Eine Erwiderung auf Andreas Zumach Die Zukunft des politischen Pazifismus?

Politik

6. April 2017

"Anforderungen an einen wirksamen Pazifismus": Das war der Titel eines Vortrags des Journalisten und Publizisten Andreas Zumach auf dem Symposium "Zukunft des politischen Pazifismus. 125 Jahre Deutsche Friedensgesellschaft", das Ende Januar in Frankfurt/M. stattfand [1].

US-Kriegsschiff bei einer militärischen Übung in der Pilippinischen See. Interventionen finden dort statt, wo ein Staat Interessen und Ambitionen anderer im Wege ist.
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US-Kriegsschiff bei einer militärischen Übung in der Pilippinischen See. Interventionen finden dort statt, wo ein Staat Interessen und Ambitionen anderer im Wege ist. Foto: Raymond D. Diaz (PD)

6. April 2017
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Korrektur
Eingeleitet wurde er von einem Bekenntnis zu oberster Priorität (sic) ziviler Instrumente für die Prävention von Konflikten, ihre Früherkennung, die Verhinderung von Eskalationen, ihre Beilegung und Überwindung ihrer Folgen - vielleicht als Vorbereitung auf das, was dann kommen sollte:

Unstrittig dürften Zumachs Ausführungen dazu gewesen sein, dass: neue Mythen über Bedrohungen entstanden seien; die "neuen Kriege" und das Phänomen des Terrorismus gar nicht neu seien, es aber auch in der Friedensbewegung viele Diskussionen über sie gebe; "einäugiger Pazifismus" unglaubwürdig sei. Andeutungen für sein Credo gab es aber auch schon hier: Zivile Instrumente für die Konfliktbearbeitung seien ja noch gar nicht ausreichend vorhanden, oder: Die vielen Diskussionen führten dazu, dass die Friedensbewegung oft nicht sprechfähig sei. Andererseits: Pazifisten sollten sich an der Debatte über den Einsatz militärischer Mittel beteiligen. Pazifismus bleibe natürlich notwendig: als Korrektiv und ständige Infragestellung. Bei nachweislich drohendem Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit müsse aber der Einsatz von Zwangsmitteln denkbar sein. Das Instrument wäre eine UN-Polizeitruppe, mit robuster Bewaffnung. Dazu stellen sich einige Fragen

Sind Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert? Ja, das sind sie, als Straftatbestände im Völkerstrafrecht. Damit ist aber noch lange nicht gesagt, dass diese Definitionen auch praktisch wirksam werden. Es gibt eine internationale Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, aber rund 50 Staaten haben sie nur unter Vorbehalten oder mit Einwendungen unterschrieben, etliche andere gar nicht. Nachdem 2016 der Bundestag seine Anerkennung der Vernichtung der Armenier 1915-16 im Osmanischen Reich als Völkermord erklärt hatte und die Kritik der Türkei laut wurde, beeilte sich die Bundesregierung zu versichern, dass die Resolution rechtlich für sie nicht bindend sei - sie brauchte die Türkei für ihre Flüchtlingspolitik. Man wird sehen, wie sie sich zu der Klage der Herero und Nama auf Entschädigung stellt - Völkermord ist anerkannt, Geld sollte aber bisher nie fliessen.

Wer würde dann (zweite Frage) nachweisen wollen, dass Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit drohen?

Aber mal den Idealfall angenommen: Alle Kriterien beachtet, alles ganz neutral nachgewiesen, alle sind begeistert (nur die Regierung des zu überfallenden Staates nicht, mit der man doch früher auch zusammenarbeitete - die ist auf einmal kein Mitglied der wie ein Mann zusammenstehenden "internationalen Gemeinschaft" mehr) - wer setzt dann die Truppen oh, sorry, die UN-Polizeitruppe in Marsch? Wenn es eine internationale Organisation sein soll - wie wäre sie zusammengesetzt und wie strukturiert? Zumach sagt: Der Sicherheitsrat der UNO, vielleicht sogar die Generalversammlung, soll entscheiden. In der UNO sind aber Staaten. Staaten sind keine Landschaften und keine ethnischen Gruppen, sondern politische Gebilde. Sie haben Interessen, und zwar die der gesellschaftlichen Gruppierungen, von denen sie getragen werden. Sie existieren zu dem Zweck, diese Interessen durchzusetzen. Wie also sollte die UNO neutral handeln können?

Und man muss weitere Fragen stellen: Welche Erfahrungen gibt es denn mit sogenannten humanitären Interventionen? Interventionsgründe werden herbei gelogen, wie im Fall des Irak. Interventionen finden dort statt, wo ein Staat Interessen und Ambitionen anderer im Wege ist, wie im Falle Libyens. Auch die UNO hat sich das Konzept der "Schutzverantwortung" zu eigen gemacht. Wo hätte es denn schon "humanitäre" Interventionen (laut Selbstverständnis) geben müssen, ohne dass es sie gegeben hätte?

BefürworterInnen von Zumachs Thesen meinen, die Friedensbewegung dürfe sich der Diskussion um militärische Zwangsmittel nicht verschliessen, wenn sie mittelfristig und konkret etwas erreichen wolle. Mag sein. Wenn sie aber unter dem Einfluss einzelner, selbstgeschaffener ja, sagen wir ruhig: Gurus oder als Folge von Gruppendynamik oder, nicht zuletzt, unter dem Druck des politischen Mainstreams (denn die Bundesrepublik Deutschland führt Krieg!) tatsächlich Sympathien für militärisches Engagement entwickelte - wie käme sie da wieder heraus? Das ist es ja, was man von ihr will: Sie soll zum Mitmachen bewegt werden, sie soll ihre Unabhängigkeit aufgeben. Dann sässe die Friedensbewegung in der Falle. Dann würde sie überhaupt nichts mehr erreichen. Das wäre eine ganz spezielle Zukunft des politischen Pazifismus (um beim Titel des Symposiums zu bleiben). Und es stellt sich natürlich die Frage, wessen Interessen jemand vertritt, der der Friedensbewegung diese Diskussion empfiehlt.

Cornelia Mannewitz / Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 417, März 2017, www.graswurzel.net

Fussnoten:

[1] Beiträge des von Bertha-von-Suttner-Stiftung, DFG-VK Bildungswerk Hessen und DFG-VK Frankfurt am Main. organisierten Symposiums sind dokumentiert auf: https://www.dfg-vk-hessen.de/bildungswerk/symposium