Über die Anschläge in Paris Michael Wollny: Ein Feindbildmaler

Politik

16. Dezember 2015

Über die Anschläge in Paris durch den IS kann sich Michael Wollny, seines Zeichens Redakteur und Kolumnist der 3 vielbesuchten Nachrichten-Websites von t-online.de, 1&1 und web.de, nur wundern.

Kerzen für die Opfer der Attentate in Paris vor der französischen Botschaft in Bogota, Kolumbien.
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Kerzen für die Opfer der Attentate in Paris vor der französischen Botschaft in Bogota, Kolumbien. Foto: Léo Tisseau (CC BY-ND 2.0)

16. Dezember 2015
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„Es gibt hier nichts, was ein gesunder Geist erfassen könnte. Es bleibt nur diese unfassbare Grausamkeit, die in ihrer Perversion den Verstand überfordert. Der sogenannte ‚Islamische Staat' hat keine politische Agenda, noch nicht einmal eine religiöse Ideologie. Das weltweite Kalifat der Terroristen ist geopolitischer Grössenwahn und ihre Religion heisst Terror“. [1]

Das Töten von 130 Menschen soll also ausgerechnet deswegen nicht zu verstehen sein, weil Wollny keinen guten Grund für das Massaker finden kann. Seine Vermisstenanzeige in Sachen gute Gründe für Krieg bei den IS-Terroristen ist allerdings verräterisch: Was Leuten mit einem „gesunden Geist“, zu denen er sich unverkennbar zählt als Kriegsgründe oder –rechtfertigungen einleuchten würde, sind ganz offensichtlich all die Gründe, die er den französisch-belgischen Attentäter vom 13. November abspricht!

Für einen gesunden Geist ist die „Grausamkeit“ von Kriegen recht gut fassbar, wenn sie nur aus einer politischen Agenda folgen würde, die ihn überzeugte. Auch eine solche „Perversion“ wie 130 tote Menschen würde keineswegs seinen „Verstand überfordern“, wenn zumindest eine „religiöse Ideologie“ sie rechtfertigen würde – aber nicht einmal diesen guten Grund will Wollny dem Islamischen Staat zuerkennen, obwohl der doch sein Programm unüberhörbar mit religiösen Ideologien des Islams begründet.

Dass es auch bei den IS-Kriegern nicht ganz ohne Berechnung und Zwecke zugeht, weiss natürlich auch Wollny, wenn er deren Ziele als „geopolitische“ identifiziert und damit bemerkt, dass die Islamisten doch ein politisches Ziel verfolgen, das sie keineswegs verheimlichen: die Muslime auf der ganzen Welt zum Volk eines neuen Kalifats zu machen.

Was ihm bei einer etablierten geopolitischen Grossmacht, die wie z.B. die USA auch einmal ganz klein angefangen hat, nie einfiele, deren Ziel, im Laufe des 20. Jahrhunderts die einzige Supermacht zu werden und das im 21. zu bleiben und alle anderen Grossmächte auf Distanz zu halten, könne auf Grössenwahn schliessen lassen: Beim IS ist das Ziel eines Islamischen Weltstaats dem Politpsychiater Wollny offensichtlich, ohne dass es ihm einfiele, seine Diagnose auch nur ansatzweise zu begründen.

Aber mit solchen Widersprüchen gibt sich Wollny nicht ab, wenn er ein Feindbild entwirft, das er für den IS für passend hält. Diesem Feind wird nicht nur jede Berechnung abgesprochen, sondern auch jegliche Religiosität: „Ihre Religion heisst Terror“, das deklariert der selbst ernannte Religionsexperte, um den islamischen Staatsgründern Terror um des Terrors willen vorwerfen zu können. Dabei schert er sich einen Deut um die Tatsache, dass Terror überhaupt kein Widerspruch zur Religion ist, sondern dass diese das denkbar beste Gewissen bei ihrer Durchsetzung mit terroristischer Gewalt liefert.

Das war und ist nicht nur beim Islam so, sondern auch bei der christlichen Missionierung Europas und Lateinamerikas mit Feuer und Schwert und beim innerchristlichen Kampf um das wahrhaft gottgefällige Bekenntnis in Religionskriegen wie dem 30-jährigen Krieg. Und der christlichen Bibel ist in der Johannes-Offenbarung am Ende des Neuen Testaments sogar das Drehbuch eines weltumspannenden Holocausts für die grosse „sündige“ Mehrheit der Menschen zu entnehmen.

Berthold Beimler

[1] http://web.de/magazine/panorama/attentat-paris/islamischer-staat-reine-lust-toeten-31147234