Ist ein Regierungswechsel möglich? Honduras: Präsidentschaftswahlen in einem kooptierten Staat

Politik

7. Dezember 2017

Eine Woche nach den Präsidentschaftswahlen in Honduras ist das Wahlergebnis noch immer offen. Die Autorin Jennifer Ávila erläutert in ihrem Beitrag Hintergründe der aktuellen Situation im Lande.

Der derzeitige Präsident Honduras, Juan Orlando Hernández.
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Der derzeitige Präsident Honduras, Juan Orlando Hernández. Foto: Kimberly Aguirre (PD)

7. Dezember 2017
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Ausgangssperre: Das ist die Antwort der Regierung von Honduras auf die Proteste der Bevölkerung des Landes wegen der Verzögerung bei der Verkündung der Wahlergebnisse. Seit Freitag dürfen die Menschen im gesamten Staatsgebiet zwischen 18:00 Uhr und 06:00 Uhr nicht mehr auf die Strasse. Die Rede ist von Krawallen, von Verletzten und bislang mindestens einer Toten.

Gegen die Demonstrierenden wird mit Tränengas vorgegangen. Eine Woche nach den Präsidentschaftswahlen in Honduras ist das Wahlergebnis noch immer offen: Zunächst deuteten die ersten Teilergebnisse auf einen Sieg des Oppositionskandidaten Salvador Nasralla. Nach Auszählung von 94,3 Prozent der Stimmen lag Amtsinhaber Juan Orlando Hernández mit 42,92 Prozent knapp vor Nasralla, auf den 41,42 Prozent der Stimmen entfielen.

Die Opposition wirft der regierungsnahen Nationalen Wahlbehörde (TSE) vor, die Ergebnisse zugunsten Hernández gefälscht zu haben. Die Chef-Beobachterin des 600-köpfigen EU-Wahlbeobachtungsteams Marisa Matias zeigt sich beunruhigt. Nicht ohne Grund. Unsere Autorin Jennifer Ávila von Contra Corriente erläutert in ihrem Beitrag Hintergründe der aktuellen Situation im Lande.

Gewalt ist nach wie vor eines der Probleme, die Honduras am meisten beeinträchtigen: Gewalt, die tausende von Menschen auf einen unmenschlichen Marsch nach Nordamerika zwingt; Macho-Gewalt, die alle 14 Stunden einer Frau das Leben kostet; Gewalt, die in den Machtstrukturen des Staates verwurzelt ist, wo die Menschenrechte mit Füssen getreten werden, vor allem die der aktiven Bürgerbewegung, die für bessere Lebensbedingungen eintritt.

Eine Eskalation der strukturellen Gewalt war fast vorhersehbar im angespannten Klima einer verfassungswidrigen Kandidatur, die die Wiederwahl des derzeitigen Präsidenten Juan Orlando Hernández ermöglicht, und einer Allianz von Oppositionsparteien, die gegen die sich abzeichnende Errichtung einer Diktatur mit legalem Anstrich antritt.

Staatsstreich im Jahr 2009

Vor genau acht Jahren, im Jahre 2009, kam es in Honduras zu einem Staatsstreich. Die Begründung: Der damalige Präsident, José Manuel Zelaya, strebe die Wiederwahl an und legitimiere seine Absicht, an der Macht zu bleiben, mit einem Referendum. Die Streitkräfte, der wirtschaftlichen und politischen Elite des Landes hörig, verhinderten dies damals.

Nun stehen wir vor demselben Dilemma: der angestrebten Widerwahl des derzeitigen Präsidenten Juan Orlando Hernández. Ein sehr einflussreicher Akteur im Land, der es nach dem Putsch geschafft hat, Machtstrukturen zu schaffen, um unter Missachtung der Verfassung, mit Unterstützung lokaler Eliten und dem Segen der US-Regierung wiedergewählt zu werden.

Der jetzige Präsident, der im Jahr 2015 auf die breite Ablehnung der Bevölkerung stiess, als die Staatsanwaltschaft nachwies, dass seine Partei in den Raub von 6.300 Millionen Lempira der honduranischen Sozialversicherung (ca. 300 Millionen US-Dollar) verwickelt war, stellt sich heute der Welt als ein transparenter Präsident dar, der den sozialen Wandel fördert und es somit verdient, an der Macht zu bleiben, um weiterhin “gegen Gewalt und Straffreiheit zu kämpfen”.

Die Realität ist jedoch weit von diesem Propagandabild entfernt. Honduras weist alarmierende, gegen Verteidiger/innen von Menschenrechten gerichtete Gewalttaten auf. Und die enge Verbindung zwischen der Staatsmacht und dem organisierten Verbrechen zeigt, dass das Land ein Narco-Staat im Dienst seiner Eliten ist. Diese haben Mechanismen geschaffen, um ihre Pläne zur Plünderung staatlicher Ressourcen mit Hilfe öffentlicher Institutionen umzusetzen.

Die Ermordung von Berta Cáceres

Der Fall, bei dem dies am deutlichsten wird, ist die Ermordung der bekannten Aktivistin und Umweltschützerin Berta Cáceres, bei der Sicherheitskräfte des Staates, einschliesslich des staatlichen Sekretariats für Öffentliche Sicherheit, gemeinsam mit Beauftragten des Unternehmens „Desarrollos Energéticos S.A.“ geheimdienstliche Operationen durchgeführt haben, wie es im Bericht “Represa de violencia: el plan que asesinó a Berta Cáceres” („Staudamm der Gewalt: Der Plan zur Ermordung von Berta Cáceres“) dargelegt wird.

Erarbeitet wurde er von der Internationalen Expertengruppe GAIPE (Grupo Asesor Internacional de Personas Expertas) - mangels unabhängiger Nachforschungen von Seiten der zuständigen honduranischen Behörden.

Dieser Mord geschah in einem Kontext, in dem die derzeitige Regierung alles dafür tat, das nationale Territorium für transnationales Kapital und einheimische wirtschaftliche Eliten zu konzessionieren: den Bergbau, die Energiegewinnung, die Wartung des Strassennetzes und die Wasserversorgung.

Für ein Drittel des Territoriums sind bereits Konzessionen für Bergbauprojekte erteilt; 950 Projekte sind derzeit in Verhandlung, weitere 583 Metallbergbau-Projekte sind schon bewilligt. Ausserdem gibt es 123 Projekte zur Erzeugung von Wasserkraft und 35 Projekte für Solarenergie, gemäss einer von ERIC (Equipo de Reflexión, Investigación y Comunicación, NRO der Jesuiten in Honduras) durchgeführten Studie.

Hinzu kommt die Absicht, „Spezielle Entwicklungszonen“ (ZEDE, Zonas Especiales de Desarrollo) einzurichten, ein Projekt der Chicagoer Schule der Vereinigten Staaten. Das Konzept: Der Staat wird bis zu seiner Nicht-Existenz minimalisiert und die entsprechenden Territorien mitsamt ihrer Bevölkerung an transnationale Unternehmen oder Länder verkauft.

Diese werden dann von einem Komitee und dem "Common Law" regiert, nicht aber von den Gesetzen des Landes. Und das alles unter Kontrolle des derzeitigen Präsidenten und eines staatlichen "Best-Practice-Komitees", das sich mehrheitlich aus Parteimitgliedern seines Vertrauens, sowie Wirtschaftler/innen und Politiker/innen aus den Vereinigten Staaten zusammensetzt.

Lokale Eliten und die Regierung sind gut vernetzt

All diese Pläne wären undenkbar ohne die Allianz zwischen den lokalen Eliten und der Hernández-Regierung, gesichert durch eine enge Verquickung mit den Streitkräften. Ein Beispiel dafür ist die Familie Atala, die zum Vorstand des Unternehmens gehört, das die Ermordung von Berta Cáceres angeordnet hat, wie die Unterstützermission gegen Korruption und Straflosigkeit in Honduras (MACCIH) aufgezeigt hat.

Durch die Höhe seiner Investitionen verfügt der Familienclan über allergrössten Einfluss im Land. Hernández hat die Bank dieser Familie (Grupo Ficohsa) zu einer der wichtigsten Banken für staatliche Unternehmungen und Fonds gemacht. Ebenso hat Präsident Hernández Anfang November versichert, dass er sich, falls er an der Macht bliebe, für die Aufwertung der Militärpolizei als Garant für öffentliche Ordnung in der Verfassung einsetzen wird.

Aber die missliche Lage der Demokratie ist nicht nur Folge einer auf Privatisierung und Plünderung des Staates basierenden Wirtschaftsplanung, sondern auch Ergebnis der totalen Kontrolle der Streitkräfte und Staatsgewalten durch den Nationalen Rat für Verteidigung und Sicherheit (Consejo Nacional de Defensa y Seguridad), der dem Befehl des Präsidenten untersteht. Dieser Rat entscheidet darüber, was Staatsgeheimnis ist und was nicht, wie die Ressourcen für Sicherheit investiert werden und wie die nationalen Sicherheitskräfte operieren, die zu den gefährlichsten der Welt gezählt werden.

Ein vom Verbrechen kooptierter Staat?

Im Jahr 2011 wurde die Korruption und der Grad der Kooptierung krimineller Kräfte in der Nationalpolizei aufgedeckt. Die Spezialkommission für Säuberung und Transformation der Nationalpolizei von Honduras berichtet von der Entlassung von 4374 Mitgliedern der Polizei seit der Einrichtung der Kommission am 12. April 2016. Noch ist nicht bekannt, wie viele vor Gericht gestellt wurden, um ein Strafurteil und nicht nur eine Verwaltungsstrafe zu erhalten.

In Honduras sind Rechtsangelegenheiten nicht an Gesetze und Landesgrenzen gebunden. Trotz zahlreicher Klagen über kriminelle Akte der Sicherheitskräfte hat der derzeitige Präsident als Antwort auf die Gewalt entschieden, die Sicherheitskräfte weiter aufzurüsten und zu militarisieren, was nur fatale Folgen haben kann.

Seit 2016 laufen nicht nur die Auslieferungen von Drogenhändlern an die USA auf deren Druck hin; es begannen auch die freiwilligen Überstellungen – ein wirkliches Desaster für die politischen Kräfte des Landes.

Als die “Cachiros", berüchtigte honduranische Drogenhändler, in den Vereinigten Staaten vor Gericht aussagten, wurden viele in Honduras nervös. Und als sie gestanden, der ehemalige Präsident Porfirio Lobo Sosa habe von ihnen Bestechungsgelder erhalten und sein Sohn habe die ganze Sache koordiniert, hat auch für die Regierungspartei Partido Nacional, derzeit im Endspurt zur Errichtung einer Diktatur, der Boden zu wackeln begonnen.

Der Sohn des Ex-Präsidenten, mit dem Juan Orlando Hernández nach dem Staatsstreich 2009 gemeinsam regiert hatte, ist nun in den Vereinigten Staaten in Haft. Das Netzwerk der Korruption im Fall der “Cachiros” reicht bis in die tiefsten Strukturen des Staates, und vor allem bis in die Strukturen der Partei, die derzeit an der Macht ist.

Der angebliche Kampf gegen den Drogenhandel

Von 2009 bis 2012 ist die Mordrate bis zu ihrem Höhepunkt im Jahr 2011 weiter angestiegen, so ein Bericht über öffentliche Sicherheit der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Die Regierung hat die Kontrolle aller Staatsgewalten übernommen, und unter diesem Schutz ist die DEA (Drug Enforcement Administration; zu Deutsch „Drogenvollzugsbehörde“, eine dem Justizministerium der Vereinigten Staaten unterstellte Strafverfolgungsbehörde) in Honduras ein- und ausgegangen, hat dabei verschiedene Präsidenten in ihren Hubschraubern und zu ihren Konditionen hin- und her befördert.

Das war dann der „Kampf gegen den Drogenhandel“ des Macht-Zweigespanns Lobo Sosa und Juan Orlando Hernández. Die „Politik der harten Hand“ gegen das organisierte Verbrechen, die seine Regierung verkündete, diente offenbar nur der Vertuschung dessen, was es wirklich war: ein Konkubinat zwischen Staat und Mafia.

Die Brüder Rivera Maradiaga, genannt “Los Cachiros”, leiteten ein Drogenkartell, das den Vertrieb an Honduras' Nordküste kontrollierte. Aus Tocoa in der Region Bajo Aguán stammend, waren sie eine Parallelregierung, die alles kontrollierte: vom Justizapparat bis zu den Gemeindeämtern.

Die von ihnen praktizierte Narco-Philantrophie durch das Verteilen von Geschenken an die Armen sicherte ihnen deren Anerkennung und Gewogenheit. Sie haben, so wie andere Drogenkartelle auch, ihr eigenes Reich geschaffen: durch die Verflechtung mit den Lokalregierungen im Westen und im bergigen Norden des Landes.

Seitdem die Narcos angefangen haben, in den USA nicht nur über die korrupte politische, sondern auch über die wirtschaftliche Elite auszusagen, die davon profitierte, das aus dem Drogenhandel stammende Geld zu waschen, ist Honduras von einer noch dichteren Wolke umgeben. Sie lässt weder erkennen, was in den Sphären der Macht passiert, noch auf den Strassen, wo die Opfer oft "übersehen" werden.

Politische Szenarien

Der honduranische Politikanalytiker Tomás Andino prognostizierte im Vorfeld der Wahlen, es gebe drei mögliche Szenarien für die deren Ausgang. Angetreten sind elf politische Parteien, drei davon im gemeinsamen Bündnis der Allianz der Opposition gegen die Diktatur (Alianza de Oposición contra la Dictadura), repräsentiert von Salvador Nasralla, einem outsider, in der jedoch Manuel Zelaya Rosales, der Ex-Präsident, Opfer des Staatsstreichs von 2009, die dominierende Führungsperson ist.

Als das wahrscheinlichste Szenarium betrachtete Andino, dass die Regierung Juan Orlando Hernández weitere vier Jahre an der Macht bleibt, mit einer totalitären und konsolidierten Regierung und der erklärten Absicht, die Wiederwahl gesetzlich und endgültig zu legitimieren.

Eines der aktuellen Probleme bei diesen Wahlen war die Tatsache, dass es bislang keine Wahlreform gab; nicht einmal die Wiederwahl des Präsidenten war gesetzlich geregelt. Deswegen hatte Juan Orlando Hernández in seiner Kampagne zur Wiederwahl aller Abgeordneten der Partido Nacional aufgerufen. Denn er muss sich einen willigen Nationalkongress sichern, um die Wahlreform durchsetzen zu können, die seiner zukünftigen Regierung nützlich sein würde.

Das zweite Szenarium wäre die Möglichkeit einer politischen und sozialen Krise und die beschleunigte Herbeiführung einer Diktatur mit legalem Anstrich. Kurzfristig würde das den Aufstieg einer spontanen Volksbewegung bedeuten, die gegen einen möglichen Wahlbetrug rebelliert, die aber durch Repression oder ihre eigene Führung in Grenzen gehalten würde.

Dies könnte aber – obgleich Hernández weiter an der Macht bliebe – zu einer Schwächung seiner Regierung durch soziale Unruhen führen, was möglicherweise Einfluss auf eine Wahlreform mitsamt der Regulierung der Wiederwahl haben würde.

Ist ein Regierungswechsel möglich?

Das dritte Szenarium wäre ein von der Regierung der Vereinigten Staaten abgesegneter Regierungswechsel. Dieser würde nicht notwendigerweise die „Alianza de Oposición“ mit Nasralla als Präsidenten bedeuten, sondern könnte die Liberale Partei mit ihrem Kandidaten Luis Zelaya an die Macht bringen, einem Mann, der der wirtschaftlichen und politischen Elite des Landes nahesteht.

Dieser Wechsel könnte sehr dringend werden, falls der Druck der Bürgerbewegung die autoritäre Regierung von Juan Orlando Hernández und seinen Plan der Wiederwahl ins Wanken brächte. Der Wechsel könnte auch notwendig sein, wenn weitere Korruption und Verbindungen des Präsidenten zum organisierten Verbrechen aufgedeckt würden.

Dieses letzte und am wenigsten wahrscheinliche Szenarium wurde auch vom derzeitigen Präsidenten ins Auge gefasst, der in seiner Wahlkampagne grossen Nachdruck darauf legte, dass die Nationale Partei im Nationalkongress die Mehrheit und absolute Entscheidungsmacht behält.

Nun, eine Woche nach der Wahl, so scheint es, sind immer noch alle drei Szenarien möglich. Der Oppositionskandidat Nasralla fordert Neuwahlen unter Aufsicht eines internationalen Wahltribunals. Ohnehin wollte er die Wiederwahl von Hernández nicht akzeptieren, weil sie laut Verfassung nicht statthaft ist.

Widerstand und politische Opposition

In Honduras wird der Widerstand seit dem Mord an Berta Cáceres stärker. Ganze Dorfgemeinschaften verteidigen Flüsse, Landstrassen und Berge, und setzen sich so gegen die Privatisierungspläne der derzeitigen autoritären Regierung ein.

Ein weiteres Gegengewicht könnte die von der OAS eingesetzte Mission MACCIH sein. Wenngleich es stimmt, dass diese Kommission nicht die gleichen Befugnisse wie die CICIG in Guatemala hat, beginnt sie dennoch, in Honduras Aufmerksamkeit zu erregen. Sie hat bereits eine Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Straffreiheit und Korruption eingerichtet und mit Nachforschungen zu Fällen begonnen, durch die kriminelle Netze innerhalb staatlicher Strukturen zerschlagen werden könnten.

Das grösste Hindernis ist im Moment die derzeitige Regierung, die nicht gewillt ist, die Kommission mit den notwendigen Vollmachten auszustatten, um der Korruption wirklich begegnen zu können, und die bis jetzt die Petitionen zur Schaffung eines gesetzlichen Rahmens, der dieser Kommission einen rechtlichen Handlungsspielraum geben würde, unbeachtet lässt.

Die MACCIH hat z.B. wiederholt ein „Gesetz für effektive Zusammenarbeit“ gefordert, was vom nationalen Parlament jedoch noch immer ignoriert wird. Sie hat auch die Abschaffung des Gesetzes zur staatlichen Verschwiegenheit (Ley de Secretos Oficiales) gefordert, aber ohne Erfolg. Was zeigt, dass dieses Land weiterhin vom Präsidenten und dessen Willen abhängt.

Andererseits ist es ein historisches Ereignis, dass so viele politische Kräfte an den Wahlen teilnehmen und es ein Parteienbündnis gibt, das als vereinte Opposition gegen die Wiederwahl des derzeitigen Präsidenten angetreten ist. Obgleich nach wie vor die soziale Bewegung nicht in den Honduras' Parteien zu Hause ist, hat dieses Oppositionsbündnis dennoch versucht, ein Gegengewicht und eine gemeinsame Agenda zu schaffen.

Ein 12-Punkte-Programm der Organisationen der Zivilgesellschaft

Kurz vor den Wahlen rief das Bündnis zu einer Demonstration am 7. November in Tegucigalpa auf, um gegen die Diktatur Position zu beziehen und den Schulterschluss mit ihrer Anhängerschaft herzustellen. Die soziale Bewegung wurde bei dieser Demonstration von dem Jesuitenpater Ismael Moreno repräsentiert, einem Akteur, der ein Bindeglied zwischen sozialer Bewegung und Oppositionsparteien darstellt; er verlas dort ein 12-Punkte-Programm, das den erreichten Konsens der Organisationen der Zivilgesellschaft widerspiegelt.

Dieses Programm erinnert in gewisser Weise an die nicht mehr existierende Bewegung “Coordinadora Nacional de Resistencia Popular”: Es appelliert an das Oppositionsbündnis, das von Parteien gebildet wird, die nach dem Putsch gegründet wurden, wie LIBRE (Libertad y Refundación), PINU (Partido Innovación y Unidad) und Salvador Nasralla - vor allem in dem Sinne, dass die vom Obersten Wahlgericht verkündeten Wahlergebnisse keinesfalls anerkannt werden dürfen, da diese Institution nicht über Autonomie und Unabhängigkeit verfügt.

Die Liste der Forderungen verbindet neue und alte Kampfslogans: Forderung einer Verfassungsgebenden Versammlung, Kampf gegen die Privatisierung öffentlicher Institutionen, gegen den Extraktivismus, Verteidigung der Souveränität, Arbeitsrechte, dringende Umstrukturierung der Landwirtschaft, Kampf gegen die Oligarchie, Förderung einer realen Steuerpolitik, Notwendigkeit einer Sicherheitspolitik zur Entmilitarisierung der honduranischen Gesellschaft, Kampf gegen die Korruption in öffentlichen Institutionen, Aufklärung des Mordes an Berta Cáceres und Schaffung einer wirklich partizipativen Demokratie durch eine Regierung der Allianz, die sich nicht allein auf Wahlen beschränkt.

Honduras sieht sich also in diesen Tagen einer Situation gegenüber, die die Gefahr einer noch grösseren Repression birgt, die aber auch eine Chance sein kann für die Neustrukturierung der sozialen Agenda.

Jennifer Ávila
boell.de

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-SA 3.0) Lizenz.