Die Nazis und die soziale Frage Die nationalrevolutionäre Täuschung

Politik

27. Dezember 2011

Der folgende Artikel stammt aus dem rätekommunistischen Skinheadfanzine "Revolution Times". Der Artikel ist schon einige Jahre alt und inzwischen hat sich mit dem Auftauchen der selbsternannten "autonomen" NationalistInnen einiges getan.

Rechtsradikale Nationale Sozialisten bei einer Kundgebung zum 1. Mai 2010 in Berlin.
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Rechtsradikale Nationale Sozialisten bei einer Kundgebung zum 1. Mai 2010 in Berlin. Foto: Der Robert (CC BY 2.0 cropped)

27. Dezember 2011
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Immer wieder versuchen Neonazis "querfronten" mit Linken Gruppen aus dem autoritär-kommunistischen oder antiimperialistischen Lager zu bilden. Selbst Konzepte einer "nationalen Anarchie" schwirren durch's Internet und zunehmend werden auch anarchistische und anarchosyndikalistische KlassikerInnen in der Szene der "Autonomen NationalistInnen" diskutiert - das Thema ist also aktueller denn je. Die Nazis nannten ihre Partei NSDAP, dabei stand das "S" für "sozialistisch", das "A" für "Arbeiterpartei", sie wählten als Symbol das Hakenkreuz auf einer roten Fahne in weissem Kreis, bezeichneten ihre "Machtergreifung" als "nationalsozialistische Revolution", hetzten in ihren Anfangsjahren gegen die Bonzen, um später im Zuge der Macht - auch um die Mächtigen in der Wirtschaft zu besänftigen- diesen "Antikapitalismus" wieder fallen zu lassen und gemeinsame Sache mit den Führern der Wirtschaft zu machen.

Die NSDAP hatte nicht ohne Grund das Wort "sozialistisch" im Namen, wie man sich auch sicher nicht ohne Grund "Arbeiterpartei" nannte und das Hakenkreuz im weissen Kreis nicht zufällig auf einer roten Fahne zu finden war. Hitlers Mannen ging es um die Gewinnung der Arbeiterschaft für die "nationale Sache" und da war ein Rückgriff auf die Symbolik und Wortwahl der sozialistischen Arbeiterbewegung mehr als hilfreich.

Doch der Sozialismus wurde von den Nazis als Erfindung der Juden zur Zerstörung jeglicher gesellschaftlicher Ordnung angeprangert, der Kapitalismus zum Produkt "jüdischer Raffgier" erklärt. Das "25 Punkte-Programm" der NSDAP war ein Sammelsurium von nationalistischen Schlagworten und antikapitalistischen Versprechungen. Die Rede war von der "Brechung der Zinsknechtschaft", von der "sofortigen Kommunalisierung der Grosswarenhäuser und ihrer Vermietung zu billigen Preisen an kleine Gewerbetreibende", von einer "unentgeltlichen Enteignung des Bodens für gemeinnützige Zwecke", vom "rücksichtslosen Kampf" gegen Wucherer und Schieber und ähnlichem mehr. Einige Forderungen, wie etwa die nach Verstaatlichung aller Trusts oder nach "Gewinnbeteiligung an Grossbetrieben" zielten unter der Verwendung von "antikapitalistischen" Forderungen und Verbalradikalismus klar auf die Gewinnung von Arbeitern ab, die zur Schaffung einer Massenbasis für den Faschismus unerlässlich war.

Die einheimische, inländische Besitzstruktur wurde und wird allerdings zu keiner Zeit in Frage gestellt. In der zweiten Hälfte der 20er Jahre sah sich Hitler unter dem Druck der fordernden Finanzgewaltigen und Mächtigen der Wirtschaft genötigt, die wichtigsten "antikapitalistischen" Verlautbarungen des ehemals unantastbaren und "unumstösslichen Gesetz" (gemeint ist das 25-Punkte-Programm der NSDAP) durch "Erläuterungen" faktisch zurückzunehmen. So "präzisierte" Feder den Punkt 12 verschiedentlich dahingehend, dass das Programm unter "raffendem" Kapital einzig und allein das jüdische Bankkapital verstehe, deutsche Geldinstitute hingegen als "schaffendes" Kapital eingestuft würden.

Und Hitler erklärte 1928 zu Punkt 17 ("Wir fordern eine unseren nationalen Bedürfnissen angepasste Bodenreform, Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichen Enteignung von Boden für gemeinnützige Zwecke. Abschaffung des Bodenzinses und Verhinderung jeder Bodenspekulation.") schriftlich: "Da die NSDAP auf dem Boden des Privateigentums steht, ergibt sich von selbst, dass der Passus 'Unentgeltliche Enteignung' nur auf die Schaffung gesetzlicher Möglichkeiten Bezug hat, Boden, der auf unrechtmässige Weise erworben wurde oder nicht nach den Gesichtspunkten des Volkswohls verwaltet wird, wenn nötig zu enteignen.

Dies richtet sich demgemäss in erster Linie gegen jüdische Grundstücksspekulanten." Eine deutliche Relativierung und ein deutlicher Rückzieher! Hitler liess später nach der "Machtergreifung" die SA ausschalten, weil viele in ihr es ernster mit dem "nationalen Sozialismus" und der "national-sozialistischen" Revolution meinten. "Revolutionäres Gehabe und lautstarke Anprangerung dessen, was man willkürliche Reaktion nannte, konnten ausser Kontrolle geraten und die verführten Massen in die Reihen der wirklich revolutionären Kräfte treiben". (W. Ruge, "Das Ende von Weimar", S.34)

Diejenigen, die sich am radikalsten gebärdeten, waren die Anhänger der Brüder Gregor und Otto Strasser, welche die sozialistische Komponente mehr betonten. Allerdings verstanden auch sie unter ihrem Sozialismus eher die vom Klassenkampfgedanken befreite Volksgemeinschaft als wirkliche Veränderungen der sozialen Lage und Stellung der gesellschaftlichen Klassen. Im "deutschen Sozialismus" sollen die Arbeiter "Mitbesitzer, Mitberater, Mitbeherrscher" sein. Die kapitalistische Wirtschaftsordnung an sich soll also nicht angetastet werden, lediglich der Mittelstand gestärkt und Mitbestimmung in den Betrieben herrschen. Der Arbeiter soll also ein Stück vom Kuchen erhalten, den ganzen Kuchen aber will man ihm vorenthalten.

Otto Strassers "deutscher Sozialismus" ist ein Anachronismus an sich. Strasser fordert die Rückkehr zu mittelalterlichen Zuständen: er fordert eine Reichsständekammer, Zünfte, Erblehen, Reagrarisierung Deutschlands, eine Binnenwährung und einen Kriegeradel. Ebenso fordert er einen Volksstaat "germanischer Demokratie" (was auch immer das sein mag?) und die Aufteilung des Grossgrundbesitzes (O. Strasser in seiner Programmschrift "Aufbau des deutschen Sozialismus"). Die Gewerkschaften sollten in den Staat eingebaut werden (Zitat O. Strasser: "Unser nationalsozialistischer Staat wird es genauso wie der faschistische verstehen, das vernünftige Nebeneinander der Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers zu sichern und gleichzeitig dem Staat das Recht des Schiedsrichters im Falle eines Konfliktes vorzubehalten." bei G. Bartsch "Otto Strasser", S. 60), ähnlich wie im 3. Reich mit der DAF geschehen oder ansatzweise in der Sozialpartnerschaft und der Bürokratisierung der Gewerkschaften in heutigen Tagen.

Otto Strassers "deutscher Sozialismus" hat mit dem Sozialismus nichts gemeinsam als seinen Namen. Auch Strasser, der übrigens auch Kontakte zur Industrie besass und in seinem Antisemitismus keineswegs gemässigter als sein Kontrahent Hitler war (auch er verlangte z.B. die Ausweisung Zehntausender deutscher Juden und es durfte kein Nichtdeutscher oder Jude Mitglied in den von ihm gegründeten Organisationen werden), wollte eher die Menschen sozialisieren als die Fabriken und den Boden.

Die Strasser-Brüder und ihre Gefolgsleute, oft als "Opposition" bezeichnet, stellten mit Sicherheit eine Opposition gegen Hitlers Kurs dar, waren allerdings nicht mehr als eine von mehreren Fraktionen innerhalb der NSDAP selbst, die sich dem "nationalen Sozialismus" mehr verpflichtet sah und diesen mehr betonte als den Antisemitismus, den sie allerdings auch hegte. Ebenso verhält es sich mit vielen Männern des 20.Juli 1944, die obwohl sie keineswegs generell den Nationalsozialismus ablehnten zu Widerstandskämpfer hochstilisiert wurden und in der BRD heutiger Tage als Vorbilder gelten, während der aufopferungsvolle Widerstand Tausender Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter aus dem Geschichtsbewusstsein verdrängt werden (sehr lesenswert Reinhard Kühnls "Der deutsche Faschismus in Quellen"). Die Strasser-Brüder weisen ohnehin eine geradezu fortschrittliche und revolutionäre Jugendzeit vor: Sie beteiligten sich u.a. am Freikorps Epp, an der Niederschlagung der Münchner Räterepublik und waren jubelnde Kriegsfreiwillige.

In Worten gab man sich "sozialistisch", die "sozialistischen" Taten liessen auf sich warten. Abstreiten kann man nicht, dass der eine oder andere Anhänger dieser Ideen es mit dem Sozialismus ernster meinte, aber diejenigen, die es ernster meinten, merkten schon recht bald, dass sie sich in der falschen Partei befanden, wandten der NSDAP den Rücken und sind damals in die KPD übergewechselt und sind nicht auf Seiten der Reaktion, in der NSDAP oder im "nationalen Lager" geblieben bzw. haben dieses nicht länger unterstützt.

Der "Sozialismus" der Strassers war durch und durch kleinbürgerlich. Gefordert wurde nicht die Befreiung der Arbeiterklasse vom Joch des Kapitals, sondern sie sollte zum "Mitbesitzer, Mitberater, Mitbeherrscher" werden (diese Ideologie erinnert sehr an die Sozialpartnerschaft und Gedanken der "Mitbestimmung"). Die Idee des "deutschen Sozialismus" als auch die Organisationsform eines hierachischen Ständestaats ergaben für Strassers die "organische Volksgemeinschaft". Diese "organische Volksgemeinschaft" entfremdete die deutschen Arbeiter von ihren eigenen Interessen und nichtdeutschen Klassenbrüdern, entsolidarisierte sie. Die "organische Volksgemeinschaft" sollte etwas Gemeinsames darstellen, das einen sollte und dennoch nur die vorhandenen Widersprüche übertünchte und leugnete, aber dennoch die alten sozialen Realitäten aufrechterhielt und legitimierte.

...und heute?

Auch heute täuschen Faschisten ihre Mitläufer oft durch Schlagworte und Verbalradikalismus. Da nannte sich die FAP vor ihrem Verbot auf ihren Aufklebern "national- revolutionär- sozialistisch", wählte erneut die rote Fahne als Hintergrund für ihr Partei-Emblem im Kreis. Auch nannte man sich "Arbeiterpartei", wovon allerdings nicht allzuviel - um nicht zu sagen gar nichts - zu spüren war. Man gibt sich antikapitalistisch, übernimmt linke Themen, will diese "positiv" besetzen, etc. Der Klassenkampf (Ergebnis "äusserer" Einflussnahme) wird überhaupt geleugnet. Der "deutsche Antikapitalismus" ist "zu allererst politischer, ästhetischer, ' völkischer' Natur" ("Hetendorf 13...", S.27). Nationale wirtschaftliche Unabhängigkeit ist gemeint. Der "deutsche Antikapitalismus" ist der Kern der Vorstellungen des sogenannten "Dritten Weges", für den heute u.a. in Deutschland die NF-Nachfolgeorganisationen und die Jungen Nationaldemokraten (JN) eintreten.

Das englische Nazi-Skin-Zine "Final Conflict" sieht sich u.a. als Vertreterin dieses "third way", ebenso wie das inzwischen eingestellte Zine "Endsieg" des Andreas Gängel (ehemaliges NF-Mitglied) aus Baden-Württemberg, der auch Eigentümer des ESV (Endsieg-Verlag) war und sich als "Nationalrevolutionär" versteht. Der "Dritte Weg" wird verstanden als scheinbare Gesellschaftsalternative zwischen dem Liberalismus westlicher Prägung und den Systemen des untergegangenen "real-sozialistischen" Staaten. So kämpft man angeblich unter dem Symbol des Keltenkreuzes gegen Kapitalismus und Kommunismus.

So versteht sich auch die britische " National Front" (NF) als "nationalrevolutionär". Das "Endsieg" unterscheidet sich in Deutschland allerdings durch seine Position von den meisten anderen deutschen Zines. Es ist "befreiungsnationalistisch" eingestellt und selbst die in der Szene verhasste IRA (So hat der rechte "Gott" Ian Stuart und seine Band "Skrewdriver" unter anderem ein Lied namens "Smash the IRA!") gilt als Bündnispartner im Kampf gegen Imperialisten und Unterdrücker. In diesem Zusammenhang sind vielleicht auch die Worte eines der Vertreter der "Neuen Rechten", die sich neben Oswald Spengler und Ernst Niekisch auch auf das Gedankengut von Otto Strasser bezieht, wichtig und interessant.

Sie tritt ebenfalls für "Befreiungsnationalismus" und "völkischen Antiimperialismus" ein und unterstützt(e) bestehende Befreiungsbewegungen (wie den der Basken und der Iren) und den "Aufstand der Völker" in der sogen."3.Welt", in Osteuropa. Sie tritt für die "nationale Identität" und das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" ein und begrüsst(e) die Aktivitäten der PLO genauso wie der "Südtiroler" als "antiimperialistischen und nationalrevolutionären Befreiungskampf". "Das Oppositionspotential nationalisieren; die Antikriegsbewegung nationalisieren. Die Ökobewegung nationalisieren. Die Wertkonservative Bewegung nationalisieren... Mit einem Wort: Die Anti-System-Bewegung mit nationaler Identität impfen, mit nationalistischem Befreiungselan aufladen, mit deutschem Fundamentalismus indoktrinieren, mit antikapitalistischem und antikommunistischem Geist erfüllen, für deutsche Alternativen begeistern." (Wolfgang Strauss in "Neue Zeit" 5/82)

Diese Strategie fuhren manche rechts indoktrinierte Menschen und sie konnten z.B. bis Mitte der 80er bei den Grünen relativ ungestört mitarbeiten, sie konnten zum Teil in der Friedensbewegung Fuss fassen, nun versuchen sie es in der Anthroposophie/Esoterik/Tierrechts/New-Age-Szene, wo sie bereits mitmischen. Auch bei Anti-Castor-Aktionen waren Nazis und versuchten Flugblätter zu verteilen, wurden allerdings in die Flucht geschlagen. Dennoch war und ist der "nationalrevolutionäre" Flügel nur eine andere faschistische Fraktion, die einer anderen Basis verpflichtet ist. Das darf nie vergessen werden!

Bei Aktionen und Demonstrationen der Nazis arbeiten stets alle Fraktionen zusammen, geht es doch darum die gleichen Feinde zu schlagen und im Endeffekt den gleichen Führerstaat zu errichten. Ihr "nationalrevolutionäres" Ablenkungsmanöver kann und sollte uns also nicht täuschen! Denn auch wenn sie sich "sozialistisch" und "revolutionär" geben, sind sie es, die gegen die Schwachen in der Gesellschaft nicht nur hetzen, sondern sie auch körperlich angreifen anstatt gegen die wirklich Mächtigen in dieser Gesellschaft vorzugehen, aber die sind ja Deutsche.

Der Nazi-Kader Norman W. Kempken, Mitglied der "Taunusfront" und der inzwischen verbotenen "Nationalistischen Front" äusserte sich im Film "Helden für Deutschland" folgendermassen: "Wir haben mit zunehmenden politischen Aktionen erkannt, dass sich diese Themen, die so vermeintlich linke Gruppen besetzt haben, Sozialthemen oder Umweltthemen an sich ja auch in unseren Bereich hineingehen. Das läuft schon alles darauf hinaus, dass alles, was unser Volk bedroht, beängstigt eigentlich auch unser Thema sein muss und deswegen sehen wir auch nicht ein, irgendwelche Themen unseren Gegnern zu überlassen. Wir sind der Meinung, dass die Bonzen und die Multis sich derart am Volk versündigt haben, dass es da auch keine Versöhnung mehr geben kann.

Dr. Joseph Goebbels hatte mal gesagt, wer sich am Volk versündigt, verliert den Kopf und das Grosskapital hat sich am Volk versündigt". Und das mit dem Grosskapital stimmt sogar ohne Ende. Nicht zuletzt im Nazi-Reich und im 2.Weltkrieg, als diese Herren Millionen Deutsche betrogen und für ihre Ziele in den Krieg schickten und in so manchem Vollstrecker, in der Mehrheit aber duldende Mitläufer fanden.

Die inzwischen verbotene NF strebte nach dem Vorbild der Strasser-Brüder die Errichtung eines Nationalstaats auf der Basis einer "sozialistischen Volksgemeinschaft" an. Inhaltliche Schwerpunkte waren die "genossenschaftliche Selbstorganisierung der Schaffenden in den Betrieben", "die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und Enteignung des Grosskapitals" sowie die "Brechung der Zinsknechtschaft und Stärkung des Bauerntums sowie kleiner und mittelständischer Betriebe". Die NF versuchte Einbrüche in linke Themen, deshalb nahmen Propagandaaktivitäten zu Schwerpunkten wie Umweltverschmutzung, Atomkraft und Waldsterben eine zentrale Stellung ein (die JN hat unter anderem einen Aufkleber mit der Aufschrift "Umweltschutz ist Heimatschutz!").

Die NF verstand sich als Nachfolgeorganisation der SA, sie sah sich als "neue vereinigte Kraft aller revolutionären Nationalisten". Ihre Mitglieder sahen sich als "kämpfende Nationalisten" und sie wollten keine "Kaffee- oder Bierhausnationalisten" sein. Die NF ist in diesem Rahmen wichtig und interessant, da die Zielgruppe ihrer Arbeit und Publikationen die Hool- und Boneheadszene waren, in der sie auch Erfolge erzielte. Die NF sah sich ähnlich wie viele Boneheads als neue SA und Avantgarde.

Viele Nazis und insbesondere Boneheads fühlen sich sehr angesprochen von den Gedanken der Strasser-Brüder, die als Verfechter des "nationalen Sozialismus" und Gegner des "kleinen Bourgeois Adolf Hitler" (Originalton Goebbels) gelten. Um die Strasser-Brüder ranken sich recht viele Legenden zumal Gregor Strasser von Hitlers Schergen ermordet wurde und sein Bruder Otto ins Exil ging und dort eine angebliche Widerstands- und Oppositionsgruppe, die "Schwarze Front", aufbaute. Diese Truppe war allerdings von Gestapoleuten durchsetzt und entwickelte keine nennenswerten Aktivitäten, geschweige denn Widerstand, auch wenn einige Strasserianer im KZ landeten. Zu diesem Themenkomplex sei das Buch "Die Strasser Legende" zu empfehlen, erschienen in der Edition Ost.

Die Strasser-Brüder gehören neben Rudolf Hess zu den Nazis, auf welche sich viele junge Nazis berufen (z.B. auch die Fraktion der "Progressiven Nationalisten" um den Hamburger andre Goertz). Während Hitler oder Goebbels der Brandgeruch des 2. Weltkrieges, das Blut der 6 Millionen Juden und Millionen Opfer an den Händen klebt, sind sie nicht zum Zuge gekommen und deshalb eher unbescholten. Wie schon der bayerische Ministerpräsident Strauss sagte: "Wir müssen heraustreten aus der giftigen Atmosphäre Adolf Hitlers." Oder der Nazi Ewald Althans: "Auschwitz muss fallen, erst dann können die Leute akzeptieren, was wir wollen... Auschwitz: das ist das Problem." Ebenso versuchen sie nun aus dem verrufenen Dunstkreis eines Adolf Hitler herauszutreten, ohne in den Zielen von denen der NS-Nostalgiker abzuweichen, mit denen eine Zusammenarbeit auch am 1.Mai in Leipzig wieder stattfand.

NPD und JN

Die NPD, ihre Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) und der "Nationale Widerstand" thematisieren die soziale Frage verstärkt. Das NPD-Organ "Deutsche Stimme" berichtete auch davon, dass man sich im "nationalen Lager" vermehrt mit Wirtschafts- und Sozialpolitik beschäftige. Denn in der momentanen politischen Situation bestehe die Möglichkeit, " durch eine geschickte Thematisierung der 'sozialen Frage' in Verbindung mit der Ausländerpolitik eine nationalistische Politik besser als je zuvor in den Köpfen des Volkes zu verankern."

Seit Mitte der 90iger ist ihre rassistische Politik verstärkt mit sozialen Forderungen verbunden worden. So tauchten einige NPDler in manchen Orten bei den dortigen Arbeitslosendemos auf und versuchten ihre Parolen unters Volk zu bringen, was allerdings von antifaschistischen Gewerkschaftern unterbunden wurde. U.a. trugen sie vor dem Arbeitsamt im thüringischen Gera schwarz-weiss-rote Fahnen und Transparente mit Parolen wie "Sozialismus ist machbar". Am 1.Mai 1998 zogen Nazis mit Transparenten in Leipzig durch die Strassen, auf denen die z.Zt. wohl angesagteste und populärste Parole der Nazis "Deutsche Arbeitsplätze zuerst für deutsche Arbeiter!" zu lesen war. Eine ihrer Hauptparolen lautet auch "Gegen System und Kapital!" und könnte von einem Flugblatt irgendwelcher Autonomer übernommen sein.

Aber was man unter den oben erwähnten Parolen versteht, machen einige Zitate deutlich. "Die NPD lehnt daher nachdrücklich den überholten Interessengegensatz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ab, denn Kapital und Arbeit haben neben anderen Faktoren nur Funktionen im wirtschaftlichen Gesamtablauf der Unternehmen zu erfüllen." Auch Gewerkschaften sind in diesem Weltbild und Konzept überflüssig und haben nur noch eine Existenzberechtigung im Sinne einer "Deutschen Arbeitsfront": "Die Sicherung des Arbeitsfriedens ist darüberhinaus ihre vornehmste Pflicht, nicht die Anmassung politischer Vorrechte." (siehe hierzu RAG # 22)

"Nationalisten wollen eine neue Wirtschaftsordnung, die auf dem Marktmechanismus beruht, also ein System, in dem sich die Preisbildung über den Ausgleich von Angebot und Nachfrage regelt." Gleichzeitig will man dem "verhängnisvollen Klassenkampfideologien jede Grundlage" entziehen. Denn auch in der "Volksgemeinschaft" "wird es dennoch immer eine soziale Differenzierung geben". Betriebsführer und Gefolgschaft müsse es eben geben, sie seien "Ausdruck der Verschiedenheit der Menschen". Was aber bitte ist an solchen Forderungen "sozialistisch", "revolutionär" oder gar "antikapitalistisch"? Schaut man also hinter die Fassade der verbalradikalen und pseudorevolutionären Phrasen, kommt der wahre Geist und die wahre Absicht zum Vorschein.

Neuester Trend

Ein Teil der Nazis versucht sich z.Zt. als "Arbeitsgemeinschaft Nationaler Sozialisten in und an der NPD" zu formieren. Im Organ der sächsischen NPD "Sachsen-Stimme" findet sich eine deutliche Übernahme von alter DDR-Terminologie und ML-Jargon. Der Berliner Nazi Oliver Schweigert äusserte in einem Interview mit der "Berlin-Brandenburger Zeitung": "Jede Verbindung des nationalen und sozialistischen Widerstandes zu einer einheitlichen Form ist eine Provokation für die Herrschenden in Bonn.

Unsere Aufgabe ist das Nennen der heute nicht nur in Deutschland, sondern europaweit bestehenden und durch die Herrschenden hervorgerufenen Probleme. Dem herrschenden kapitalistischen Wirtschaftssystem muss eine sozialistische Alternative und auf den inneren Verfall unseres Volkes müssen nationale Antworten gefunden werden." Und auch eine "Partei der Arbeit" sieht sich als "Bündnis von Nationalkommunisten und nationalen Revolutionären". Sie sieht sich "im Geist von Strasser, Niekisch und Anton Ackermann" und propagiert einen "deutschen Sozialismus".

Ein Blick nach Frankreich beweist auch, dass der Front National (FN) im Winter 1995 der Streik- und Protestwelle, als sie soziale Forderungen aufstellte, mehr als hilflos gegenüberstand und von den Machthabern verlangte, die Massen zum Schweigen zu bringen und den Streik zu zerschlagen. 1997 am 1.Mai gab man sich sehr sozial. Aber nicht nur die sozialen Kämpfe der Vergangenheit als auch die kommenden sozialen Bewegungen werden zeigen, dass die Nazis, ob nun in Deutschland oder Frankreich nichts zur wirklichen wirtschaftlichen Verbesserung der Lage der Massen bewirken werden können. Radikale Phrasen verbreiten tun sie, aber viele ihrer Führer wie z.B. Herr Frey sind selbst Günstlinge des Systems. Gerhard Frey ist Vorsitzender der DVU, Multi-Millionär und Miethai. Sagt das alles?!

Revolution Times # 9/ 10