Chinesische Kredite als rettender Strohhalm? Argentinien, der Weltmarkt und das Welt-Finanzsystem

Wirtschaft

19. August 2015

Die argentinische Präsidentin hat sich im Februar dieses Jahres einen Scherz über die chinesische Aussprache erlaubt, der zwar in sozialen Netzen Entrüstung hervorgerufen, die chinesische Führung hingegen völlig kalt gelassen hat.

Ein Bündel argentinischer Pesos-Banknoten.
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Ein Bündel argentinischer Pesos-Banknoten. Foto: Alex Proimos(CC BY-NC 2.0 cropped)

19. August 2015
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Im System der Eroberung des Weltmarktes durch China, der schrittweisen Aufpäppelung des Yuan zur Weltwährung ist Argentinien ein viel zu wichtiger Baustein, um durch das lose Mundwerk eines etwas ausgeflippten Staatsoberhauptes die gegenseitigen Beziehungen gefährden zu lassen.

Im Juli 2014 wurde durch den Beschluss eines New Yorker Richters der gesamte Schuldendienst Argentiniens, der auf noch unter Néstor Kirchner geschlossenen Vergleichen mit der Mehrheit der Gläubiger beruhten, hinfällig. Noch vor Ende des Monats eröffnete China Argentinien einen Swap-Kredit über 7,5 Milliarden Dollar, der im Herbst 2014 noch erweitert wurde. Dieser Kredit wird in Yuan und Peso abgerechnet, aber nach Bedarf in Dollar ausgezahlt. China stellt damit Argentinien einen Teil seiner Devisenreserven zur Verfügung und nimmt dafür 6% Zins, was auf den heutigen Finanzmärkten ein gutes Geschäft für China bedeutet, aber auch für Argentinien weitaus bessere Konditionen als es z.B. vor dem Bankrott 2001 enthält. Argentinien plant dafür u.a. Kraftwerksprojekte, um seine Abhängigkeit von Energie-Importen zu verringern.

Das Besondere an diesem Kredit ist erstens, dass hier eine beträchtliche Summe an den Weltbörsen und dem IWF vorbei verliehen wird. Zweitens ist zwar der Dollar noch im Spiel, aber nur als eine Art Monopoly-Geld, das Argentinien für Währungspflege und den Handel mit anderen Ländern zur Verfügung gestellt wird.

Der Yuan-Kreditrahmen bezieht sich nämlich drittens auch auf Einkäufe Argentiniens in China – fungiert also gleichzeitig als eine Art Exportstützungs-Kredit für Chinas Industrie. China ist inzwischen nach Brasilien der grösste Handelspartner Argentiniens. Im Rahmen von solchen Krediten, wie sie nicht nur an Argentinien vergeben werden, modernisiert China auch seit Jahren Infrastruktur, wie die Eisenbahnnetze, die unter den Jahrzehnten der IWF-Auflagen überall in Lateinamerika eingestellt wurden oder wirklich auf dem letzten Loch pfiffen:

„80 Milliarden US-Dollar hat China im vergangenen Jahr“ (d.h. 2013) „für Infrastruktur-Projekte in Lateinamerika gegeben, 13 Prozent des Geldes, das das Land weltweit verteilt. Das ist mehr als die Weltbank und die Interamerikanische Entwicklungsbank zusammen an die Region verliehen haben.“ (Die Zeit, 24.5. 2014)

Was heisst das für die Weltwirtschaft? Es heisst, dass wachsende Teile des Weltmarktes den bisherigen Weltwährungen entzogen werden. Sowohl im Handel, als auch in der Sphäre des Finanzkapitals. Im Falle eines schrumpfenden Volumens aufgrund von Rezession bedeutet das echte Einbussen für Dollar und Euro.

Die chinesische Entwicklungsbank als IWF-Konkurrenz des BRICS-Systems kann dabei nicht nur auf verlässliche Handelspartner zurückgreifen und gute Zinsen lukrieren, sondern verschafft der chinesischen Wirtschaft einen mit eigener Zahlungsfähigkeit gestifteten Markt. Gleichzeitig stellt die 6%-Verzinsung auch klar, dass es nicht ratsam ist, die Schulden bei China ins Unermessliche wachsen zu lassen. Ein EU-Szenario will China nicht, die Kredite sollen auch regelmässig getilgt werden. Ob und wie sehr sich das bewährt, ist noch nicht heraussen, da das chinesische bzw. BRICS-Kreditierungssystem erst am Anfang steht.

Für Argentinien bedeutet der chinesische Kredit den rettenden Strohhalm, um wieder an internationale Zahlungsmittel zu kommen, für die Wirtschaft unabdingbare Importe tätigen und den Verfall der eigenen Währung bremsen bzw. steuern zu können.

Eine wirkliche Erfolgsstory ist das für Argentinien allerdings nicht. Bisher hat es zwar irgendwie seine Nationalökonomie am Laufen gehalten, ein Wirtschaftswachstum kriegt es jedoch nicht hin, und die Sozialprogramme zur Abfederung des schlimmsten Elends haben nach wie vor den Charakter einer Not- und Hungerhilfe. In einem Land, dessen Haupt-Exportgüter aus Agrarprodukten bestehen, hat ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung Schwierigkeiten, an die notwendigsten Nahrungsmittel heranzukommen.

Ausserdem ist Argentinien zu einem grossen Drogen-Umschlagplatz geworden, zu einem Transitland für Kokain, zu einem Produzenten und Exporteur von synthetischen Drogen, und darauf aufbauend zu einer grossen Geldwäschemaschine für Gelder aus dem Drogenhandel, was wiederum die Bauindustrie beflügelt hat. Die argentinische Regierung scheint dem nicht wirklich Widerstand entgegensetzen zu wollen – schliesslich kommt über diese informelle Ökonomie auch viel Geld ins Land und zirkuliert hier. Das wird von Kritikern im In- und Ausland als Korruption und Bereicherungssucht der herrschenden Elite angeprangert, steht aber in unmittelbarem Zusammenhang mit den trostlosen Alternativen, die der Welthandel Argentinien bietet.

Die Verflechtung der argentinischen und chinesischen Ökonomie ist so bedeutend, dass sich argentinische Ökonomen bereits Sorgen machen, wie die jüngste Abwertung des Yuan Argentiniens Wirtschaft treffen könnte.

Amelie Lanier