Das weltweite Kreditsystem wackelt wieder einmal Argentinien am Scheideweg

Wirtschaft

23. Juni 2014

Vor einigen Tagen hat das zuständige Gericht in New York definitiv beschlossen, dass Argentinien seine Kläger befriedigen und die Schuld bei ihnen begleichen muss.

Jachthafen von Buenos Aires in der Nacht.
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Jachthafen von Buenos Aires in der Nacht. Foto: Luis Argerich (CC BY 2.0 cropped)

23. Juni 2014
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Argentinien müsste sofort 1,5 Milliarden Dollar an die Hedgefonds auszahlen, die seinerzeit – 2001 und 2002 – die völlig entwerteten argentinischen Staatsanleihen zu einem Bruchteil ihres Nominalwertes aufgekauft hatten und jetzt zum vollen Nominale ausgezahlt bekommen wollen.

1. USA GEGEN EUROPA, SPEKULATION GEGEN ANLAGE

Dass ein amerikanisches Gericht – New York war ja seinerzeit als Gerichtsstand festgelegt worden, um das Vertrauen der Gläubiger in die argentinischen Staatsanleihen zu stärken – dieser Klage recht gibt, hat nicht nur ökonomische, sondern auch politische Gründe. Die Folgen sind auf beiden Gebieten nicht absehbar.

Wenn nämlich Argentinien diese 1,5 Milliarden nicht zahlt – was absehbar ist –, so ist die gesamte Umschuldung hinfällig, d.h., der Vergleich, den Argentinien mit dem Rest seiner Gläubiger geschlossen hat. Das waren – neben den argentinischen Geldinstituten – grösstenteils private und institutionelle Anleger in Europa, die ihre Gelder in den vermeintlich sicheren und vergleichsweise hoch verzinsten argentinischen Anleihen angelegt hatten. Sie haben ohnehin auf einen guten Teil ihrer Forderungen verzichtet, um wenigstens noch ein Drittel derselben zu erhalten. Jetzt sind auch diese Auszahlungen gefährdet. Das hat Auswirkungen auf den europäischen Kreditsektor, weil Banken, Pensionsfonds und Versicherungen gegebenenfalls weitere Abschreibungen vornehmen müssen.

2. ARGENTINIEN IST WEITERHIN PLEITE

Argentinien hat es bis heute nicht geschafft, wieder an die internationalen Kreditmärkte zurückzukehren. Mit diesem Urteil vom Montag rückt diese Möglichkeit in weite Ferne. Selbst wenn Argentinien irgendeinen Vergleich mit den Hedgefonds schliesst, um seine Schuld in Raten abzustottern, so ist dadurch ja gerade seine Zahlungsfähigkeit weiter geschrumpft, und damit seine Kreditwürdigkeit. Argentinien ist also nach wie vor auf seinen internen Kredit angewiesen, und der Peso ist dadurch weiterhin absturzgefährdet und nur eingeschränkt konvertibel. Der ganze Aussenhandel Argentiniens ist also gefährdet, und es könnte zu ernsthaften Versorgungsengpässen bei Gütern kommen, die nicht in Argentinien selbst hergestellt werden.

Verständlich, dass die argentinische Regierung angesichts dieser Situation nach Auswegen gesucht hat und auch fündig geworden ist:

3. ARGENTINIEN SUCHT UM AUFNAHME IN DIE BRICS AN

Die BRICS-Staaten sind über die Perspektive, sich um Argentinien zu erweitern, sehr erfreut. Vor allem Indien macht sich dafür stark und erwartet sich eine Belebung des Warenaustausches. Die BRICS wären auch willens und fähig, Argentinien finanziell unter die Arme zu greifen:

„Für Argentinien selbst würde die Vereinigung mit den BRICS den Erhalt von finanziellen Mitteln zu weitaus vorteilhafteren Bedingungen als denjenigen bedeuten, die derzeit von internationalen Organisationen verfügbar sind. Buenos Aires wird auch von dem Umstand angezogen, dass sich die Führer dieses Blocks 2013 darauf geeinigt haben, einen Reservefonds von 100 Milliarden $ für den Fall der Instabilität der Märkte und zur Unterstützung der Bilanzierung in nationalen Währungen anzulegen.“ (Izvestija, 13. Mai 2014)

Während Indien sich einen Aufschwung des Handels erwartet, ist China vor allem an der Lebensmittelproduktion und den Möglichkeiten, die diese bietet, interessiert. Russland würde vor allem politisch gewinnen, da sich die argentinische Regierung beim Anschluss der Krim dezidiert für die Legitimität des Referendums ausgesprochen und auf die Falklands verwiesen hat, wo im März 2013 eine sehr lächerliche Volksabstimmung stattgefunden hat, die international problemlos anerkannt wurde.

Es gibt übrigens auch noch andere Staaten, die in der Warteschlange für einen BRICS-Beitritt stehen, weil sie aus unterschiedlichen Gründen mit der Globalisierung schlecht gefahren sind und sich von diesem Block positive Entwicklungen erwarten: der Iran, Indonesien, Kasachstan und Mexiko.

Im Juli soll im brasilianischen Fortaleza über die Aufnahme Argentiniens entschieden werden.

Im Lichte der Front, die sich gegen Russland entwickelt; der chinesischen Devisenreserven und der Bemühungen Chinas, den Renminbi zu einer Weltwährung zu machen, und der Entwicklung der sich notgedrungen umstellenden Energieversorgung Europas wäre ein BRICS-Beitritt Argentiniens ein Schritt, der zu einer Neusortierung der weltweiten Abhängigkeiten und Einflussgebiete führen wird und muss.

Amelie Lanier