Die Plünderung Afrikas und die Untätigkeit der Schweiz Glencore und Appleby

Wirtschaft

14. November 2017

Die Paradise Papers, das neueste Datenleck des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), belegen, was Public Eye seit 2011 sagt: Der Rohstoffhandel ist das gefährlichste Geschäft der Schweiz.

Glencore-CEO Ivan Glasenberg im Mai 2012 während einer Plenardebatte am 42. St. Gallen Symposium an der Universität St. Gallen.
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Glencore-CEO Ivan Glasenberg im Mai 2012 während einer Plenardebatte am 42. St. Gallen Symposium an der Universität St. Gallen. Foto: International Students' Committee (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

14. November 2017
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Aggressive Steuervermeidung, akuter Korruptionsverdacht, strukturelle Interessenskonflikte: Die massiven Vorwürfe gegen Glencore zeigen einmal mehr die politische Mitverantwortung der Schweiz für den Rohstoff-Fluch und die unerträgliche Passivität unserer Behörden.

Das Flaggschiff der Schweizer Rohstoffhandelsbranche ist einer der wichtigsten Kunden von Appleby. Selbst bei der Offshore-Kanzlei war Glencore berüchtigt, weil sich die Wünsche des Konzerns häufig am Rande der Legalität bewegten. So verlangte Glencore mehrmals die Falschdatierung von Beschlüssen. Die „Krake von Zug“ konstruierte 107 Offshore-Gesellschaften und ihr Name erscheint in mehr als 34'000 der ICIJ-Daten. Die Paradise Papers zeigen erstmals, welche Strukturen Glencore aufgebaut hat und mit welchen Strategien die Steuerzahlungen, etwa in Australien und Burkina Faso, substanziell reduziert wurden.

Vor allem erhellt eine Vielzahl von Dokumenten aber, wie sich Glencore in der Demokratischen Republik Kongo – einem der ärmsten Länder der Welt – zu Spottpreisen seine Lizenzen zum Abbau von Kupfer und Kobalt besorgte. Dafür griff die Firma auf die Dienste von Dan Gertler zurück, einem israelischen Tycoon mit mehr als zweifelhaftem Ruf, dessen korrupte Praktiken bei der Vergabe von Minenlizenzen im Kongo bei der US-Justiz aktenkundig sind.

Glencore hat immer behauptet, die Geschäftsbeziehung mit Gertler im Vorfeld sorgfältig abgeklärt zu haben. Sein problematisches Profil war spätestens 2007 bekannt, ebenso seine dubiose Rolle im kongolesischen Bergbaugeschäft und seine Nähe zu Präsident Kabila. Diesem hatte er schon 2001 im Austausch gegen ein Monopol für den Diamantenexport Waffen geliefert, was von der UNO, der Weltbank und dem kongolesischen Parlament verurteilt wurde. Die in den Paradise Papers enthüllten Offshore-Strukturen erlaubten Glencore die Vergabe von Krediten an ihren Geschäftspartner Gertler genau in dem Moment, wo dieser seine im Visier der US-Strafbehörden befindlichen Zahlungen an Präsident Kabila und Katumba Mwanke, die Nummer 2 des Regimes, tätigte.

Entscheidend dabei: Glencore bezahlte auf Kosten der kongolesischen Bevölkerung letztlich vier Mal weniger für die Kupferrechte als alle anderen ausländischen Investoren.

Durch Enthüllungen der britischen NGO Global Witness wurden die Schweizer Behörden schon 2012 auf die höchst zweifelhaften Geschäfte von Glencore und Gertler aufmerksam gemacht. In der Antwort auf eine damalige Interpellation im Nationalrat bekräftigte der Bundesrat aber nur seine Erwartung, „dass solche Firmen im Rahmen einer verantwortungsvollen Unternehmensführung besondere Sorgfaltspflichten wahrnehmen“. Und er stellte fest: „Das Reputationsschadenspotenzial hängt wesentlich davon ab, wie effektiv die Schweiz solche Vergehen bekämpft.“ Bisher gibt es aber in der Schweiz keine Untersuchung der Zusammenarbeit von Glencore und Gertler.

Im Gegenteil: Der Bundesrat vertraut weiter darauf, dass diese Firmen „integer und verantwortungsvoll“ handeln. Gemäss der Tagesschau von SRF sind mindestens drei Schweizer Rohstoffhandelsfirmen unter den multinationalen Konzernen, deren Geschäftspraktiken mit der Auswertung der Paradise Papers nach und nach ans Licht kommen. Wie viele Skandale braucht es noch, bis die Schweizer Behörden endlich handeln?

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