RWE Power legt die Kettensäge an den Hambacher Forst Hambacher Forst: Im Herzen der fossilen Bestie

Wirtschaft

16. März 2011

Pünktlich zum „Internationalen Jahr des Waldes 2011“ der UN legt RWE Power die Kettensäge an die letzten 3.000 Ha des ökologisch bedeutenden Hambacher Forsts bei Köln, wobei es sich mindestens um 600.000 Bäume handelt.

Das Braunkohle-Werk «Tagebau Inden» der RWE Power AG.
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Das Braunkohle-Werk «Tagebau Inden» der RWE Power AG. Foto: Bert Kaufmann (CC BY 2.0)

16. März 2011
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Damit schafft RWE Power Fakten und macht Platz für das grösste Loch Europas, den Tagebau Hambach. Bleibt die Frage, ob RWE Power in diesem Frühjahr 2011 alle Bäume nördlich der derzeit noch bestehenden Autobahn A4 abholzt, oder ob sie noch einige Reihen als kosmetischen Sichtschutz auf den Tagebau stehen lassen.

Der Hambacher Forst - Home of the Bechsteinfledermaus

Der Hambacher Forst ist ein ehemals 4500 Hektar grosses Waldgebiet im Rhein-Erftkreis bei Köln, welches in seiner Struktur 12.000 Jahre alt ist und durch einen hohen Anteil an Totholz, Eichen, Winterlinden usw. ein ökologisch sehr wertvollen Lebensraum für eine Fülle von bedrohten Pflanzen- und Tierarten darstellt. Seit 1970er Jahren hat RWE immer mehr Fläche des Hambacher Forsts gekauft, teilweise zum Spottpreis von 50 Pfennig den m² von der Gemeinde Elsdorf, was ein wunderbarer Beleg für die Verfilzung von der RWE mit den lokalen Kommunen darstellt, die die öffentlichen Gemeingüter an den Konzern verscherbeln. Seit des Aufschlusses des Tagesbaus Hambach im Jahre 1978 wurde der Forst Stück für Stück dezimiert.

Von doppelter Ausbeutung und doppelten Profit

Durch die Zerstörung des Hambacher Forsts geht einerseits der Wald als wichtiger CO2-Speicher verloren, anderseits wird ein wichtiger Lebensraum für viele bedrohte Pflanzen- und Tierarten ausgelöscht. Nach der Entwaldung kommt der grösste Bagger der Welt (Bagger 293 mit einer Länge von 225 m) und baggert die Braunkohle ab, um sie anschliessend u.a im naheliegenden Kraftwerk Niederaussem, dem grössten Klimakiller Deutschlands, zu verstromen. Für RWE ist das Ganze ein doppeltes Geschäft. Erst wird an dem Ausplündern des wertvollen Hambacher Forsts mit seinen Eichen, Winterlinden verdient.

Anschliessend verkauft RWE dem Verbraucher zu überhöhten Marktpreisen diesen maximal dreckigen Strom, wobei natürlich die meisten gesellschaftlichen Folgekosten wie Klimazerstörung, Bergschäden, Zerstörung des Wasserhaushalts usw. externalisiert und der Gesellschaft aufgebürdet werden. Klar brüstet sich RWE mit einigen Renaturierung- und Wiederaufforstungsprojekten, doch angesichts der ökologischen und sozialen Zerstörungen, die Teilweise noch gar nicht abzusehen sind, ist dies ein Witz. Im Jahr 2010 machte RWE insgesamt einen Rekordgewinn von 7700 Millionen Euro!

Die Gigantomanie des Rheinischen Braunkohlenreviers

Das Rheinische Braunkohlenrevier ist das Herz des fossilen Kapitalismus rheinischer Prägung. Es war wesentlicher Bestandteil der Autarkiepolitik der Nazis und lieferte nach dem zweiten Weltkrieg die Kohle und Energie für das „Wirtschaftswunder“. Derzeit ist das Rheinische Braunkohlerevier Europas grösster Braunkohlekomplex aus den drei Tagebaugebieten Hambach, Garzweiler und Inden, sowie den Braunkohlekraftwerken Frimmersdorf, Neurath, Niederaussem und Weisweiler und Europas grösster CO2-Emittent. Dabei produzieren allein die drei Kraftwerke Frimmersdorf, Neurath und Niederaussem soviel CO2 wie 25 Millionen Autos pro Jahr.

In diesem Jahr soll zusätzlich das Kraftwerk Neurath II mit 2200 Megawatt ans Netz gehen. Vom Timing her brilliant gab RWE Power während der Klimaverhandlungen in Cancún bekannt, dass das grösste Braunkohlekraftwerk Deutschlands Niederaussem noch um zwei sogenannte BoA-Blöcke mit insgesamt 2200 Megawatt erweitert werden soll. Niederaussem wäre dann das grösste Kohlekraftwerk der Welt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich RWE so verhält, als würde es den Klimawandel gar nicht geben und betreibt eine aggressive Expansion seines Kraftwerkparks mit dem nachweislich dreckigsten aller Energieträger: Braunkohle.

Kampf um die Energiewende: Endgegner RWE

RWE steht für ein autoritäres Herrschafts- und Produktionsmodell aus vergangenen Zeiten. Früher war der Braunkohletagebau eine Quelle von Wohlstand auf Kosten der Natur, der Menschen im globalen Süden und zukünftigen Generationen. Heute wurden massiv Arbeitsplätze abgebaut und RWE steht mit seinen zentralisierten Grundlastkraftwerken der Energiewende entscheidend im Weg. Dabei verfügt RWE über ein sehr enges und effektives Netzwerk, mit Verfilzungen von den Kommunen, den Medien bis in die höchste Politik. Der Toplobbyist von RWE, sein Vorstandsvorsitzender Jürgen Grossmann, der auch schon massgeblich hinter der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke stand, spielt auf Zeit und möchte einen Systemwechsel im Bereich der Energieversorgung so lange wie möglich verhindern.

Da Steinkohlekraftwerke zunehmend unwirtschaftlicher werden und heimische Braunkohle noch in gigantischen Mengen in Deutschland vorliegt, ist es strategisch von entscheidender Bedeutung für eine Energiewende den Braunkohletagebau und die Braunkohleverstromung zu stoppen. Nur wenn es gelingt die Macht der Stromkonzerne insbesondere von RWE zu brechen, das heisst, die Energieversorgung auf Basis der Erneuerbaren zu rekommunalisieren, wird es auch die Schliessung des Rheinischen Braunkohlereviers und den Atomausstieg geben. In diesen Systemkonflikt müssen wir auf echte Demokratie setzen gegen eine Politik im Burschenschaftsstil à la Grossmann (Corps Montania Clausthal).

Die juristische Grundlage der Ausbeutung von Tagebauen

Nicht nur das autoritäre und panternalistische Produktionsmodell ist von Gestern, sondern ebenso die juristischen Grundlagen, die dieses autokratische Verwertungsregime ermöglichen: das Bergrecht.

Die Belange von Mensch und Umwelt werden durch das Bundesberggesetz (BBergG) weitgehend ausgeblendet. Das Bundesbergrecht in seiner heutigen Form ist juristisch antiquiert und aus umwelt-, klima- und energiepolitischer Sicht destruktiv. Teile der Reichsgesetzgebung, die in den Dreissiger und Vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts als „Kriegsertüchtigungsgesetz“ gestaltet wurden, sind bis heute Bestandteil des Bergrechts. Es räumt Bergbauvorhaben fatale Sonderprivilegien gegenüber anderen Rechten ein, ohne auf gesellschaftliche Belange Rücksicht zu nehmen.

In juristischen Auseinandersetzungen ziehen die Betroffenen häufig den Kürzeren und die Abbau-Unternehmen bekommen Recht. Somit ist die alte Nazigesetzgebung immer noch die Basis für heutige Rechtsprechung - Bergrecht bricht Grundrecht. Dies trifft z.B. Opfer des Bergbaus, die von Bergschäden (Zerstörung von Gebäuden) betroffen sind. Dabei ist das Bergrecht auch für viele andere Energiekämpfe relevant wie z.B. beim sogenannten Fracking, der unkonventionellen Gasförderung mittels in den Untergrund gepresster Chemikalien, welche grosse Gefahren für das Trinkwasser birgt. Um RWE zu stoppen und eine Energiewende durchzusetzen ist die Änderung des Bergrechts ein wichtiger Baustein.

Was ging letztes Jahr im Rheinischen Braunkohlerevier?

Widerstand gegen Rheinbraun und später RWE hat es immer gegeben. So haben sich ganze Gemeinden geschlossen gegen Abbaggerung und Schleifung der Dörfer gewehrt, Probebohrungen verhindert usw. doch doch Rheinbraun/RWE hat u.a. dank des Bergrechts immer den längeren Atem, die dort lebenden Menschen fast immer das nachsehen gehabt.

Auch gab es schon in der 1980er Bemühungen zum Schutz des Hambacher Forsts, doch den Verfilzungen von RWE bis in die höchste Politik konnte der regionale Widerstand nicht viel entgegensetzen, da ihm die überregionale Vernetzung und Unterstützung fehlte. Die letzte grosse Demo im Rheinischen Braunkohlerevier gab es 2007 mit ca. 3.000 Teilnehmenden gegen den Neubau des Braunkohlekraftwerks Neurath II, welche von der Klimaallianz NRW organisiert wurde. 2008 liess sich der BUND pressewirksam von seiner eigenen Obstwiese räumen, da diese der Abbaggerung im Gebiet Garzweiler II im Weg war.

2010 war ein interessantes Jahr, da sich durch das Klimacamp der BUND Jugend in Borschemich (Garzweiler II) und der Grube-gräbt-Kampagne (u.a. K!BN, Attac Köln, ASJ Bonn), welche einen Gleisanschluss eines Kohlebunkers vom Kraftwerk Niederaussem blockierte, mehr überregionaler Basiswiderstand gegen das Rheinische Braunkohlerevier aktiv war. Dies gilt es nun weiter auszubauen und zusammen mit den regionalen Bürgerinitiativen eine überregionale Antibraunkohlebewegung aufzubauen, die eine strategische Wichtigkeit beim Erkämpfen der Energiewende hat.

Wie geht es im Kampf gegen RWE und das Rheinische Braunkohlenrevier weiter?

Ein wichtiges Ziel wird auf jeden Fall das strömungsübergreifende Klimacamp vom 26.08.-04.09. 2011 im Rheinischen Braunkohlerevier sein. Davor werden sich KlimacampaktivistInnen weiter mit regionalen Bürgerinitiativen vernetzen und ggf. noch die eine oder andere kleine Aktion zusammen durchführen. Auch soll das Camp internationaler ausgerichtet sein und AktivistInnen in den angrenzenden Niederlanden und Belgien ansprechen, um so einen grenzüberschreitenden Widerstand gegen Europas grössten Klimakiller zu ermöglichen.

cja-os