Off topic: Eurokrise revisited Wie geht es eigentlich Portugal?

Wirtschaft

5. Oktober 2016

Man erinnere sich: 2011 stand Portugal am Rande der Zahlungsunfähigkeit und wurde mit den Stützungsfonds der EZB und Auflagen der Troika mit Kredit unterfüttert.

Der profitable Teil der Espirito Santo Bank firmiert seit dem Zusammenbruch am 4. August 2014 unter dem Namen Novo Banco, sie gilt als
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Der profitable Teil der Espirito Santo Bank firmiert seit dem Zusammenbruch am 4. August 2014 unter dem Namen Novo Banco, sie gilt als "gute Bank" - trotzdem findet sich kein Käufer. Foto: / Threeohsix (CC BY-SA 4.0 cropped)

5. Oktober 2016
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2014 vermeldeten die Medien erfreut, dass die Sache durchgestanden ist:

„Das 78 Milliarden Euro schwere Rettungsprogramm, das das hochverschuldete, krisengeschüttelte Land im April 2011 vor der Pleite bewahrte und seitdem finanziell am Leben erhielt, ist nun offiziell beendet.“ (Spiegel, 17.5. 2014)

Die Beendigung des Programms fand dergestalt statt, dass statt Troika und Rettungsfonds die EZB alleine die Stützung des portugiesischen Staatskredits – über Aufkauf von Staatsanleihen von den Banken – übernommen hat. Dadurch gelang es, die Zinsen niedrig zu halten und von der portugiesischen Regierung, den EU- und Euro-Verantwortlichen und den Medien wurde stolz verkündet, dass Portugal jetzt wieder aus dem Schneider ist und sich selbst finanzieren kann. Der nächste „Erfolg“ nach dieser Übernahme durch die EZB – und eigentlich eine direkte Folge derselben – war der Bankrott von Portugals grösster Bank, der BES.

Die BES wurde auch wieder mit Geld der EZB und Garantien seitens der Euroländer saniert bzw. teilsaniert. Darauf kommen wir weiter unten zurück. Das Wesentliche ist hier, dass alle möglichen Manöver eingesetzt wurden, um den portugiesischen Staatskredit nicht weiter zu belasten. Die Gelder, die unmittelbar zum Auffangen der Bank eingesetzt wurden, sind daher als eine verdeckte Schuld Portugals zu betrachten.

Dann gab es 2015 eine konzertierte Aktion zwischen der portugiesischen Regierung und der EU-Spitze::

„Portugal will dem Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Kredit vorzeitig zurückzahlen und sich damit vom Euro-Krisenland Griechenland abheben. »Wir werden dem IWF knapp zwei Milliarden Euro vorzeitig erstatten, um bei den Zinsen zu sparen«, sagte Finanzministerin Maria Luis Albuquerque … »Man braucht uns nur mit einem anderen europäischen Land zu vergleichen, das seine Zahlungen an den IWF nicht vorzieht, sondern sie aufschiebt«, sagte die portugiesische Ministerin.“ (Standard, 7.6. 2015)

Die Botschaft war klar: wenn eine Regierung wie die portugiesische unter Passos Coelho alles brav macht, was ihr von EU, EZB, Troika usw. angeschafft wird, so kann sie ihre Finanzen sanieren und kommt wieder auf Wachstums-Kurs. Das war sowohl für die portugiesische Regierung als auch für die EU-Spitze wichtig, um der griechischen Regierung den Ausnahmecharakter der Misere Griechenlands unter die Nase zu reiben und ihr die Alternativlosigkeit der geforderten Massnahmen klarzumachen. Die portugiesische Regierung hingegen konnte sich nach innen und aussen als vernünftig und erfolgreich präsentieren.

Es findet sich allerdings nirgends ein Hinweis darauf, dass dieser Kredit oder einzelne Tranchen davon tatsächlich vorzeitig zurückgezahlt worden wären. Es handelte sich um eine reine Ankündigung, die bereitwillig von allen Medien aufgegriffen wurde. Einen PR-Akt zur Bekräftigung der Austeritätspolitik, die Deutschland als einzig gangbaren Weg der Bewältigung der Eurokrise betrachtet und durchgesetzt hat. Eine politökonomische Lüge, eine der vielen, die rund um die Euro-Rettung verzapft worden sind und in Zukunft noch ausgestreut werden.

Nach innen hat sich diese Rosstäuscherei nicht bewährt und die konservative Regierung wurde einige Monate später abgewählt. Das ging nicht ganz glatt vonstatten, weil der damalige Staatspräsident unbedingt diese Regierung als Minderheitsregierung vereidigen wollte, unter Bruch der portugiesischen Verfassung.

Die inzwischen gebildete Mitte-Links-Regierung hat es sich zum Ziel gesetzt, den Sparkurs zu verlassen und die Wirtschaft durch öffentliche Investitionen zu stimulieren, ohne Erfolg. Sie hat aber auch keine grossen Möglichkeiten dazu.

1. Die Verschuldung

Die Staatsverschuldung Portugals wird für Ende 2016 auf 136,23 % des BIP geschätzt, Tendenz steigend.

Weder gelingt es Portugal, ein Wirtschaftswachstum hinzukriegen, noch gelingt es, die Staatsschuld zu verringern. Alte Schulden müssen durch neue beglaubigt und laufende Kosten durch weitere Verschuldung gedeckt werden.

Die Schuld der öffentlichen Hand ist darüber hinaus bis heute nicht vollständig erfasst. Es gibt keine verlässliche Aufstellung über die Schulden der Provinzen und Gemeinden und über deren Bedienung.

Dazu kommen die Schulden der privaten Haushalte – Hypotheken, Kreditkarten, Auto-Leasing – und die Schulden der Unternehmen bei Banken, untereinander und durch Anleihen. Der Crash der Espirito Santo Bank hat ahnen lassen, was sich da bei anderen Unternehmen an Aussenständen angesammelt haben könnte. Leute mit gewissem Einblick in das Schuldenkarussell der EU – Notenbanker, Buchprüfer – schätzen, dass der gesamte in Portugal aufgehäufte Schuldenberg denjenigen Griechenlands beträchtlich übertrifft.

2. Der Banksektor

Alle Banken Portugals sind de facto zahlungsunfähig. Sie können nicht durch staatliche Geldspritzen aufgepäppelt werden, weil da würde sich ein Blinder auf einen Lahmen stürzen und der portugiesische Staatskredit wäre endgültig beim Teufel. Fusionierungen würden die Möglichkeit von Crashes nur erhöhen, wie das Beispiel der spanischen Bankia zeigt. Börsengänge sind nicht ratsam, auch hier kann Bankia als Negativbeispiel studiert werden. Sie muss inzwischen auch Entschädigungszahlen für die geprellten Kleinanleger locker machen, da spanische Gerichte entschieden haben, dass bei der Werbekampagne zum Zeichnen der Aktien gelogen wurde, was sich die Balken biegen.

Als erste grosse Entscheidung der neuen portugiesischen Regierung stand die Frage der Sanierung der Banif Bank an.

Sie wurde an die Bank Santander Totta so verkauft, dass der portugiesische Staat sämtliche unsichere Aussenstände übernehmen musste, was das Budget wieder mit einigen Milliarden Euro belastet hat und die Staatsschuld weiter erhöht. Und das, nachdem die neue Regierung mit dem erklärten Vorsatz angetreten war, kein weiteres Geld für Bankenrettungen zur Verfügung zu stellen, sondern stattdessen Konjunkturprogramme in Angriff zu nehmen.

Dazu kommen weitere Aderlässe rund um die Überreste der gekrachten Espirito Santo Bank, wie der davon abgetrennten „guten“ Bank Novo Banco, für die sich kein Käufer findet.

Falls sich einer findet, wahrscheinlich auch nur zu den gleichen Bedingungen wie bei Banif, dass der Staat nämlich die uneinbringlichen Kredite in der Höhe mehrerer Milliarden Euro übernimmt – die seinerzeit, bei der Aufspaltung in eine „gute“ und eine „schlechte“ Bank noch als einbringlich eingestuft worden waren.

Weitere Banken stehen in der Warteschlange …

„Die Staatsschuld, d.h. die Veräusserung des Staats – ob despotisch, konstitutionell oder republikanisch – drückt der kapitalistischen Ära ihren Stempel auf. Der einzige Teil des sogenannten Nationalreichtums, der wirklich in den Gesamtbesitz der modernen Völker eingeht, ist – ihre Staatsschuld.“ (Karl Marx, Das Kapital, 24. Kapitel, S 782)

Amelie Lanier