eigentlich spannenden Punkten, Stichwort „Tagebuch“, kann der Schockeffekt nicht unbedingt so laut und lange nachhallen wie es dieser Streitpunkt verdient hätte. So versanden manche Aspekte etwas auf der Reise zur Wüste und der emotionalen Befreiung.

Simon Zimmermann
film-rezensionen.de

Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste

Schweiz, Deutschland

2023

-

110 min.

Regie: Margarethe von Trotta

Drehbuch: Margarethe von Trotta

Darsteller: Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld, Tobias Resch

Produktion: Katrin Renz, Bady Minck, Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Bettina Brokemper

Musik: André Mergenthaler

Kamera: Martin Gschlacht

Schnitt: Hansjörg Weissbrich

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.