FOIA-Skeptiker sollen Änderungen des Gesetzes ausarbeiten Britische Regierung plant Einschränkung der Informationsfreiheit

Politik

11. Februar 2016

Das Informatiosfreiheitsgesetz in Grossbritannien soll nach Plänen der Regierung geschliffen werden. Der Grund: Es funktioniert zu gut.

Big Ben und Westminster, Sitz des britischen Parlaments.
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Big Ben und Westminster, Sitz des britischen Parlaments. Foto: ©User:ColinWikimedia Commons (CC BY-SA 4.0 cropped)

11. Februar 2016
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Der ehemalige britische Premierminister Tony Blair ist kein grosser Fan des Freedom of Information Act (FOIA), den er 2005 selbst mit aus der Taufe hob. Ein Berater Blairs liess sich 2011 mit dem Satz zitieren, der FOIA (und nicht etwa der Irak-Krieg) sei das schlimmste Vermächtnis seiner Regierungszeit gewesen. Blair selbst schrieb in seiner Biografie:

«Informationsfreiheit. Ein harmloses Wort. Ich sehe es mir an, nachdem ich es geschrieben habe, und könnte so lange den Kopf darüber schütteln, bis er mir von den Schultern fällt. Ich Idiot. Ich naiver, dummer, verantwortungsloser Einfaltspinsel. Meine Dummheit spottet wirklich jeder Beschreibung. Ich schüttle mich beim Gedanken an so viel Beschränktheit.»

Der Grund für Blairs Selbstgeisselung: Mithilfe des FOIA konnten Journalisten in den letzten Jahren einige Skandale enthüllen, darunter die Abrechnungen von Parlamentsmitgliedern, die sich vom Steuerzahler Renovierungen privater Häuser und in einem Fall sogar einen Burggraben bezahlen liessen. Auch Briefe von Prinz Charles, mit denen er versuchte, Einfluss auf Gesetzgebung zu nehmen, wurden kürzlich mithilfe von FOI-Anfragen veröffentlicht.

Blairs Misstrauen gegenüber der Informationsfreiheit hat sich auch auf die Regierung Cameron übertragen, die derzeit eine fünftköpfige Kommission prüfen lässt, wie sich der FOIA abschwächen lässt. In der Kommission sitzen unter anderem der ehemalige Aussen- und Justizminister Jack Straw, dessen Ministerien schon in Blairs Amtszeit als besonders intransparent galten, Lord Carlile of Berriew, der die Berichterstattung des Guardian zu den Snowden-Dokumenten „einen kriminellen Akt“ nannte sowie Lord Howard, dessen Gärtnereiausgaben über den Abrechnungsskandal bekannt wurden.

Ein Bündnis aus 140 Medien- und Nichtregierungsorganisationen hatte letztes Jahr bereits gegen die Kommission protestiert. Darunter auch die Organisation MySociety, die die Webseite WhatDoTheyKnow.com betreibt. Über die FOI-Plattform haben Bürger in den letzten fünf Jahren mehr als 300.000 Anfragen an Behörden gestellt. Zum Vergleich: In Deutschland werden auf Bundesebene jährlich etwa 5.000 IFG-Anfragen gestellt.

Die Popularität des FOIA erklärt sich nicht nur aus der ungleich grösseren Bekanntheit des Gesetzes, sondern auch aus ihrer Ausgestaltung: Behörden sind gesetzlich verpflichtet, innerhalb von 20 Arbeitstagen zu antworten. Gebühren sind die Ausnahme. Und der Beauftragte für Informationsfreiheit hat die Möglichkeit, Sanktionen auszusprechen.

Dies führte in den letzten Jahren zu transparenterem Regierungshandeln, änderte laut einer Studie der University of London allerdings nicht die Art und Weise, wie regiert wurde. Für Tony Blair und die Regierung Cameron bleibt der FOIA jedoch vor allem ein Ärgernis, wie ebenfalls in Blairs Biografie steht:

«Doch in Wirklichkeit wird das Gesetz über die Informationsfreiheit höchst selten »vom Volk« genutzt, sondern in erster Linie von Journalisten. […] Ein Journalist beschafft sich die Informationen nicht, weil er sich für die Hintergründe interessiert oder »das Volk« aufklären will, sondern er benutzt sie als Waffe.»

Arne Semsrott
netzpolitik.org

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.