Die Räumung der autonomen Fabrik ROG Slowenien: Die antiautoritäre Linke in Zeiten von Corona

Politik

12. Februar 2021

Am 19.10.2020 erklärte die slowenische Regierung, zunächst auf 30 Tage beschränkt, den “pandemischen Notstand”.

Die AT (Avtonomna Tovarna
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Die AT (Avtonomna Tovarna Foto: Tit Bonač (CC BY 2.0 cropped)

12. Februar 2021
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Bereits zuvor gab es wegen der steigenden Zahlen an Erkrankten diverse Einschränkungen. So wurde das Recht auf Versammlungen auf 5 Menschen mit Mindestabstand eingeschränkt oder das Recht der Bewegungsfreiheit, in dem es untersagt wurde zwischen “kritischen Regionen” (Gebiete mit einer hohen Anzahl von Neuinfektionen) zu pendeln.

Die “zweite Corona Welle” in Slowenien und die repressiven Massnahmen der Regierung

Mit der Erklärung des “pandemischen Notstandes” wurde auch eine nächtliche Ausgangssperre mit Beginn der 20.10., geltend von 21h bis 6h verkündet. Der Präsenzunterricht an den Schulen wurde eingestellt. Es war gänzlich verboten die Heimatregion zu verlassen und in andere Regionen des Landes zu fahren. Die Grenzen wurden wieder fast komplett abgeriegelt.

Trotz der strengen Massnahmen starben weltweit über Wochen im Durchschnitt nirgendwo auf der Welt mehr Menschen in Verbindung mit Covid 19 als in Slowenien. Dies lag zu einem Teil daran, dass die Menschen alle immer noch zur Arbeit gehen mussten und es z.B. keine Regelungen in Bezug auf Home Office gab. Der entscheidendere Faktor war aber, dass die rechtsextreme Regierung keinerlei Vorkehrungen für eine “zweite Covid-19-Welle” getroffen hatte und völlig überfordert und unkoordiniert darauf reagierte.

In den folgenden Wochen wurden weitere Massnahmenpakete (PKP 6 und PKP 7) beschlossen und wie bereits während der “ersten Welle” beinhalteten diese Massnahmen Regelungen, die eindeutig nicht zur Beendigung bzw. Eindämmung von Covid-19 bestimmt waren, sondern auf die Einschränkung der “Zivilgesellschaft” abzielten.

Die Massnahmen, die zur Eindämmung von Covid-19 dienen sollten waren: Es wurde (wie im Frühjahr) untersagt von einer Gemeinde in die Nachbargemeinde zu fahren, ausser es lag ein “wichtiger Grund” vor. Der Mund-Nasen-Schutz musste auch im Freien getragen werden. Das öffentliche Leben wurde eingeschränkt, es hatten (und haben bis heute, Anfang Februar) nur noch lebenswichtige Geschäfte geöffnet. Der öffentliche Personennahverkehr wurde zeitweise völlig eingestellt, alle Veranstaltungen, ausser denen des Spitzensports, wurden verboten.

Allerdings wurden auch diverse Massnahmen, die nicht im Entferntesten etwas mit der Eindämmung von Covid-19 zu tun hatten, erlassen. So wurde die Teilnahme an einer öffentlichen Versammlung (Protest, Demonstration) unter Androhung einer Geldbusse gestellt (400,-€ bis über 1000,-€). Ebenso wurde beschlossen, allein den Aufruf zu Protesten, ob in sozialen Medien oder auf andere Art und Weise, mit Geldstrafen zu ahnden. Den Organisator*innen drohen seitdem Strafen bis zu 15.000,-€. Das Durchschnittsgehalt in Slowenien liegt bei ca. 1000,-€, daher stellen 400,-€ bereits eine saftige Strafe dar.

Allerdings steht zu bezweifeln, ob diese Massnahmen überhaupt “legal” bzw. gesetzeskonform sind. Anfang Januar wurde eine der Massnahmen, den Fernunterricht an Schulen betreffend, vom Obersten Gericht als nicht rechtens angesehen. Begründet wurde dies damit, dass die Verlängerung der Massnahme immer neu hätte begründet werden müssen, inwieweit sie dazu beitragen Covid-19 einzudämmen und es deshalb gerechtfertigt wäre die Rechte der Menschen einzuschränken. Ausserdem hätte dies im Amtsblatt der Republik Slowenien publik gemacht werden müssen, was auch nicht geschehen war.

Daher ist es fraglich, ob zum Beispiel verhängte Bussgelder wegen Teilnahme an Protesten überhaupt legal sind, da diese Massnahme auch nie formal richtig verlängert wurde. Dies trifft auf alle Massnahmen zu und selbst nach dem Urteil des obersten Gerichts kriegt es die gegenwärtige Regierung nicht hin die Massnahmen richtig zu begründen und zu verlängern.

Im Januar hat die “Versammlung der Freitagsproteste” daher eine Anwaltskanzlei beauftragt, gegen Strafmandate zu prozessieren. Es gab aber noch keine Verhandlung und ein entsprechendes Urteil.

Darüber Hinaus ist es zweifelhaft, ob Massnahmen und Gesetzesvorschläge, an denen der momentane Innenminister Hojs beteiligt ist, überhaupt gültig sind, da er im Sommer unwiderruflich zurückgetreten ist. Der Grund, warum er trotzdem immer noch im Amt ist, liegt daran, dass der Regierungschef das Kuvert mit der Kündigung einfach nicht geöffnet hat und es so nicht im Amtsblatt der Republik Slowenien veröffentlicht wurde. Auch gegen diesen Vorgang wurde eine Klage vor einem Gericht eingereicht.

Selbstverständlich nutzte die rechtsextreme Regierung den pandemischen Notstand, um den Staat, die Kultur und die Medien weiter nach ungarischen Vorbild umzubauen. Stellen in Museen, dem Fernsehen und der Polizei wurden mit Menschen besetzt, die zwar fachlich nicht oder nur ungenügend geeignet sind, aber dafür dem Kurs der Regierungspartei SDS folgen.

Aber nicht nur auf das politische und kulturelle Leben haben die strengen Covid-19 Massnahmen Auswirkungen. So stieg die Anzahl der Fälle von häuslicher Gewalt um 20%, ebenso die Anzahl der Selbstmordversuche, besonders unter Jugendlichen. In dieser Gruppe stieg die Anzahl die Suizidversuche um 30%. Eine weitere Gruppe an Menschen, die besonders unter den Covid-19 Massnahmen leiden sind die Obdachlosen. Sie werden von öffentlichen Plätzen vertrieben oder erhalten Strafen von 400,-€, wenn sie in der Öffentlichkeit zusammen sitzen oder nach der Ausgangssperre im Freien von den Cops kontrolliert werden, weil sie in Hauseingängen u.ä. schlafen. Auswirkungen der Massnahmen auf die Protestbewegung

“Freitagsproteste”

Bei den freitäglichen Protesten gegen die rechtsextreme Regierung und die Covid-19 Massnahmen kam es bereits vor der Verkündung des pandemischen Notstandes zu stärkeren Kontrollen durch die Cops und Beamt*innen des Gesundheitsamtes. Die letzten „grossen“ Proteste mit mehreren Tausend Teilnehmer*innen fanden am 09.10. und am 16.10. statt. Danach wurden die Proteste, wie im Frühjahr, zunächst von den Balkonen aus fortgesetzt.

Ende Oktober gab es in der Hauptstadt noch kleinere Protestaktion im Freien, dabei gingen Kleingruppen von jeweils 5 Menschen mit Schildern und Plakaten spazieren. Dies fand weit ausserhalb des Stadtzentrums statt und es kam zu keinerlei Kontrollen. Bis Ende November gab es aber keine Strassenproteste an den Freitagen in der Innenstadt mehr. Am 19. November gab es noch eine kleine Aktion gegen die Genehmigung der zusätzlichen Gelder für die Armee, (780 Mio. ,-€ soll diese in den nächsten Jahren zusätzlich erhalten) bei der Aktivist*innen abwechselnd 780 Runden mit dem Fahrrad auf dem Platz der Republik drehten.

Ende November wurde dann wieder zum Protest in der Innenstadt aufgerufen. Unter dem Motto „Z dveh koles na štiri“ (von zwei auf vier Rädern) sollten Aktivist*innen im Auto durch die Strassen der Hauptstadt fahren. Obwohl der Protest konform mit den Covid-19 Massnahmen war, erhielten die Teilnehmer*innen eine Strafe. Diesmal nicht wegen Verstoss gegen das Versammlungsverbot, sondern wegen öffentlichem Hupen (was in Slowenien nicht verboten ist). Der Protest per Auto wurde an den nächsten Freitagen fortgesetzt.

Während es also für Corona-konformen Protest Strafen gab, konnten sich Menschen beispielsweise auf dem Weihnachtsmarkt in Ljubljana in grösseren Gruppen zusammenfinden ohne dass Geldbussen verhängt wurden. Die ausgestellten Strafbefehle hatten rein repressiven Charakter und sollten die Menschen von Protesten abhalten. In anderen Städten, wie Izola, Velenje oder Celje, in denen auch an den Freitagen protestiert wurde, gab es weder beobachtende Polizei noch Kontrollen.

Am Freitag vor Weihnachten stiegen die Aktivist*innen aus den Autos aus und begannen allein oder zu zweit mit Schildern bzw. Regenschirmen auf denen politische Parolen standen, zu protestieren. Bis Mitte Januar wurde auf diese Art und Weise protestiert, wobei sich die Polizei beim letzten “Freitagsprotest” mit Strafen zurück hielt, als bekannt wurde, dass die Aktivist*innen die Anwaltskanzlei des UEFA-Präsidenten Ceferin damit beauftragt hatten, die Rechtmässigkeit der ständigen Kontrollen zu überprüfen. Am 22.01. gab es wegen der Demonstration anlässlich der Räumung des AT ROG keinen eigenen “Freitagsprotest”.

“Anonymous” Demo am 05.11.2020

Eine Ausnahme bei den Protesten bildet die Demonstration am 05.11.2020 in Ljubljana. Dieser Protest hatte nichts mit den üblichen Protesten gegen die Regierung zu tun. Von der antiautoritären Linken bis zu den Aktivist*innen hinter den “Freitagsprotesten” distanzierten sich alle Gruppen von dieser Demonstration und nahmen nicht teil.

Organisiert wurde die Demonstration von “Anonymous” Slowenien im Rahmen des globalen „Million Mask March“. Kurze Zeit später mobilisierte der slowenische Q-Anon Ableger “OPS” ebenfalls für den Protest. Nach einer Distanzierung von “Anonymous” protestierte “OPS” schlussendlich doch am 05.11. allerdings Stunden vor dem Beginn der “Anonymous” Demonstration.

Trotzdem kam auch zu dem Protest von “Anonymous” eine illustre Mischung aus Nazis, Hools und Verschwörungstheoretiker*innen jedwelcher Couleur. Kurz nach dem Beginn der Demonstration begannen, wie alle befürchtet hatten, Ausschreitungen in der Innenstadt von Ljubljana. Befürchtet deshalb, weil der Innenminister seit Monaten versuchte den Einsatz der Armee im Inneren des Landes bzw. zum Grenzschutz durchzusetzen. Diese Versuche wurden vom Parlament aber immer wieder abgelehnt. Mit den Ausschreitungen im Rücken hätte er einfacher sein Ziel durchsetzen können.

Die Ausschreitungen begannen auf dem Platz der Republik, wo die Cops mit Flaschen und Pyrotechnik beworfen wurde. Im Gegenzug gab es Tränengas für die Menge. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Randale von Nazis und Hools dominiert. Ein Journalist wurde während der Krawalle angegriffen und schwer verletzt. Wie sich später herausstellte geschah dies durch einen Nazi-Hool aus Maribor, der wegen der Einschränkung der Bewegungsfreiheit eigentlich nicht in Ljubljana hätte sein dürfen.

Nach circa einer Stunde änderte sich aber das Bild. Bereits seit Ausrufung der Ausgangssperre hatten Jugendliche aus den Vorstädten die Cops immer wieder vereinzelt angegriffen, wenn sie zum Beispiel eine nächtliche Ansammlung auflösen wollten. Im Laufe der Ausschreitungen am 5. November übernahmen diese Jugendliche immer mehr das Kommando. Der Info Shop in Ljubljana hat zu dieser Dynamik einen Text veröffentlicht, der auch übersetzt worden ist.

Die Cops wurde an diesem Abend immer mehr in die Defensive gedrängt und konnten den völligen Kontrollverlust nur noch mit Hilfe von Wasserwerfern und Tränengas vermeiden. Die Ausschreitungen dauerten über drei Stunden, 15 Cops wurden dabei verletzt. Es waren die heftigsten Ausschreitungen seit den Riots von 2012/13.

Demonstrationen gegen die Schulschliessung in den Regionen Zasavje und Küste-Karst

Am Samstag, den 30.01.2021 fand eine spontane Demonstration in der Stadt Trbovlje (Zasavje Region) statt. Es kamen über 300 Menschen. Grund für die Demonstration war die am Freitag erneut verkündete Schliessung der Schulen und Kindergärten. Erst drei Tage zuvor war die Öffnung der Schulen und Kindergärten verkündet und dann am Freitag, den 29.01. wieder aufgehoben hoben.

In manchen Schulen waren die Kinder seit Herbst nicht mehr anwesend gewesen und wurden nur per Zoom fernunterrichtet. Dabei wurde aber übersehen, dass es nicht allen möglich war, dem Unterricht zu folgen, u.a. es weil sie keinen Computer zur Verfügung hatten. Darüber hinaus gab es keine Möglichkeit, Kinder zu betreuen, da wegen der fehlenden Regelungen zum Home Office viele Eltern selbst arbeiten gehen mussten. Die Schule ist für viele Kinder auch der Ort, wo sie die einzige warme Mahlzeit am Tag bekommen.

Der Protest breitete sich auch auf andere Regionen aus. Am 31. Januar gingen am Morgen in Koper, einer Stadt an der Adria, etwa 3000 Menschen gegen die Schulschliessungen in ihrer Region auf die Strasse, es kam zu Protesten in weiteren Städten in der Küsten-Karst-Region. Am Nachmittag folgten dann weitere Proteste u.a. in Ljubljana, Celje, Maribor und Kranj.

Am ersten und zweiten Februar gingen die Proteste in einzelnen Städten weiter. Einige der Menschen, die am 30.01. in Trbovlje auf die Strasse gegangen waren, erhielten noch am selben Abend oder am nächsten Morgen Besuch von den Cops und es ergingen Strafbefehle wegen Verstössen gegen das Versammlungsverbot. Dabei wurde die bisherige Rekordstrafe von über 2000,-€ wegen Teilnahme an einem Protest verhängt. Ähnliche Repression gab es in den nächsten Tagen in anderen Städten.

Ob sich aus diesen Protesten eine breitere und nachhaltigere Protestwelle entwickelt, lässt sich im Moment noch nicht sagen, da ausser der Forderung nach Schulöffnungen keine weiteren Forderungen gestellt werden. Die spontanen Proteste zeigen aber, wie satt die Menschen die Massnahmen der Regierung haben, die zum Zeitpunkt des Protestes in Trbovlje teilweise über 100 Tage in Kraft waren.

Antiautoritäre Linke

War die antiautoritäre Linke in Slowenien noch prägend bei den Protesten gegen die Regierung im Frühjahr und Sommer, so war sie ab Herbst bei den freitäglichen Protesten nicht mehr sichtbar vertreten. In ihrem Text „Premislek z balkonov – kam naprej?“ (Erwägungen vom Balkon – wie weiter / veröffentlicht auf komunal.org am 03.11.2020) zogen sie eine Bilanz der bisherigen Proteste gegen die Regierung und die Corona-Massnahmen. In diesem Text analysierten sie zuerst die Mobilisierung zu den Protesten im Frühjahr, danach folgte eine Analyse der Auswirkungen der Proteste.

Sie kamen zu dem Schluss, dass die Proteste im Laufe der Zeit immer mehr zu einem Ritual wurden und so an Wirkung und Gefahr gegenüber der Regierung abnahmen. Auch kamen sie zu dem Schluss, dass nur „gegen die Regierung zu sein“ zu einfach sei und es auch Nationalist*innen oder Verschwörungstheoretiker*innen ermöglicht sich mit den Protesten zu identifizieren und daran teilzunehmen. Was aber fehlen würde, wäre die Vision der antiautoritären Linken von der Gesellschaft im Allgemeinen in den Protesten zu verankern, beziehungsweise zu verbreiten. Es folgte ein Abschnitt über die Repression bei den Protesten und warum sie politische Repräsentation in Parlamenten ablehnen.

Im letzten Teil des Textes stellen sie die Frage nach dem weiteren Handeln: „Die Infrastruktur der Bewegung, die wir in Zukunft erhalten und ausbauen müssen, spielte bei dieser Mobilisierung erneut eine wichtige Rolle: autonome Räume, Gegenmedien und Verteilung von Propagandamaterial, Gegenkultur, Theorie, Politik, gegenseitige Hilfe und Solidarität im Rahmen einer Gegenökonomie. Alle diese Elemente tragen wesentlich zur Stärke der gesamten Bewegung während der Mobilisierung bei.“ ... „Wenn Proteste zu einem Ritual werden, verlieren sie auch ihre politische Verantwortung, wenn sie vorhersehbar werden, verlieren sie ihr Kampfpotential und wenn anstelle einer wütenden Menge Performance, Bühne und ein Soundsystem dominieren, wird der Protest zu einem unpolitischen Festival.“ … „Wieder einmal wurde die Notwendigkeit bekräftigt, die eigene Identität zu schützen. Wir leben in einer Gesellschaft zunehmender Kontrolle, … Ein Beispiel ist die ständige Überwachung von Protesten durch einen Van, der mit Technik zur Gesichtserkennung ausgestattet ist oder durch andere Einheiten die auf die Sammlung von mobilen Daten spezialisiert sind. Diejenigen, die es sich nicht leisten können, Geldstrafen zu zahlen und diejenigen, die wegen ihrer Arbeit nicht öffentlich von den Medien gelyncht werden wollen, sind gezwungen, sich zu verteidigen, insbesondere wenn sie langfristig Teil der Bewegung bleiben wollen.“ (Da der Text sehr lang ist und es keine Übersetzung auf Deutsch oder Englisch gibt, kann ich nur einzelne Teile des Textes an dieser Stelle zitieren)

Dies war eine Absage an die Freitagsproteste in der Form, wie sie seit dem Spätsommer stattfanden. Riefen am Anfang der Proteste unterschiedlichste Gruppen zu den Protesten auf, reduzierte sich dies ab der genannten Zeit auf einige wenige Gruppen. Auch rückten Mitglieder dieser Gruppen immer mehr in den Fokus der Medien oder wurden als die eigentlichen Organisator*innen der Proteste angesehen. Mit dieser Entwicklung war die antiautoritäre Linke aus verständlichen Gründen nicht einverstanden.

In der Folge begann die antiautoritäre Linke also aus dem Strassenprotest zu verschwinden und suchte nach anderen Wegen. Eine Initiative in der sie von Anfang an involviert war und ist, ist jene gegen die nächtliche Ausgangssperre. Schon in der ersten Nacht der Ausgangssperre begann die antiautoritäre Linke Ljubljana mit Graffiti gegen die Sperrstunde oder antiautoritären Parolen zu überziehen. Mittlerweile gibt es daher unzählige Graffitis mit antiautoritären Botschaften in der ganzen Stadt. Auch in anderen Städten Sloweniens wurden immer wieder Graffiti mit antiautoritären Botschaften gesprüht. An manchen Freitagen wurden zu Beginn der Ausgangssperre Feuerwerk gezündet.

Daneben wurden verschiedene Texte veröffentlicht. Zwei davon liegen auch auf deutsch vor. “Anarchistische Initiative Ljubljana: Produzieren, konsumieren, gehorchen!” sowie “Statement der Anarchistischen Initiative Ljubljana: Dies ist erst der Anfang.” Ein anderer Weg, um ihre Vision von einer zukünftigen Gesellschaft sowie das Eingehen auf aktuelle Ereignisse voranzubringen, ist die Verteilung des Newsletters “Anarhistka”. Die Ausgaben 40 und 41 wurden im ganzen Land verschickt und Menschen vor Ort haben diese dann in Briefkästen verteilt.

Erst mit der Räumung des AT ROG trat der antikapitalistische Block bzw. die antiautoritäre Linke wieder auf der Strasse in Erscheinung. Davor gab es zwar kleinere Aktionen an Freitagen auf dem Weihnachtsmarkt, wo jedoch nur einzelne Aktivist*innen kurzzeitig Banner entrollten.

Zur 100. Nacht der Ausgangssperre am 29.01.21 rief die antiautoritäre Linke zu zivilem Ungehorsam ab 21.01h auf. Leider blieb der Aufruf weitestgehend ungehört und ausser ein paar neuen Graffiti gegen die Ausgangssperre gab es keine weiteren Aktionen.

Angriffe auf die Zivilgesellschaft und die antiautoritäre Linke ab dem Herbst 2020

Die Freitagsdemonstration am 09.10.2020 gegen die rechtsextreme Regierung fand unter dem Eindruck von rasant ansteigenden Corona Infektionen statt. Es war die 25. Demo an einem Freitag in Folge seit Ende April. Die Menschen sollten wieder auf Fahrrädern kommen, um den Abstand zwischen einander automatisch zu vergrössern. Von Beginn der Demo an versuchte die Polizei das in der Mitte der Woche ausgesprochene Verbot von Versammlungen mit mehr als fünf Menschen durchzusetzen.

Die Ausweise von Menschen wurden durch Cops und Beamt*innen des Gesundheitsamtes kontrolliert und Strafbefehle ausgestellt. Vor allem Frauen waren Ziel der Kontrollen, selbst wenn sie offensichtlich nicht an dem Protest teilnahmen, sondern etliche Meter davon entfernt daran vorbeiliefen. Es gab Sprechchöre gegen diese Massnahme und die Stimmung war gespannt.

Als dann eine Gruppe von „schwarzgekleideten Menschen“ (Aussage der Polizei) den Platz der Republik betrat, griffen die Cops diese Menschen ohne Grund an. Einige waren Teil der antiautoritären Bewegung, andere waren nur in schwarz gekleidet. In etlichen Videos von dem Abend ist zu sehen, wie die Riotcops von hinten angriffen, während der*die entsprechende Mensch mit dem Rücken zu ihnen stand und von den Gesundheitsinspektor*innen abgelenkt war, die Ausweise kontrollierten. Es gab Ingewahrsamnahmen und Verletzungen.

Die Menschen in Gewahrsam wurden auf die Polizeistation in der Trdinova Strasse gebracht. Deshalb zog der Protest aus Solidarität vom Platz der Republik zur Trdinova. Vor der Polizeistation blockierten die Cops die Strasse zu beiden Seiten, damit nicht direkt vor der Station demonstriert wurde. Es kam wieder zu Übergriffen auf protestierende Menschen.

Nach dem Angriff im Juni bei einer der Freitagsdemonstrationen war dies der zweite Angriff der Cops auf die antiautoritäre Linke.

Kündigung der Gruppen in der Metelkova 6

In der Metelkova 6 sind zahlreiche zivilgesellschaftliche und kulturelle Gruppen und Organisationen ansässig, wie u.a. das Mirovni inštitut (Friedensinstitut), Mesto žensk (Stadt der Frauen), Institut 8. Marec (begannen u.a. in Slowenien die metoo-Debatte), ŠKUC (Organisation zur Förderung unabhängiger Kultur), NSK-Staat (Laibach und andere NSK-Künstler*innen), SCCA (Institut für contemporary arts) und weitere. Am 19.10. erhielten diese Gruppen und Organisationen einen Brief vom Ministerium für Kultur, in welchem vorgeschlagen wurde, dass sie das Gebäude in der Metelkova 6 einvernehmlich bis zum 31.01.2021 verlassen sollen. Falls sie dies nicht machen würden, drohte das Ministerium mit Gerichtsverfahren auf Kosten der Nutzer*innen. Als Grund wurde Eigenbedarf benannt und die Absicht, die Gebäude dafür zu renovieren. Das ehemalige Kasernengelände Metelkova ist im Besitz des Staates Slowenien. Allerdings ist im Budget des Ministeriums eine Renovierung nicht vor 2023 vorgesehen.

Von Seiten des Ministeriums wurden keine Ersatzgebäude angeboten oder überhaupt das Gespräch gesucht. Die Kündigung des Mietverhältnisses geschah ohne vorherige Ankündigung und an dem gleichen Tag an dem die Ausgangssperre angekündigt wurde.

Die Kündigung stellt einen Angriff auf die Zivilgesellschaft und die unabhängige Kultur dar mit der Absicht eine kritische Öffentlichkeit zu zerstören. Diese Absicht hat die Regierungspartei SDS nie versteckt, sondern oft öffentlich verkündet. Die Organisationen in Metelkova 6 stammen aus dem Umfeld der zivilrechtlichen Bewegungen, die in den 80er-Jahren die Demokratisierung und Demilitarisierung vorantrieben und so einen wichtigen Beitrag zu einer demokratischen Verfassung nach der Unabhängigkeit des Landes leisteten. Die Besetzung des ehemaligen Hauptquartiers der jugoslawischen Armee in der Metelkova Strasse durch Künstler*innen, Artist*innen und Aktivist*innen ist ein Schlüsselmoment dieses Beitrages. Das Hauptquartier wurde zu einem öffentlichen Ort wo Diversität, Solidarität, Dialog und kritisches Denken respektiert und gefördert werden.

Der derzeitige Regierungschef von Slowenien betrachtete sich einst selbst als „Friedensaktivist“, aber mittlerweile möchte er die Werte und die Geschichte des Ortes auslöschen. Statt Entmilitarisierung erhält die slowenische Armee in den nächsten Jahren 780 Millionen Euro an Geldern für Waffenkäufe. Es gab dagegen eine Unterschriftensammlung für ein Referendum und obwohl die nötige Anzahl (und viele mehr) an Unterschriften innerhalb kürzester Zeit gesammelt wurden, lehnte die Regierung das Referendum ab. Eine Klage gegen diese Ablehnung ist eingereicht.

Die Kündigung der Mietverträge ist in die Umwandlung Sloweniens nach ungarischem Vorbild in eine illiberale Demokratie einzuordnen in der die kritische Zivilgesellschaft immer mehr und mehr geschwächt werden soll.

In einer öffentlichen Antwort, die auf verschiedenen Wegen am 28.10. veröffentlicht wurde, informierten die Gruppen und Organisationen das Ministerium für Kultur und die Regierung der Republik Slowenien davon, dass sie das Gebäude in der Metelkova nicht zum genannten Zeitpunkt verlassen werden und sie mit allen nötigen Mitteln gegen den Angriff auf die Zivilgesellschaft, die unabhängige Kultur und Demokratie widerstehen werden. Andere Gruppen und Organisationen, die sich auf dem Metelkova Gelände befinden, sagten ihre Unterstützung gegen die Kündigung der Räumlichkeiten zu. Wie es weitergeht ist im Moment noch offen.

Streichung der Gelder von Radio Študent

Anfang Januar wurde öffentlich, dass dem Radiosender „Radio Študent“ für 2021 die Gelder gestrichen werden sollen. Der Sender wurde 1969 gegründet und ist einer der ältesten und grössten nicht kommerziellen Radiosender in Europa. Er bietet vielen Gruppen eine Plattform, unter anderem der anarchistischen Sendung „Črna luknja“ (Schwarzes Loch) oder LGBTIQ-Gruppen mit der Sendung „Lezbomanija“. Ausserdem berichtet er über aktuelle Ereignisse und kulturelle Phänomene.

Die ŠOU, die Student*innenorganisation der Universität von Ljubljana (vergleichbar mit dem Studentenwerk) sah in dem aktuellen Finanzplan keine Gelder für den Sender mehr vor. Das Verhältnis von Sender und der ŠOU war bereits seit Jahren angespannt. Hatte der Sender gehofft, für 2021 wenigstens 120.000,-€ zu erhalten, beschloss die ŠOU den Radiosender komplett leer ausgehen zu lassen. Offiziell wird dies mit Mindereinnahmen und Sparmassnahmen wegen Covid-19 begründet, aber der wahre Grund dürfte darin liegen, dass der Radiosender kritisch über die Struktur und das Management der Student*innenorganisation berichtete.

Obwohl der Sender teilweise durch Gelder aus europäischen und slowenischen Projekten finanziert wird, hätte das Ausbleiben der ŠOU-Gelder das Aus des Senders bedeutet.

Mitte Januar wurde der Finanzplan in dem die Streichung der Gelder vorgesehen war von der Vollversammlung der Studierenden abgelehnt und er wird neu aufgestellt. In der Zwischenzeit beteiligten sich über 300 Organisationen und mehr als 11.000 Menschen an der Petition zum Erhalt des Radiosenders.

Auch die Einstellung der Finanzierung des Senders lässt sich in die Angriffe auf die Pressefreiheit in Slowenien seit März 2020 einordnen. Obwohl die Regierung bei der Vergabe der Gelder der ŠOU nicht direkt beteiligt ist, folgt die Streichung der Gelder doch dem Klima in dem die Regierung die Pressefreiheit immer mehr einschränkt und es für manche Menschen mittlerweile „normal“ erscheint genau dies zu tun. Zuletzt wurde durch Klemen Petek, dem Vorsitzenden der ŠOU, ein neuer Finanzierungsvorschlag gemacht. Das Radio soll 64.000,-€ bekommen, also circa die Hälfte dessen, was benötigt wird. Am 28.01. fand die Beratung darüber statt, die wurde dann aber wegen technischer Probleme unterbrochen. Leider findet die Sitzung zu den Geldern und der Zukunft des Radios daher erst nach Veröffentlichung des Artikels statt.

Räumung der Autonomen Fabrik ROG

Die AT (Avtonomna Tovarna / Autonome Fabrik) ROG wurde 2006 besetzt nachdem der Fahrradhersteller Rog das Gebäude wegen dem logistischen Aufwand verlassen hatte und das gesamte Gelände 15 Jahre leer gestanden hatte. Auf dem etwa 7000 qm grossen Gelände fanden viele Gruppen Platz. Es gab u.a. Galerien, Studios von Künstler*innen, zwei Skateparks, das Rog social centre für benachteiligte Gruppen (wie Migrant*innen aus den Staaten des ehemaligen Ex-Jugoslawiens und Refugees), verschiedene Räume für Konzerte und Partys, eine Werkstatt für Fahrradreparatur, und viele Dinge mehr.

Die Stadt Ljubljana ist seit 2002 Eigentümerin des Geländes der AT ROG. Für viele Refugees war das ROG der einzige Ort in Ljubljana zu dem sie angstfrei gehen konnten. Dort lernten sie beispielsweise Slowenisch und konnten von ihren Erlebnissen erzählen, bekamen Unterstützung bei behördlichen Problemen und waren fixer Bestandteil des Projekts.

Bereits am 06.06.2016 drangen Bauarbeiter*innen in das Gelände ein, um mit der Zerstörung der Häuser zu beginnen. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Security-Firmen, welche den Abriss bewachen sollten und Nutzer*innen und Sympathisant*innen des AT ROG. Das Vorhaben des Abrisses wurde am 14.06.2016 von einem Gericht vorläufig gestoppt bis der Konflikt um die Nutzung des Rog-Areals endgültig von einem Gericht geklärt wurde. Alle Urteile seitdem gingen zu Gunsten der klagenden ROG-Nutzer*innen aus. Die Stadt legt dagegen Einspruch ein. Die Gerichte haben noch nicht über den Einspruch entschieden.

Im Sommer 2020 verschärfte die Stadt Ljubljana ihre Angriffe auf die Nutzer*innen des AT ROG. In einer Pressemitteilung wurde über zunehmende Anwohner*innenbeschwerden wegen Lärmbelästigung berichtet, was aber kaum möglich war, da wegen Covid19 alle Veranstaltungen auf dem Gelände abgesagt waren. In einer anderen Mitteilung wurde den Nutzer*innen des AT ROG vorgeworfen die Müllcontainer vor dem Gelände falsch zu nutzen und so die Container zu zerstören. Grund für diese Verschärfung war die Bewerbung Ljubljanas als europäische Kulturhauptstadt in kommenden Jahren, in der das ROG-Gelände eine wichtige Rolle spielte, aber nicht mit den jetzigen Nutzer*innen. Wenige Tage vor der Räumung des AT ROG erhielt aber eine andere Stadt den Zuschlag als europäische Kulturhauptstadt und Ljubljana ging leer aus.

Trotzdem wurde in einer Stadtratssitzung am Montag 18.01 ein Budget für die kommenden Jahre festgelegt. Dieses Budget beinhaltet 1,8 Millionen Euro für das “neue Zentrum” ROG. In der Sitzung wurden Fragen über die Zukunft der Nutzer*innen des AT ROG entweder ausweichend oder überhaupt nicht beantwortet. Der Bürgermeister gab in der Sitzung an, dass der Abriss des AT ROG erst beginnen könnte, wenn es eine Rechtsgrundlage gäbe. Wäre zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen, dass unmittelbar danach der Abriss des AT ROG beginnen würde, hätte eine Mehrheit in der Ratssitzung nicht für das Budget für das “neue Zentrum” gestimmt.

So begann sofort am 19.01. der Abriss der Gebäude. Gegen 07:00 Uhr drangen Mitarbeiter*innen der Sicherheitsfirmen Valina und S.S.A. in die Gebäude auf dem ROG Gelände ein und begannen Schlösser auszutauschen. Chef der Firma Valina ist Jure Godina, der einer der führenden Köpfe von Blood & Honour Slowenien war bzw. ist. Entgegen der Behauptung der Stadt Ljubljana, dass die Räume im AT ROG seit Monaten leer stehen würden und die Stadt deshalb die Gebäude wieder in ihren Besitz nehmen würde, befanden sich zum Beginn der Abrissmassnahmen ca. 15 Menschen in den Gebäuden.

Sie wurden durch das illegale Eindringen aus den Betten geworfen und wurden in Socken und teilweise spärlich bekleidet aus den Gebäuden gezogen. Zufälligerweise hatten weitere Menschen Brennholz für eines der Ateliers bestellt und waren zum Zeitpunkt des Eindringens anwesend. Sie forderten die Papiere mit der Rechtsgrundlage für die Räumung von Rog zu sehen. Diese Papiere konnten nicht vorgelegt werden. Die Vertreterin der Stadt Ljubljana, Klavdija Novak, war zu diesem Zeitpunkt nicht auf dem Gelände anwesend.

Sofort nach dem Bekanntwerden des Angriffs und die bevorstehende Räumung des AT Rog wurde dies in sozialen Medien kommuniziert. Kurz darauf trafen die ersten Unterstützer*innen ein und drangen in das Gelände ein, was von den Security-Firmen versucht wurde zu verhindern. Es kam zu Handgreiflichkeiten und die Security-Firmen riefen daraufhin die Polizei hinzu. Als diese eintraf (gefolgt kurze Zeit später von Riotcops) begannen sie sofort die Menschen aus dem Gelände des ROG zu drängen und Absperrungen vor den Eingängen zu errichten.

Es kamen immer mehr Unterstützer*innen vor das nun abgesperrte ROH und die Riotcops begannen die Menge zu schlagen, am Boden liegend zu würgen oder mit Tränengas zu besprühen. Während diesen Auseinandersetzungen begann der Abriss von Gebäuden auf dem ROGAreal. Den Anfang machte das Rog social centre, danach wurde das Dach des Hauptgebäudes abgerissen.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die cops bereits 11 Menschen festgenommen, etliche Menschen mussten mit schweren Verletzungen in das Krankenhaus. Teilweise waren die Menschen über zwei Stunden ohne Zugang zu sanitären Einrichtungen in den Vans der Cops eingesperrt, bevor sie auf eine Polizeistation gebracht wurden. Auch wurde ihnen der Grund für die Festnahme nicht genannt und rechtlicher Beistand wurde von Seiten der Cops unterbunden.

Menschen durften nicht auf das Gelände. Ihr Besitz wurde teilweise von den Security-Firmen geklaut oder einfach aus dem Fenster geworfen. Nutzer*innen durften auch nicht auf das Gelände, um ihre Katzen zu holen. In einer Pressemitteilung behauptete die Stadt Ljubljana, dass persönliche Gegenstände eingelagert werden würden. Dies war offensichtlich eine Lüge.

Um 14 Uhr gaben die Nutzer*innen vor dem Rathaus eine Pressekonferenz zur Räumung des ROG und für 17 Uhr wurde ein Protest vor dem geräumten Gelände angekündigt. Bei dem Protest kam es zu Eierwürfen, wieder nahmen die Cops Menschen fest. Ausserdem erhielten etliche eine Strafe von ca. 400,-€ wegen Teilnahme an öffentlicher Versammlungen, welche nach den Covid-19 Verordnungen verboten sind.

Die Stadt Ljubljana begann mit dem sofortigen Abriss der Gebäude, um sicherzustellen, dass sie nicht wieder von den Nutzer*innen in Besitz genommen werden konnten. Nutzer*innen, die in den folgenden Tagen ihre Sachen vom Gelände holen wollten, mussten am Eingang ihre Telefone abgeben, damit keine Aufnahmen vom Abriss gemacht werden konnten. Bei der Abholung wurden sie ständig von Mitarbeiter*innen der Security-Firmen überwacht.

Viele Gruppen meldeten, dass Gegenstände fehlten, wie Registrierkassen, Werkzeuge oder Requisiten. Der Zirkusschule im Rog-Gelände fehlt beispielsweise Material im Wert von ca. 20.000,- €. Manche Gegenstände werden für immer im Schutt bleiben, manche wurden später von der Stadt Ljubljana tatsächlich eingelagert. Bei der Übernahme der Gegenstände muss ein Formular ausgefüllt werden, welches ausschliesst, dass die Stadt Ljubljana auf Schadensersatz verklagt werden kann. Mit der Räumung des ROG haben viele Menschen ihre Existenzgrundlage verloren.

Bereits kurz nach Beginn des Abrisses begann eine Welle der Solidarität, sowohl in Slowenien als auch im dem Ausland. Von Japan über Argentinien bis Rumänien schickten Gruppen solidarische Grüsse. Zivilgesellschaftliche und kulturelle Gruppen und Universitätsprofessor*innen verschiedener Fakultäten veröffentlichten solidarische Statements.

Das ROG besass und besitzt für die antiautoritäre Linke in Slowenien und den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens eine grosse Bedeutung. Auch für Linke aus Europa und der Welt war das ROG, neben dem Metelkova-Gelände, oft die erste Station auf dem Weg in die Staaten des ehemaligen Jugoslawiens. Es wurden Kontakte geknüpft oder Tipps für die Reise eingeholt. Eine grosse Rolle spielte das ROG auch 2015 für Hilfe und Rat für Refugees und Menschen, die in Richtung Balkan fuhren, um dort vor Ort Refugees zu helfen.

Anstatt den üblichen Freitagsprotesten fand am 22. Januar eine Soli-Demo für das ROG statt. 600-800 Menschen nahmen an der Demo teil. Sicherlich wären es ohne Covid 19 viel mehr Menschen gewesen, aber angesichts dem Verbot von Gemeinde a nach Gemeinde b zu fahren, geschlossenen Grenzen und dem Verbot von öffentlichen Versammlungen war dies eine beträchtliche Menge.

Die Demo begann am Prešernov trg (Prešerenplatz), ging am Rathaus vorbei und sollte vor dem Gelände des AT ROG enden. Allerdings sperrten Cops die Strasse zum Rog und nachdem die Demonstrant*innen begannen gegen die Polizeiketten zu drängen, setzte die Cops wieder Tränengas ein. Es kam zu zahlreichen Verletzungen. Menschen, die an dem Abend festgenommen bzw. in Gewahrsam genommen wurden erhielten hohe Strafen von über 1000,-€.

Nachdem der Rechtfertigungsdruck für die Räumung immer grösser wurde, begann die Stadt Ljubljana eine Schmutzkampagne gegen das ROG und seine Nutzer*innen. In einer Pressemitteilung wurde behauptet, das ROG wäre eine Müllhalde, Drogenumschlagplatz und ein Ort an dem gestohlene Waren gelagert wurden. Als eine der ersten Massnahmen der Stadt Ljubljana auf dem ehemaligen Rog-Gelände wurden übrigens Überwachungskameras installiert. Einzelne Gruppen versuchen nun neue Gebäude oder Räume anzumieten. Dafür werden im Moment Spenden gesammelt. Auch wegen der hohen Kosten im Zuge der Repression bei der Räumung und der Demo am Freitag darauf, gibt es internationale Aufrufe zur Solidarität. Diese sind auf der Seite von komunal.org zu finden.

Ausblick

Wie es in Slowenien weitergehen wird, ist im Moment offen. Sollte die derzeitige rechtsextreme Regierung mit ihren bürgerlichen Koalitionspartnern weiter im Amt bleiben, dann wird es mit dem Umbau des Staates und den Angriffen auf alles Oppositionelle (von gemässigten Künstler*innen bis zur antiautoritären Linke) weitergehen. Erschwert bis verunmöglicht wird der Protest dagegen durch die repressiven Corona-Massnahmen.

Es kann allerdings auch sein, dass die Regierung in den nächsten Wochen Geschichte sein wird, da sie durch ein Misstrauensvotum, über welches in einigen Tagen abgestimmt wird, gestürzt wird. Slowenien hätte dann eine Mitte-Links-Regierung.

Von dieser Entwicklung hängt ab, ob es eine Fortsetzung der Proteste am Freitag gibt. Für die antiautoritäre Linke ist ein Regierungswechsel nicht von grösserer Bedeutung. Egal unter welcher Regierungskonstellation wird sie ihren Kampf für eine freie und solidarische Welt fortsetzen.

Brigate Plavi