Die Sanktionen der EU gegen Russland Die Neuordnung des Weltmarkts

Wirtschaft

26. Juli 2014

„Die Europäische Union (EU) hat das erste Paket von Wirtschaftssanktionen gegen Russland geschnürt, die Moskau Verluste um die 10 Milliarden Euro pro Jahr verursachen werden. Für die EU wird nur halb so viel Schaden veranschlagt. “ (El País, 24.7.)

Gasförderanlage von Gazprom in Russland.
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Gasförderanlage von Gazprom in Russland. Foto: PressGPNS (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

26. Juli 2014
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Mit diesen Sanktionen will die EU nur nachziehen, nachdem die USA vorige Woche – nach dem Abschuss, fast zeitgleich, der Malaysian Air-Maschine über der Ukraine – ein umfassendes Sanktionspaket gegen Russland erlassen hat, das russischen staatlichen Unternehmen den Zugang zu den Finanzmärkten der USA entscheidend beschränkt, Investitionen in Russland erschwert bis verunmöglicht, und den Energiesektor sowie die Waffenexporte Russlands empfindlich trifft.

Die USA haben der EU sozusagen ein Ultimatum gesetzt, sich dem anzuschliessen, indem alle Unternehmen der EU, die zumindest 25% US-Beteiligung aufweisen, auf diese Sanktionen verpflichtet werden, andernfalls sie ebenfalls Gegenstand von Sanktionen würden.

„Nach einer Studie von Morgan Stanley waren die neuen Sanktionen gegen Russland eine unangenehme Überraschung für internationale Investoren.“ (Russia Beyond the Headlines, 23.7.)

Diese Sanktionen richten also gewaltigen Schaden in Russland, in der EU und beim internationalen Kapital an und schädigen die Weltwirtschaft insgesamt. Sie reihen sich nahtlos in die inzwischen manifeste Linie der US-Politik ein, wo die eigene Überlegenheit durch Zerstörung aller Konkurrenten und Märkte gesichert werden soll. In diesem Sinne geht sie auch rücksichtslos gegen das eigene Kapital vor und verpflichten es damit darauf, sich in nationalem Sinne, gemäss den Vorgaben der eigenen Politik zu betätigen, auf den amerikanischen Markt zu setzen und sich international aus missliebigen Geschäften und Märkten zurückzuziehen.

Damit ist eigentlich die politische Wende gegenüber Russland zurückgenommen. Damals, in der Ära Jelzin, man erinnere sich, lautete der Tenor der US-Politik, das eigene Kapital solle Russland aufkaufen und aus dem Land herausholen, was nur geht. Die Freude war ungemein, dass man dieses Territorium, das sich der Benützung durch das Kapital verweigert hatte, jetzt erobert hatte und frei benützen konnte. Jetzt ergeht die Aufforderung an das US- und internationale Kapital, sich schleunigst aus diesem Land zurückzuziehen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Diese Sanktionen zwingen Russland dazu, seine ganze Beteiligung am Weltmarkt und ökonomische Ausrichtung zu überdenken. Obwohl seit der Regierung Putins dem Raubkapitalismus aus der Ära seines Vorgängers etwas die Kandare angelegt wurde, hat Russland doch bisher im Rahmen des Möglichen auf Marktwirtschaft, Privateigentum und das Prinzip „Bereichert Euch!“ gesetzt. Herausgekommen ist eine komische Mischung aus Industrie-Oasen, Energiewirtschaft, Industrieruinen, Landwirtschaftsexporten und Waffenproduktion, die nicht mit einer flächendeckenden Kapitalisierung und Kapital-Akkumulation zu verwechseln ist, und den Staat in der undankbaren Rolle des Lückenbüssers belässt, der immer wieder mit seinem Kredit einspringen muss, um Teile seiner Wirtschaft aufrechtzuerhalten.

Wenn jetzt Russland sein Aussenhandel drastisch beschränkt bzw. verunmöglicht wird, so ist es genötigt, wieder mehr im Inland zu produzieren, um als Nationalökonomie zu bestehen, und das kann niemand anderer unternehmen, als der Staat selbst. Russland hat alle Rohstoffe, es hat die landwirtschaftlichen Nutzflächen, die Arbeitskräfte und das Know-How. Das einzige, was zu überwinden wäre, sind die inzwischen grossflächig verbreiteten und geglaubten Ideologien über die Segnungen der Marktwirtschaft und des Privateigentums.

Die EU schliesslich steht endgültig als der Blöde da. Ihre Ambitionen, die USA durch Zusammenschluss wirtschaftlich zu überholen, sind durch die neueren Entwicklungen zunichte gemacht worden. Es bleibt augenscheinlich wenig anderes übrig, als sich wieder als Juniorenpartner hinter die USA zu stellen und nach deren Pfeife zu tanzen. Die Sanktionen gegen Russland, die bald beschlossen werden sollen, werden die Rezession in der Eurozone verstärken und die Gegensätze innerhalb der EU verschärfen.

Die Feindschaftserklärung der USA gegenüber Russlands geht inzwischen über diejenige des Kalten Krieges hinaus: damals lieferten Krupp und Thyssen Rohre für Pipelines in die SU, um an das sowjetische Gas zu kommen – inzwischen soll das Liefern aller Technologie für die Energiegewinnung aus der EU nach Russland verboten werden.

Dazu kommt der Konflikt in und um die Ukraine, der immer noch Weltkriegspotential hat und ausserdem der EU-Ökonomie herbe Verluste beschert und weiter bescheren wird. Auch das ist ein Teil der Politik der USA, die von der Zerstörung ihrer Konkurrenten profitieren wollen.

Amelie Lanier