Wiener Korporations-Ball NoWKR – Schulunterricht mit sieben Lektionen

Politik

22. Dezember 2014

Das Bündnis „NoWKR“, u.a. „…umsganze“ und „There is an Alternative“ sind als „autonomes, antifaschistisches Bündnis“ angetreten, „um den Akademiker- bzw. WKR-Ball unmöglich zu machen“ und haben nun einen Aufruf veröffentlicht. Ein Schulunterricht in sieben Lektionen.

Demo gegen den Wiener Korporations-Ball am Burgring im Jahr 2012.
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Demo gegen den Wiener Korporations-Ball am Burgring im Jahr 2012. Foto: Bwag (CC BY-SA 3.0 cropped)

22. Dezember 2014
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Zuerst schreibt man sich einiges an Leistungen aus den letzten Jahren auf die Fahne. Die letzten Proteste hätten den Ball und seine „Hässlichkeiten ins Licht der Medien gezerrt“. Dass diese Öffentlichkeit selbst gerne „Antisemitismus, Sexismus, Männerbündelei, Homophobie und Rassismus“ praktiziert, welche das Bündnis den Ballbetreibern attestiert, würden die Autonomen selbst wohl am wenigsten bezweifeln. Schade nur, dass dann ihre 'Leistung' plötzlich etwas magerer aussieht: 'Hässlich' ist der Ball nämlich nur für solche Österreicher, welche den Standpunkt der Antifaschisten bereits teilen und deswegen wird die „Unmöglichkeit des Balls“ eben doch von vielen nicht erkannt.

1. Staatsbürgerkunde: Ein guter Bürger schützt seinen Staat

Das sehen die Autonomen aber nicht als grundsätzlichen Mangel ihrer Theorie, sondern höchstens als Aufruf, weiter den Ball zu blockieren um das „angekratzte Image“ zu verstärken und „dem Akademikerball den Todesstoss“ zu versetzen. Das sehen sie als Notwendig an, um „die bürgerliche kapitalistische Gesellschaft vor ihren eigenen Kreaturen zu schützen“. Ja, das steht da wirklich. Diese Autonomen wollen nicht mehr den Menschen von der bürgerlichen Gesellschaft befreien, sondern die bürgerliche Gesellschaft gegen ihre eigenen Kreaturen schützen! Lektion eins dieses Aufrufs: Ein guter Bürger schützt seinen Staat vor schlimmeren!

2. Geschichte: Demokratie ist die bisher beste Gesellschaftsform!

Wie in einem Bündnis üblich, zeigt auch dieser Aufruf Stilblüten, die (hoffentlich) nur durch den Einfluss verschiedener Gruppen zu erklären ist. Bekannt dürfte manch einem Leser der linke Streit sein, ob der Faschismus nun die Zuspitzung des Kapitalismus ist oder seine negative Überwindung. NoWKR kombiniert beide Positionen gekonnt und schafft so eine ganz neue und völlig sinnfreie Analyse des Faschismus: „Die Rechte droht, die Zumutungen und Gewalthandlungen des Kapitalismus noch zu steigern, sie steht für die negative Zuspitzung [!!!] der kapitalistischen Normalität.“ Die Rechte will also den Kapitalismus 'negativ zuspitzen' – im Gegensatz zu den Autonomen, welche ihn nur verteidigen wollen.

Am Ende dann doch noch eine Entscheidung, natürlich hin zum Irrtum: „Wenn wir für die Aufhebung der gewaltvoll verfassten bürgerlichen Gesellschaft demonstrieren und eintreten, so machen wir dies stets im Wissen, dass diese Aufhebung auch im Negativen passieren kann, wie aktuell etwa der IS und historisch der Nationalsozialismus zeigen und gezeigt haben.“ Leider verschweigt uns das Bündnis, was genau der Nationalsozialismus und der IS eigentlich „negativ“ aufgehoben hat. In beiden Gesellschaften gibt es Herrschaft, Klassen, Kapital und Arbeit, es gibt Chefs und Lohnabhängige, Eigentum und Knäste. Aber egal – irgendwie hat man aus dem Faschismus eben etwas lernen müssen, und dann soll es halt das gewesen sein. Lektion zwei: Zum Glück leben wir nicht in der negativen Zuspitzung oder gar der negativen Aufhebung dieser Gesellschaft!

3. Politikunterricht: Der Rechtsstaat und die Gewaltfrage

Im letzten Jahr wurde der Protest weniger für seinen Erfolg als für die Festnahme eines Genossen bekannt, der sechs Monate hinter Gittern verbracht hat. Diese Gelegenheit nutzen die autonomen Freunde der 'bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft' gleich, um ein weiteres mal diese Gesellschaft vor sich selbst zu beschützen. Mit der staatlichen Repression hätte der Staat den „Bogen der Rechtsstaatlichkeit weit überspannt“ – auch hier sehen sich die Autonomen also als eigentliche Vertreter eines richtiges Rechtsstaats gegen die bösen Richter und Polizisten, welche diese einfach ins Unrecht setzen! Lektion drei: Wenn unser Freund im Knast ist, dann muss das gegen das eigentlich gute Prinzip Rechtsstaat verstossen und kann nie und nimmer dessen Folge sein!

Wer so selbstlos für Rechtsstaatlichkeit und bürgerliche Gesellschaft kämpft, fühlt sich dann auch von den Bürgerlichen ziemlich verraten: „Vonseiten der Medien, bis hinein ins liberale Spektrum und vonseiten der Politik, bis hin zur grünen Partei, wurde unser Erfolg mit Delegitimierungsversuchen beantwortet.“ Wie gemein auch – hat man doch eigentlich das gleiche Ziel! Es wurde sogar „Sachbeschädigungen durch Linke auf dieselbe Stufe mit der Gewalthistorie der deutschnationalen Burschenschaften“ gestellt. Vor lauter Verteidigung dieser Verhältnisse haben diese Autonomen wohl vergessen, dass sie aus Sicht der bürgerlichen tatsächlich genauso zu bekämpfen sind wie Nazis: Beide sind – und die Autonomen waren es zumindest einmal, an was sich zumindest der Staat scheinbar noch erinnert – erklärte Feinde dieser Gesellschaft. Lektion vier: Wir wollen diese Gesellschaft doch nur beschützen, werden gemeinerweise aber für ihre Feinde gehalten.

4. Erdkunde: Warum die Flüchtlinge ertrinken

Originell auch die Erklärung des Mittelmeeres als Massengrab. „Die Toten an den militarisierten europäischen Aussengrenzen sind […] traurige Beispiele“ für eine Gewalt gegen jene, „die ihre Bedürfnisse über die der kapitalistischen Produktionsweise stellen“ – ganz so, als ob nicht den meisten Bewohnern dieses Planeten ihre eigenen Bedürfnisse wichtiger sind als irgend eine abstrakte „Produktionsweise“ – allerdings sehen eben die meisten ihre Bedürfnisse gerade in dieser Produktionsweise sehr gut aufgehoben. Alle Flüchtlinge mit diesem kleinen Trick allerdings zu Antikapitalisten zu erklären, dürfte zumindest das Gefühl stärken, auf der richtigen Seite zu stehen. Lektion fünf: Gewalt ist in dieser Gesellschaft nur zu erwarten, wenn man seine eigenen Bedürfnisse für wichtiger nimmt als die Gesellschaft.

5. Staatskunde: Der Staat sind wir!

Dass die Menschen in dieser Gesellschaft von allem Reichtum getrennt sind hat auch das Bündnis erkannt, auch hier ist die Erklärung spannend. Nicht etwa ein von der bürgerlichen Gesellschaft getrenntes Gewaltmonopol setzt die Geltung von Recht und Gesetz durch, sondern hierfür „wird physische Gewalt von der Gesellschaft delegiert [!] und in [???] den Delegierten verleugnet.“ Die Polizei ist also gar nicht das Exekutivorgan der Herrschaft, sondern eine Truppe von uns delegierter Schläger – was wir aber verleugnen. „So erscheinen die hochgerüsteten Polizeieinheiten nicht gewalttätig, sondern als Bewahrer der Gewaltfreiheit der bürgerlichen Gesellschaft.“ Hier wird mystifiziert was einfach zu erklären ist: Für die Anhänger von Recht und Gesetz ist eben die Gewalt des Staates eine legitime und damit praktisch schon keine mehr. „Hierfür“ braucht es wirklich keine Theorie der „Verleugnung“. Die Lektion sechs ist aber gelernt: Der Staat, das sind wir alle.

6. Soziologie: Rassisten? Das sind doch diese Arbeitslosen!

In der Krise des Kapitalismus kann NoWKR sich leicht erklären, warum es Rassisten gibt. Die Arbeitslosen – vornehmer ausgedrückt die „in der kapitalistischen Produktion überflüssig“ gewordenen werden Antisemiten und Nationalisten „um zumindest einen prekären Subjektstatus zu behalten, sind sie doch eigentlich wertlos geworden.“ Natürlich ist das keine Erklärung für irgendetwas, könnten diese ja genauso zu den Autonomen, den Kommunisten oder zum Kegelverein gehen, um eine Identität zu erhalten. Aber so wirklich erklären will man sich nun auch nicht, warum so viele Leute in der bürgerlichen Gesellschaft – übrigens ganz jenseits von der Frage ob sie „überflüssig“ sind oder nicht – Rassisten werden, und so wiederholt man die alte Lüge, die Leute seien schlecht, weil sie eben schlecht behandelt werden: „Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse wie Rassismus und Sexismus ermöglichen es, sich zumindest nicht am untersten Ende der Hackordnung wieder zu finden.“ Lektion sieben: Die Verlierer des Kapitalismus sind die unsympathischen Rassisten und Antisemiten.

Berthold Beimler

Alle Zitate von: http://nowkr.at/aufruf/