Gegen linke Bewusstlosigkeit Frontex Versenken!

Politik

14. Dezember 2010

Vor 20 Jahren fiel die Berliner Mauer, doch damit sind die Grenzen und die Morde an diesen nicht weniger geworden, vielmehr haben sie sich nur verschoben.

Spanischer Grenzzaun in Melilla.
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Spanischer Grenzzaun in Melilla. Foto: Stéphane M. Grueso (CC BY-SA 2.0 cropped)

14. Dezember 2010
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Nun werden Menschenrechte nicht mehr an den Grenzen in der Mitte Europas, sondern an den Aussengrenzen gebrochen und somit in der Öffentlichkeit weit weniger wahrgenommen.

Mit den neue Frontlinien wurden neue Bollwerke gegen die „Invasion“ der Notleidenden nötig, um den materiellen Wohlstand der westlichen kapitalistischen Nationalstaaten zu wahren. Frankreich und Deutschland sind federführend für die Organisation des Schutzes ihrer Systeme und Interessen. Für diesen Zweck wurde FRONTEX gegründet.

Frontex ist die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen mit deren Hilfe der Fortbestand des Kapitalismus mit seiner Ungerechtigkeit und all dem Leid weiter global forciert wird.

Grundlage ihrer Arbeit ist die Verordnung (EG) 2007/2004 des Rates der Europäischen Union. Am 26. Oktober 2004 verabschiedet der Rat der Europäischen Union besagte Verordnung zur Schaffung der Agentur Frontex. Ihre Hauptaufgabe, so sieht es die Verordnung vor, sollte in der Verbesserung der Koordinierung der operativen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes der Aussengrenze der Mitgliedstaaten liegen. Gleichzeitig wird aber auch die Unterstützung der Mitgliedsstaaten in ihrer hoheitlichen Aufgabe der Grenzsicherung, sowie der Abschiebung von nicht aufenthaltsberechtigten Ausländern, hervorgehoben.

Im Mai 2005 nahm Frontex seine teilweise sicherheitspolitisch als notwendig erklärte oder aber teilweise ganz verschwiegene Arbeit auf. Im September 2007 wurde das Hauptquartier in Warschau, Polen bezogen. Seitdem ist Frontex schnell gewachsen. Von 2008 (42 Millionen Euro) auf 2010 wird das Budget auf 87 Mio Euro mehr als verdoppelt. Auf das Budget beschränkt sich schon die parlamentarische Kontrolle der Agentur. Oberstes Gremium von Frontex ist der Verwaltungsrat. Bei den Vertretern der Mitgliedstaaten handelt es sich meist um die höchsten Beamten der nationalen Grenzpolizeien.

Da sich Frontex als Agentur an der Schnittstelle von Grenzpolizei und Geheimdiensten sieht, werden diese Informationen nicht veröffentlicht, sondern nur an die Grenzbehörden der Mitgliedsstaaten und Institutionen, wie etwa Europol, übermittelt. Daher ist eine Überprüfung durch die Öffentlichkeit nicht gewährleistet. Seit den 90er-Jahren entsendet die Europäische Union technische Berater, vor allem in Länder, die als Beitrittskandidaten die Eindämmung der Zuwanderung organisieren sollen. Und 2004 wurde die "feste Ansiedlung von Verbindungsnetzen für Einwanderungsangelegenheiten in den relevanten Drittländern" beschlossen, mit dem Ziel, "die Regulierung von Wanderungsbewegungen […] zu verbessern, illegale Zuwanderung zu verhindern und zu bekämpfen […] sowie die Rückkehrproblematik anzugehen".

Hier erscheint die Zuwanderung schon als "illegal", bevor sie überhaupt stattfindet. Und die wichtigste Aufgabe der Mitarbeiter jener Verbindungsnetze sollte darin bestehen, den lokalen Behörden auf den Flughäfen bei der Überprüfung der Reisedokumente zur Hand zu gehen - eine Praxis, die nicht zuletzt auch eine Missachtung der Souveränität des Abfluglandes bedeutet.

Diese Quasiprivatisierung der Kontrollen reduziert automatisch den Überprüfungsaufwand am Zielort der Reise. Aber die Folgen dieser Praxis sind weitreichender: In Fällen, bei denen der Grund der Ausreise darin besteht, in einem anderen Land Schutz zu finden und Asyl zu beantragen, kann man den betreffenden Personen nicht ihre "Illegalität" oder ein fehlendes Visum vorwerfen. In jedem Fall müssten sie zunächst einmal im Zielland ankommen, bevor sie abgewiesen werden können. Im August 2007 verurteilte ein italienisches Gericht sieben tunesische Fischer wegen "Beihilfe zur illegalen Einwanderung" zu Gefängnisstrafen und konfiszierte ihre Boote. Ihr Vergehen bestand darin, die Passagiere eines sinkenden Flüchtlingsboots gerettet und gemäss den Bestimmungen des internationalen Seerechts in den nächstgelegenen Hafen Lampedusa gebracht zu haben. So wird die Hilfe für Menschen in Todesnot illegalisiert, nur weil sie nicht dem rassistischen Weltbild des verwertbaren Humankapitals entsprechen.

Seit 2005 koordiniert Frontex die Abfangaktionen auf See. Ihr Einsatzgebiet erstreckt sich von der afrikanischen Küste über die Kanarischen Inseln bis in die Strasse von Sizilien. Auch hier lässt sich vermuten, dass Menschen gezielt und direkt ermordet werden. So gibt es verschiedene Zeugenaussagen, die nahelegen, dass auch europäische Küstenwachen gezielt Flüchtlingsboote versenken. Der spanische Ministerpräsident Zapatero konnte Ende 2009 erfreut bekannt geben, dass sich die Zahl der auf dem Seeweg ins Land gelangten Illegalen halbiert habe. Allerdings scheint die Zahl derer, die auf den Migrationsrouten durch die Wüste und über das Meer ihr Leben lassen, nicht gesunken zu sein.

Durch die neu errichteten Hindernisse lassen sich die zur Auswanderung Entschlossenen nicht abschrecken. Sie sind nun aber gezwungen, längere und gefährlichere Routen zu wählen. Das Interesse der EU-Staaten ist also klar die Verringerung der Einwanderung auf Kosten von Menschenleben. Die Vorschriften für die Zuwanderung in EU-Staaten sehen vor, Migranten darauf zu überprüfen, ob sie als Asylbewerber in Frage kommen. Unter welchen Umständen (und ob überhaupt) dies bei den Frontex-Einsätzen in irgendeiner Weise geschieht, ist unklar, da das Programm keinerlei demokratischer Kontrolle untersteht. Aber vermutlich wird dieses Menschenrecht stark vernachlässigt oder gar ganz igrnoriert.

Die Externalisierung der Grenzüberwachung bildet ebenso den Hintergrund für die "globale Partnerschaft mit den Herkunfts- und Transitländern", die von den 27 EU-Staaten 2008 im "Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl" beschlossen wurde. Die treibende Kraft hinter dieser Entschliessung war Frankreich, das die Bekämpfung der "geduldeten Zuwanderung" (immigration subie) zum politischen Thema seiner damaligen Ratspräsidentschaft gemacht hatte. Unter Berufung auf die "Förderung von Synergien zwischen Migration und Entwicklung" drängt der Pakt jene Länder weiter in die Rolle von Grenzwächtern der EU, aus denen die Migranten kommen oder durch die sie ihren Weg nach Europa finden. Als Gegenleistung für den Schutz Europas von Aussen, winken ihnen politische oder finanzielle Vergünstigungen.

So erhielt Marokko 2008 mit der Gewährung des "fortgeschrittenen Status" (statut avancé) im Verhältnis zur EU den Lohn für seine anhaltenden Bemühungen, den europäischen Erwartungen in der Migrationspolitik zu entsprechen. Im Oktober 2005 waren bei dem Versuch, die Drahtzäune der spanischen Enklaven Ceuta und Melilla zu überwinden, etwa zwanzig Menschen aus den Subsahara-Ländern ums Leben gekommen, weil sie stürzten, erstickten oder weil die marokkanische Armee sie unter Beschuss nahm. Die marokkanische Führung versuchte nicht, dieses Massaker zu verheimlichen - und auch nicht, dass anschliessend Migranten in ein Wüstengebiet an der abgeriegelten Grenze zu Algerien gebracht wurden, was weitere Todesopfer forderte.

Mit dieser Vorverlagerung von Abwehrmassnahmen, für die das Frontex-Programm das Paradebeispiel ist, können sich die europäischen Staaten überdies der Verpflichtung zur Achtung von Grundrechten entziehen, die sie für ihr eigenes Territorium durch die Ratifizierung internationaler Konventionen eingegangen sind.

So sind Deutschland und Frankreich als Achsenmächte in Europa die Urheber von Schiessbefehlen an den EU-Aussengrenzen und es ist nicht zu erwarten, dass diese jemals juristisch aufgearbeitet werden, wie es vermeintlich in Deutschland nach der Wiedervereinigung der Fall ist. Daher ist klar zu erkennen, dass hier mit minderwertigem Leben „gerechnet“ und rassistischer Mord mit Unterstützung zumindest gebilligt wird.

So wird wiedereinmal gezeigt, wie sich Deutschland (und natürlich auch Frankreich) als Schreibtischtäter oder seltener direkt an grenzenlosen Verbrechen schuldig macht und damit rechnet, nie dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Für einen D-Day der unterdrückten Massen!

Publiziert von Antirassist_in