Das Schwanken der Giganten Das internationale Finanzkapital

Wirtschaft

6. November 2015

Bis 2008 floss Kredit reichlich und wurde als Wachstumsmotor geschätzt, befördert und gelobt. Und ganz verabschiedet haben sich die Politiker und Ideologen in Medien, Universitäten und Think Tanks von dieser Vorstellung noch immer nicht.

Das internationale Finanzkapital.
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Das internationale Finanzkapital. Foto: August Brill (CC BY 2.0 cropped)

6. November 2015
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Kredit soll sein und muss sein, und alle sind seit 7 Jahren damit beschäftigt, weiterhin den Kredit schönzureden und sich Kredit für ihre Ziele zu beschaffen, während man die Unkosten des gescheiterten Kredits gerne auf andere abwälzen möchte.

Kredit ist Anspruch auf zukünftigen Gewinn, der seit geraumer Zeit nur mehr durch weiteren Kredit generiert wird, nicht durch wirklich gelungene Geschäfte.

Den ständig wachsenden Kreditberg schieben Staaten, Banken und Finanzdienstleister in immer schlechterem Einverständnis miteinander vor sich her, und hofften lange Zeit vermutlich, dass irgendein Wunder geschehen und die Konjunkturlokomotive von irgendwoher hereinrattern würde, oder sich in einer Felswand ein Safe öffnen, die ganzen faulen Kredite inhalieren und als Gold oder Diamanten, also echte und wahre Werte wieder ausspucken möge. Man verzeihe das blumige Bild, aber die Verlautbarungen von Bankchefs, Politikern und Wirtschaftswissenschaftlern klangen in den letzten Jahren alle so, als ob so ein Wunder geschehen, ein deus ex machina den ganzen Schulden-Saustall auskehren würde.

Ewig lässt sich dieser naive Kinderglaube aber nicht aufrechterhalten und auch nicht endlos der Menschheit solchermassen ein X für ein U vormachen. Irgendwann glaubt niemand mehr den Experten und schon gar nicht glauben die Akteure des Finanzsektors die Zwecklügen, die einem die Kollegen auftischen.

Es steht also eine Bereinigung an, und die wird nun von verschiedenen Institutionen und Geldinstituten in Angriff genommen. Was dabei herauskommt, lässt sich nicht abschätzen, klar ist jedoch, dass irgendwo abstrakter Reichtum = Zahlen auf Konten gestrichen werden müssen, weil sich die Behauptung, sie würden Wert repräsentieren, nicht länger aufrechterhalten lässt. Und dadurch alle Reichtumstitel, Aktiva, sogar das Geld selbst in Verruf geraten ist und jetzt irgendwie wieder vertrauenswürdig gemacht werden sollen.

Schuldenstreichung – für Griechenland nein, für die Hypo Alpe Adria schon?

So steht in Österreich seit geraumer Zeit eine Bankruine namens Hypo Alpe Adria herum, die irgendwie abgebaut werden soll. Das Hauptproblem ist, dass diese Bank in ihren besseren Zeiten Bankanleihen ausgegeben hat, die – weil sie etwas höher verzinst waren als vergleichbare Anleihen im deutschsprachigen Raum, aber als völlig solid galten – von diversen grossen deutschen Banken und anderen Instituten gekauft wurden. Entweder diese Anleihen werden vom österreichischen Staat, der inzwischen Eigentümer der Hypo ist, bedient, d.h. der österreichische Staat muss aus seinem Budget die Gewinnansprüche von aus- und inländischen privaten Geldinstituten bedienen und dafür seinen eigenen Staatskredit strapazieren.

Um das zu vermeiden, soll hier eine Schuldenstreichung und ein Vergleich stattfinden. Verhandlungen und Klagen sind unterwegs. Es handelt sich um eine Summe von 10-15 Milliarden, und um einen Präzedenzfall: Eine mit Garantien des Bundeslandes versehene und von der staatlichen Aufsicht als gesund eingestufte Bank gibt Anleihen aus, die sie einige Jahre später nicht mehr bedienen kann und die der Staat nicht übernehmen will. Da die Hypo nicht die einzige Bank ist, die dergleichen gemacht hat, könnten andere Institute bzw. Regierungen ebenfalls einen solchen Haircut vornehmen, was die Aktiva der Banken, die aus solchen von anderen Banken ausgegebenen Wertpapieren bestehen, ziemlich alt aussehen liesse. Und man täusche sich nicht über den Umfang solcher Bankanleihen in den Depots: sie wurden munter ausgegeben, und ebenso heftig gekauft und den Bankschätzen einverleibt, weil sie neben Staatsanleihen als sicherste AAA-Anlage galten.

Die UniCredit verändert sich

Die grösste bzw. zweitgrösste italienische Bank, die sich vor der Krise mit der deutschen Hypo-Vereinsbank auch die grösste österreichische Bank einverleibt hat, will diese mehr oder weniger zusperren. Ausserdem machen Gerüchte die Runde, dass sich die UniCredit in Italien mit der anderen Grossbank, Intesa Sanpaolo und einem dritten Geldinstitut fusionieren will.

Das wäre eine Elefantenhochzeit, der nicht wie vor 10 Jahren eine Expansionsstrategie zugrundeliegt, sondern im Gegenteil, ein (vermeintliches) Gesundschrumpfen mit jeder Menge Entlassungen, Filialschliessungen usw. So in der Art, aus 2 Elefanten wird 1 Nashorn. Das wird schon den Kredit in Italien selber stark einschränken.

Was die vom Abbau bedrohte Bank Austria betrifft, so hatte die viel Engagement in den ehemals sozialistischen Staaten, das in Zukunft von Italien aus betreut und vermutlich auch stark reduziert wird. Das bedeutet, dass der Kredit dort ziemlich auf die heimischen Kreditquellen beschränkt werden wird. Das heisst wiederum, dass die allgemeine Zahlungsfähigkeit in Staaten wie Ungarn, Rumänien, der Slowakei, den Nachfolgestaaten Jugoslawiens usw. weiter zurückgehen wird, was sie als Märkte wenig leistungsfähig machen wird, – was wiederum diverse EU-Firmen vor allem in der Sphäre des Handelskapitals spüren werden, die dort präsent sind.

Die Deutsche Bank will abspecken

Die Deutsche Bank, immerhin auch eines der grössten Finanzinstitute Europas, gab unlängst einen Rekordverlust von 6 Milliarden Euro nur für das noch gar nicht zu Ende gegangene Jahr 2015 bekannt, Streichung der Dividendenauszahlung und eine drastische Einschränkung der Geschäftstätigkeit, was Filialschliessungen, Entlassungen und den Rückzug aus 10 Ländern beinhaltet, darunter auch denjenigen aus dem EU-Mitglied und Nachbarstaat Dänemark. Die DB war eine der Stützen des Euro – dank ihrer Kreditierung innerhalb der EU wurde Zahlungsfähigkeit, Immobilienblasen und Vertrauen in diese Währung geschaffen. Ihr Rückzug bedeutet daher einen Volumens- und Prestigeverlust für die europäische Einheitswährung.

Der IWF weiss nicht, was er mit der Ukraine machen soll

Die Ukraine ist praktisch pleite, wird aber mit IWF- und anderen Krediten über Wasser gehalten, weil sich einen Bankrott der Ukraine aus politischen Gründen niemand leisten will. Daraus könnte man ersehen, was es einem Land bringt, sich der EU und den USA um den Hals zu werfen, was das weltweite Prestige und damit auch den Einfluss dieser Mächte sehr einschränken könnte. Das Über-Wasser-Halten der Ukraine um jeden Preis hat aber auch ökonomische Gründe, weil viele europäische, vor allem deutsche und österreichische Banken ukrainische Staatspapiere halten, die nach der Orangen Revolution und dem IWF-Kredit von 2008 als vergleichsweise hoch verzinste Wertpapiere von vielen Instituten gekauft wurden.

Manche IWF-Mitglieder, vor allem aus den BRICS-Staaten, aber auch Kanada, sind eher ungehalten über die Kreditierung von Pleitestaaten wie Griechenland und der Ukraine, und der IWF verliert mit dieser Politik zusehends an Boden, weil er als Garantiemacht der Kreditwürdigkeit von Staaten nicht mehr glaubwürdig ist.

Wenn jetzt die Ukraine ihren im Dezember fälligen Kredit an Russland nicht tilgt und der IWF das nicht als Bankrott einstuft, sondern meint: Schwamm drüber! – so kommt das einer Bankrotterklärung des IWF gleich, und was das wieder für Folgen für die Eurokrise haben könnte – schliesslich garantiert der IWF mit seiner Aufsicht für die Gültigkeit der griechischen und portugiesischen Staatsschuld …

Null- und Negativzinsen und Geldschwemme allerorten

Mit der Niedrig- bis Nullzins-Politik der EZB und Fed haben die grossen Notenbanken klargestellt, dass ihre Geldinstitute sich bei ihnen unbegrenzt Kredit holen können. Diese Geldpolitik führt einerseits dazu, dass es unbegrenzte Mittel zum Ankauf von Staatsanleihen gibt, wovon in der EU Krisenstaaten wie Spanien, Italien oder auch Frankreich profitieren, von deren Kreditnöten man in letzter Zeit nichts liest. Es führt aber auch dazu, dass sich Banken, Versicherungen und Pensionsfonds in sehr riskante Spekulationen einlassen, weil man nur dort halbwegs gute Renditen erzielen kann.

Der Umstand, dass der Geldhahn so weit geöffnet wurde und vor allem zum Ankauf öffentlicher Schuld geführt hat, hat Besorgnis hervorgerufen, ob das nicht wieder die Banken destabilisieren könnte, die in ihren Portfolios soviel Staatsanleihen herumliegen haben. Die Wackelstaaten wollen keine Regulierung, um sich weiter verschulden zu können. Deutschland, unterstützt von Schweden hingegen versucht seinen Einfluss bei den Basel-Richtlinien geltend zu machen, um den Anteil der Staatsanleihen in den Bankportfolios zu beschränken – sie sehen einen hohen Anteil an Staatsanleihen als „riskant“ an.

Man fragt sich, welche Art von Wertpapieren das Risiko für die Banken verringern sollen? VW-Aktien?

Amelie Lanier