Satellitenaufklärung „mit speziellen Anomalie-Algorithmen und Prognosetools“ Neue FRONTEX-Agentur

Politik

30. Mai 2016

Die EU hebt die Überwachung der Meere auf eine neue Stufe. Die drei Agenturen zur Überwachung der Meere und Küsten werden zusammengelegt. Allein für unbemannte Luftfahrzeuge stehen 81 Millionen Euro bereit. Das Geld fliesst in die Kassen von Rüstungskonzernen.

FRONTEX betreibt das Überwachungsnetzwerk EUROSUR, das ebenfalls auf Satelliten basiert. Hier im Bild - FRONTEX Grenzschtüzer in Griechenland.
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FRONTEX betreibt das Überwachungsnetzwerk EUROSUR, das ebenfalls auf Satelliten basiert. Hier im Bild - FRONTEX Grenzschtüzer in Griechenland. Foto: Rock Cohen (CC BY-SA 2.0)

30. Mai 2016
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Die Grenzagentur FRONTEX, die Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) und die Fischereiaufsichtsagentur (EFCA) haben ein neues Kooperationsabkommen geschlossen. Zu den Zielen gehört die Verbesserung der Grenzüberwachung, das Aufbringen verdächtiger Schiffe die „in kriminelle Aktivitäten verwickelt sind“ und die Verfolgung illegaler Fischerei. Die Unterzeichnung erfolgte am Rande einer Konferenz, auf der die Agenturen über neue Formen der Meeresüberwachung, Informationsaustausch und Kapazitätsaufbau berieten.

Geschlossen wurde der Vertrag von den Direktoren der drei Agenturen in Warschau, dem Sitz von FRONTEX. Symbolisch wird damit die Zukunft der EMSA, EFCA und FRONTEX vorweggenommen: Die mit Überwachungsaufgaben der Meere und Küsten beauftragten Agenturen sollen noch in diesem Jahr zusammengelegt werden. Zur Umsetzung hat die Europäische Union ein Pilotprojekt innerhalb der „Contact Group on European Coast Guard Functions“ eingerichtet, an dem die drei Agenturen beteiligt sind. Für die zukünftig entstehende Agentur war der Name „European Border and Coast Guard“ (EBCG) im Gespräch, vermutlich wird sie aber weiter FRONTEX heissen.

Tracking von Schiffen in EUROSUR

Schon jetzt arbeiten die drei Agenturen bei der Verfolgung „illegaler Aktivitäten“ zusammen. Genannt werden der Schmuggel von Waffen, Zigaretten und Drogen. Das neue Abkommen soll jedoch vor allem die technischen Überwachungskapazitäten verbessern. EMSA, EFCA und FRONTEX nutzen für ihre Aufgaben Dienste der Satellitenaufklärung und tauschen Aufklärungsdaten. Die Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs hilft FRONTEX beim Tracking von Schiffen, weitere Aufklärungsdaten kommen vom Satellitenzentrum der Europäischen Union (SatCen).

FRONTEX betreibt das Überwachungsnetzwerk EUROSUR, das ebenfalls auf Satelliten basiert. Schon jetzt werden grössere Schiffe vor den Küsten Libyens und der Türkei im Hinblick auf verdächtiges Verhalten beobachtet. Bewegen sich etwa ausgemusterte, aber noch nicht verschrottete Frachter, könnte das auf die Nutzung für den „Schmuggel von Migranten“ hindeuten. FRONTEX kann mehrere Schiffe gleichzeitig automatisiert verfolgen. Die Überwachung aus dem All erfolgt in einem Verfahren zur Mustererkennung. Das Bundesinnenministerium hat dies kürzlich in der Antwort auf eine Kleine Anfrage erläutert:

«Grundlage des Konzepts der selektiven Beobachtung ist die Kombination der vorhandenen Daten von Dienstanbietern (z.B. IMO (International Maritime Organisation) oder MMSI (Maritime Mobile Service Identity)) mit speziellen Anomalie-Algorithmen und Prognosetools, die Auskunft über die bisherigen, gegenwärtigen und möglichen künftigen Bewegungen von Schiffen geben können. Basierend auf Erkenntnismitteilungen der Mitgliedstaaten oder vorgegebener Anomalie-Parameter in bestimmten Seegebieten (z.B. Einsatzgebiete der Frontex Operationen Poseidon Sea und Triton) können aus den unzähligen Schiffsbewegungen auf dem Mittelmeer eine Reihe von ungewöhnlichen Schiffsbewegungen identifiziert werden, die auf mögliche illegale Migration hindeuten.»

FRONTEX erster Nutzer der „Weltraumdatenautobahn“ von Airbus

Die automatisierte Satellitenaufklärung wurde im Copernicus-Programm der Europäischen Union entwickelt. Ziel war die Bereitstellung von Diensten für die Umweltbeobachtung und für Sicherheitsbelange. Der ursprüngliche Name des Programms lautete „Global Monitoring of Environment and Security“ (GMES). Lange Jahre wurde jedoch nur über Umweltaspekte von GMES berichtet, nur langsam wurden auch die Sicherheitsanwendungen bekannt. Copernicus ist beispielsweise der erste Nutzer der nagelneuen „Weltraumdatenautobahn“ von Airbus. Für eine halbe Milliarde Euro installiert der Rüstungskonzern ein Relaissystem aus Satelliten, mit dem die Datenübertragung enorm beschleunigt wird. Die „Weltraumdatenautobahn“ wird nun von FRONTEX für den Betrieb von Drohnen genutzt.

Der Direktor der EMSA hatte kürzlich angekündigt, noch in diesem Jahr grosse, hochfliegende Drohnen im Mittelmeer einzusetzen. Die Europäische Kommission sieht die Drohnen als probates „Mittel in der gesamten Überwachungskette“. Die Nutzung unbemannter Luftfahrzeuge wird als kostengünstigere Alternative zu bemannten Aufklärungsflugzeuge bezeichnet. Die Dienste werden im Leasingverfahren vergeben, eine Ausschreibung ist bereits erfolgt. Zur „Erhöhung der Überwachungskapazitäten“ für FRONTEX erhält die EMSA bis 2020 zusätzliche Gelder in Höhe von 81 Millionen Euro. Das meiste Geld wird für die Beschaffung und den Betrieb der Drohnen aufgewendet, etwa ein Viertel dient der Finanzierung der benötigten Satellitenkapazitäten.

Im Sommer sollen die gemeinsamen Kapazitäten der EMSA, EFCA und FRONTEX erstmals in der Praxis getestet werden. Geplant ist die Kooperation bei der Operation „Triton“, mit der FRONTEX die italienischen Mittelmeer-Küsten zur Bekämpfung der „Schleusung von Migranten“ überwacht.

Matthias Monroy
netzpolitik.org

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.