Kerosin aus Algen-Öl Die Grünen bei Airbus

Gesellschaft

2. Juni 2016

Kerosin aus Algen-Öl soll den Flugzeugtreibstoff nachhaltig machen. Die Idee: Kerosin aus nachwachsenden Algen, in stetig zunehmenden Anteilen dem fossilen Treibstoff beigemischt, könnte die CO2-Bilanz des Fliegens entscheidend verbessern.

Airbus 340 als Monumentalbild am Terminal 2.
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Airbus 340 als Monumentalbild am Terminal 2. Foto: Heribert Pohl (CC BY-SA 2.0 cropped)

2. Juni 2016
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Denn durch technischen Fortschritt beim Turbinenbau oder in der Aerodynamik lassen sich die Emissionen pro Flugkilometer nicht weit genug verringern.

Das Problem: Öl aus Raps und anderen Pflanzen, noch vor einem Jahrzehnt als nachwachsender Rohstoff und Ersatz für Treibstoffe aller Art gefeiert, ist unter ökologischen Gesichtspunkten nicht mehr akzeptabel. Wegen der enormen Mengen, die gebraucht werden, sind überall auf der Welt riesige Monokulturen entstanden. Sie zerstören die Biodiversität, vernichten in Entwicklungsländern natürlich gewachsene Vegetationen und konkurrieren mit der Produktion von Lebensmitteln. „Tank statt Teller“ ist eine Fehlsteuerung erster Güte.

Das soll anders werden, haben sich Algenforscher vorgenommen. Die Experimente stehen noch am Anfang, aber Airbus verfolgt den Ansatz mit grossem Interesse und beteiligt sich an den Untersuchungen. So entstand auf dem Bölkow-Campus gleich neben dem Airbus-Firmengelände in München-Ottobrunn ein global einzigartiges Laboratorium, organisatorisch der Technischen Universität zugehörig: das „Algentechnikum“. Hier soll Flugkerosin entwickelt werden, das auf Algenbiomasse basiert.

An alles scheint gedacht. Angestrebt ist eine möglichst einfache Technik für möglichst grosse Mengen. Die Algen sollen in offenen Becken gezogen werden, zwölfmal schneller als Landpflanzen wachsen und einen 30-mal höheren Ölertrag haben als Raps & Co. Genutzt werden sollen Brach- statt Landwirtschaftsflächen.

Um einen Konflikt um Süsswasser zu vermeiden, sollen es „saline Algen“ sein, also solche, die im Salzwasser leben. Entlang der Küsten steht diese Ressource in unbegrenzter Menge zur Verfügung. Möglich sind Algenfarmen auch an stickstoffreichen, überdüngten Gewässern, an Kläranlagen oder Molkereien. Technisch vorstellbar ist sogar, wachstumsstimulierendes CO2 aus Gasbefeuerungsanlagen oder anderen industriellen Prozessen einzuleiten. Die wassergebundene Form des Kohlendioxids steht in Salzwasser länger zur Verfügung als im Süsswasser, wo es schnell ausgast und dann die Algen nicht mehr ernährt.

In Südeuropa, heisst es, stünden genug Flächen zur Verfügung, um 30 Prozent des Gesamtverbrauchs an Kerosin in Europa – 1,7 Milliarden Liter jährlich – zu decken. Besonders auf Griechenland und Albanien haben die Forscher ihr Augenmerk gerichtet.

Parameter sind Sonnenlicht, Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Die wegen der Sonneneinstrahlung offenen Becken kämen auf eine Grösse von 100 Hektar. Sturm, Staub und Regen können der Zucht von Salzwasseralgen nicht viel anhaben. Sie gilt deswegen als besonders robust, während das Wachstum in Süsswasser ständig von solchen Kontaminationen bedroht wäre. Ausserdem ist der Inhalt des Tanks für die ihn umgebende Natur kein Problem: Selbst wenn Lebewesen mit dem Salzwasser eingeschleppt werden, können sie sich nicht ansiedeln.

Am Ende eines solchen Produktionsprozesses steht eine pampige Masse mit einem Wassergehalt von 60 Prozent. Die Trennung und Aufarbeitung der Öle erfolgt mit Chemikalien, „grünen Lösungsmitteln“, wie sie heissen. Sie sollen 92 Prozent der Öle abtrennen. Die Reststoffe sollen zur Gewinnung von Biogas, Wasserstoff und Methan eingesetzt werden, woraus wiederum Energie zu gewinnen ist. Im Idealfall bleiben aus dem ganzen Prozess keine Reste übrig.

Über die CO2- und die Energiebilanz ist noch keine rechte Auskunft möglich. Unklar ist weiterhin, wie viel Fläche für welche Mengen Kerosin benötigt wird. Der Ertrag nach allen Produktionsschritten könnte bei 25 Gramm pro Quadratmeter liegen. Zum Vergleich: Wird Biomasse in Treibstoff umgewandelt, liegt der Ertrag bei etwa 2,5 Litern pro Quadratmeter und Jahr. Allerdings ist ein Erntezyklus bei Algen sehr viel kürzer als bei Raps oder Mais.

Bevor es so weit ist, muss erst einmal erforscht werden, mit welchen Algenstämmen das zu bewerkstelligen ist. 120.000 gibt es insgesamt. Davon sind 37 in der engeren Auswahl. Um ihr Wachstum genauer zu untersuchen, wird auf dem Bölkow-Campus das Sonnenlicht mithilfe von LED-Leuchten simuliert. So können die Algen sich verhalten, als lebten sie in Hawaii oder Kalifornien. Mit aktuellen Daten eines Geoinformationssystems kombiniert können sogar reale Wetterverläufe simuliert werden. Und in sieben bis zehn Jahren ist an einen kommerziellen Einsatz zu denken, heisst es optimistisch.

Dietmar Bartz
boell.de

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-SA 3.0) Lizenz.