Steuerdumping auf Madeira und Malta Freibrief für Steueroasen mitten in Europa

Wirtschaft

13. März 2017

Die EU prangert den Steuersumpf in der Karibik an, toleriert aber seit Jahrzehnten Steuerdumping auf Madeira und Malta.

Reiche Yachtbesitzer zieht es in Scharen nach Malta.
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Reiche Yachtbesitzer zieht es in Scharen nach Malta. Foto: Frank Vincentz (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

13. März 2017
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Seit 30 Jahren bewilligt die EU-Kommission extrem niedrige Steuersätze auf Madeira. Das soll Investoren anlocken und Arbeitsplätze auf die abgelegene Atlantikinsel bringen. Doch die Tiefsteuerpolitik verfehlt ihr Ziel: Unternehmen und Superreiche nutzen die Schlupflöcher nur zum Sparen von Steuern. Arbeitsplätze für die Inselbewohner entstehen kaum. Und anderen Ländern entgehen Steuereinnahmen in Milliardenhöhe.

Ein Recherche-Team des Bayerischen Rundfunks BR hat das Unternehmensregister von Madeira systematisch ausgewertet. Die Analyse der Firmeneintragungen zeigt, dass von den Steuerregeln vor allem internationale Grosskonzerne profitieren, die auf der Insel Tochterfirmen haben oder hatten. In den Dokumenten, die «Report München» veröffentlichte, taucht unter anderem der US-Ölkonzern Chevron auf und der italienische Konkurrent Eni, der Getränkeproduzent Pepsi und der russische Aluminiumgigant Rusal. Der Firmensitz ist bei allen derselbe: ein Geschäftsgebäude an der Hafenpromenade in Funchal. Laut «Report München» waren hier in den vergangenen Jahren über tausend Firmen gemeldet. Über diese Adresse verbuchten sie Milliardenumsätze, zahlten aber keine oder kaum Steuern.

Auch die Swatch Group nutzte die Steuervorteile

Fast 20 Jahre lang galt für Unternehmen in Madeira die Nullsteuer, seit 2013 liegt der Steuersatz bei 5 Prozent. Zum Vergleich: Auf dem portugiesischen Festland sind 21 Prozent fällig. Als die portugiesische Regierung den Steuersatz schrittweise erhöhte, verliessen viele internationale Unternehmen Madeira, darunter auch die Swatch Group. Der Schweizer Uhrenhersteller hatte den Grossteil des Europa-Geschäfts über die Atlantikinsel abgewickelt – ebenfalls komplett steuerfrei.

Nach offiziellen Angaben nutzen heute noch über 1600 Unternehmen Madeiras Steuervorteile. Im Firmenregister der Insel fanden die BR-Reporter auch Namen von Superreichen und Promis, etwa Jérôme Valcke, Ex-Generalsekretär der Fifa und die Fussballstars Javier Mascherano und Xabi Alonso. Personen aus dem Umfeld von Kleptokraten profitieren ebenfalls von den Steuervorteilen, darunter ein Vertrauter des früheren libyschen Staatschefs Gaddafi sowie die Töchter der Diktatoren Angolas und Äquatorialguineas.

Hunderte Firmen, immer der gleiche Geschäftsführer

Viele der Unternehmen existieren nur auf dem Papier, «manchmal nur für eine einzige Transaktion», wie eine Insiderin vor Ort dem Reporter-Team sagte. Es erstaunt deshalb nicht, dass der Zuwachs an Jobs auf Madeira verhältnismässig mager ausfällt, obwohl die Unternehmen verpflichtet sind, Arbeitsplätze zu schaffen. Wie viele es wirklich sind, weiss niemand so genau. Laut «Report München» tauchen bei den Firmeneintragungen immer wieder dieselben Namen auf. Einzelne Geschäftsführer sind bei dutzenden oder sogar hunderten Firmen eingetragen. Das sei ein «offenes Geheimnis», bestätigt die Steuerbehörde auf Madeira gegenüber «Report München». Und: Wenn eine Person für mehrere Firmen arbeite, fliesse sie mehrfach in die Arbeitsplatzstatistik ein. «Darum sind die Zahlen nicht vertrauenswürdig. Aber die EU-Kommission nimmt diese Zahlen für bare Münze.»

EU-Kommission segnet Dumpingsteuer bis 2027 ab

Obwohl offensichtlich ist, dass Superreiche und Konzerne Madeira primär zur Steuervermeidung nutzen, verteidigt die EU-Kommission die Niedrigsteuerpolitik für die Insel nach wie vor: Die Sonderzone sei ein «Jobmotor für die Region», sagt Ricardo Cardoso, Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. «Die Kommission hat zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Hinweise, dass das Modell nicht im Einklang mit den vorgeschriebenen Regeln ist.»

Deshalb wird sich am System Madeira auch so schnell nichts ändern: Die EU-Kommission hat den Dumping-Steuersatz bis 2027 bewilligt.

Malta: Ein sicherer Hafen für Konzerne und Superreiche

Auch die Mittelmeerinsel Malta bietet für Millionäre und Konzerne legale Steuerschlupflöcher. Internationalen Unternehmen winkt eine Rückerstattung von bis zu 85 Prozent der Gewinnsteuern. Davon profitieren zahlreiche bekannte Grosskonzerne, wie das ARD-Magazin «Monitor» berichtet. Reporter von WDR, NDR und der «Süddeutschen Zeitung» fanden bei ihrer Recherche – zumindest auf Briefkästen – viele bekannte Firmennamen: So «optimieren» zum Beispiel der Chemie-Riese BASF, Wincor Nixdorf und der Autovermieter Sixt ihre Steuerlast durch einen Aussenposten auf Malta.

Besonders pikant: Unter den «Steuerflüchtigen» ist auch der Flugenhafenbetreiber Fraport. Das Unternehmen gehört mehrheitlich der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen – also der öffentlichen Hand – und unterhält auf Malta eine Briefkastenfirma «aus unternehmerischen Gründen», wie ein Sprecher gegenüber «Monitor» erklärt. Dass dem deutschen Fiskus dadurch jedes Jahr viel Steuergeld entgeht, scheint für die Verantwortlichen kein Problem zu sein.

Legaler Steuertrick mit Super-Yachten

Über 70'000 Unternehmen sind im maltesischen Firmenregister eingetragen – in einem Land, das nicht einmal 450'000 Einwohner hat. Hinter den Firmennamen verbergen sich nicht selten Prominente, Grossindustrielle und Milliardenerben. Viele von ihnen erwarben mit einer eigens dafür gegründeten maltesischen Firma eine Luxus-Yacht. Denn auch dafür gibt es auf Malta ein spezielles Steuersparmodell. Mit einem ausgeklügelten Leasing-Konstrukt lässt sich die Mehrwertsteuer bis auf 5,4 Prozent senken. Der Käufer einer Super-Yacht, die mehrere Millionen kostet, spart so schnell einmal eine halbe Million und mehr.

Der Besitz einer maltesischen Firma ist grundsätzlich legal, sofern das deutsche Finanzamt darüber informiert ist. Allerdings geschieht dies laut «Monitor» in vielen Fällen nicht. Nach Angaben der maltesischen Finanzaufsicht gibt es derzeit 1616 Firmen mit deutscher Beteiligung. Dem Bundeszentralamt für Steuern wurden seit 2010 allerdings nur von 266 Personen Beteiligungen gemeldet.

EU-Kommission fordert mehr Transparenz

Allein in der EU gehen den öffentlichen Kassen laut Schätzungen jedes Jahr eine Billion Euro durch Steuervermeidung verloren. Kritiker wie John Christensen vom Netzwerk für Steuergerechtigkeit fordern seit langem, dass internationale Grossunternehmen veröffentlichen sollen, welche Gewinne sie in welchem Land machen – und wo sie ihre Steuern zahlen. «Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob eine in Deutschland operierende Firma auch dort Steuern zahlt, wo sie gezahlt werden sollten.»

Seit Monaten gibt es dazu auch einen Vorschlag der EU-Kommission. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble wehrt sich auf EU-Ebene allerdings bislang dagegen, dass diese Daten öffentlich gemacht werden. Hauptargument: Das bringe wenig, weil ja alles legal sei.

Red. / Infosperber