Das Freihandelsabkommen mit Kanada Wer Trump ablehnt, muss CETA nicht gut finden!

Wirtschaft

15. Februar 2017

Die Befürworter/innen des Freihandelsabkommens versuchen CETA als ein liberales Bollwerk gegen den neuen US-Präsidenten zu verkaufen. Doch die neoliberale Handelspolitik könnte die Trumpisten in Europa sogar noch befeuern.

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau mit US-Präsident Donald Trump am 13. Februar 2017 bei einem Treffen im Weissen Haus.
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Der kanadische Premierminister Justin Trudeau mit US-Präsident Donald Trump am 13. Februar 2017 bei einem Treffen im Weissen Haus. Foto: Office of the President of the United States (PD)

15. Februar 2017
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Trump ist ein Frauenverachter, tritt die Rechte von Minderheiten und die Pressefreiheit mit Füssen, verleugnet den Klimawandel und vertraut in manchen Fragen lieber auf Putin statt auf seine Berater/innen oder wissenschaftliche Erkenntnisse. Das löst bei vielen zu Recht massiven Unmut und Entsetzen aus.

Es ist gut und richtig, sich kritisch mit der Politik des neuen US-Präsidenten auseinander zu setzen. Deshalb müssen wir trotzdem nicht reflexartig alles verteidigen, womit Trump bricht. Dazu gehört der Neoliberalismus oder noch konkreter die vom Neoliberalismus in den letzten Jahrzehnten praktizierte Form von Freihandel.

Neoliberaler Freihandel zielt darauf ab, nicht nur Zölle abzubauen, sondern auch staatliche Regeln für die Privatwirtschaft zurückzudrängen, kurz: die Deregulierung. Doch wo die Macht von Staaten zurückgedrängt wird, wächst die Macht vor allem transnationaler Unternehmen. Sie können sich einer gerechten Besteuerung entziehen, dort produzieren, wo die geringsten Umwelt- und Sozialstandards herrschen und die Löhne am niedrigsten sind. Das löst ein Gefühl der Machtlosigkeit, des Kontrollverlustes aus, das die Nationalisten befeuert. Handelsabkommen wie CETA sind also eine Ursache für Trump, AfD und Brexit. Sie taugen nicht als Gegengift.

Das Konstrukt Liberale vs. Trumpisten taugt nicht

Die Befürworter/innen einer neoliberalen Freihandelspolitik versuchen trotzdem mit allen Mitteln so weiter zu machen wie bisher und CETA gegen allen Widerstand durch die Ratifizierung zu peitschen. Ihre neueste Erzählung: CETA sei ein liberales Bollwerk gegen Trump. Verkörpert wird dies durch den charmanten und charismatischen Justin Trudeau. Der kanadische Premier wird extra eingeflogen, wenn das Europäische Parlament am 15. Februar über das EU-Kanada-Abkommen CETA abstimmt. Ein geschickter Schachzug, denn Trudeau gilt als das nordamerikanische Gegenteil von Trump: liberal, feministisch, jung und gutaussehend.

Das ist natürlich arg konstruiert. Dass der liberale Trudeau CETA gar nicht ausgehandelt hat, sondern weitestgehend sein rechts-konservativer Vorgänger Harper, wird gerne ausgeblendet. Ebenso, dass Trudeau gerade mit Trump über die Keystone XL-Pipeline für klimaschädliches Teersand-Öl ins Geschäft gekommen ist. Es sei auch erwähnt, dass Liberalismus und Freihandel nicht das gleiche sind und selbst renommierte Wirtschaftswissenschaftler wie Krugman, Stiglitz und Piketty zuletzt Kritik am Freihandel übten. Keiner von ihnen ist ein Befürworter von Trump.

CETA würde US-Unternehmen nützen

Doch es gibt noch einen weiteren Grund, warum CETA keine Antwort auf Trump ist. CETA würde US-Konzerninteressen nutzen, und zwar auf eine sehr einseitige Art. Durch CETA bekommen rund 40.000 US-Konzerne über Tochterunternehmen in Kanada das Recht, die Investor-Staat-Streitschlichtung anzurufen, wenn sie ihre Profite in Europa durch staatliche Massnahmen in Gefahr sehen. Wenn sich ein europäischer Investor in den USA diskriminiert sieht, kann er die US-Regierung hingegen nicht verklagen. Ironischerweise wird damit das Prinzip “America First” in die Praxis umgesetzt - ganz ohne das Zutun von Trump.

Auch in der Agrarwirtschaft dürften sich US-Unternehmen die Hände reiben, wenn CETA kommt. Die nordamerikanische Fleischindustrie ist dank NAFTA stark verschmolzen und verfolgt traditionell eine sehr ähnliche Agenda. So verklagten Kanada und die USA zusammen die EU bereits zweimal vor einem WTO-Schiedsgericht. Einmal ging es um die Einfuhr von Hormonfleisch, das anderes Mal um gentechnisch veränderte Lebensmittel. Beide Male stellte Kanada ganz gezielt das in der EU praktizierte Vorsorgeprinzip in Frage.

Kein Wunder also, dass dieses jetzt in CETA erheblich eingeschränkt wird - nicht nur zum Vorteil von kanadischen, sondern auch von US-Unternehmen, die seit Jahren versuchen, das europäische Vorsorgeprinzip auszuhebeln. US-Agrarkonzerne könnten ausserdem profitieren, indem sie ihr Geschäft in Kanada ausbauen, um von den kanadischen Einfuhrquoten für Rind- und Schweinefleisch nach Europa zu profitieren.

CETA muss gestoppt werden!

CETA als geopolitischer Schachzug gegen Trump taugt also nichts. Eine grundlegende Reform des Welthandelssystems wäre dafür nötig. Fairer Handel statt freier Handel, d.h. internationale Kooperation, die den Standort- und Steuerwettbewerb beendet, mehr soziale Gerechtigkeit schafft, den Klimawandel aufhält und eine ausgeglichene Handelsbilanz belohnt. Stattdessen beharren die EU-Kommission und andere CETA-Befürworter/innen auf dem alten System. CETA bedeutet ein “weiter so” in der Handelspolitik - und leider wird das die Trumpisten in Europa weiter befeuern. Auch deshalb heisst es, CETA stoppen!

Cornelia Reetz
boell.de

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-ND 3.0) Lizenz.