Berlin: Polizei greift kurdische Demonstration an Hooligans in Uniform

Politik

11. Juni 2014

Eigentlich hätte es eine Demonstration wie jährlich dutzend andere auch werden können.

Polizeieinsatz während der kurdischen Demonstration am 9. Juni 2014 in Berlin.
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Polizeieinsatz während der kurdischen Demonstration am 9. Juni 2014 in Berlin. Foto: LCM

11. Juni 2014
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Etwa 400 Unterstützerinnen und Unterstützer der kurdischen Befreiungsbewegung waren heute gegen 17 Uhr am Kottbusser Damm im Herzen Berlin-Kreuzbergs zusammengekommen, um gegen die jüngsten Übergriffe des türkischen Militärs in Lice zu demonstrieren. In der zur Provinz Diyarbakir gehörenden Stadt hatten in den vergangenen Wochen tausende Menschen gegen den Neubau eines Militärpostens protestiert, mittlerweile gibt es mindestens zwei Tote unter den Demonstranten, andere Quellen sprechen gar von vier.

Die Kreuzberger Demonstration, die sich gegen die Gewalteskalation durch den türkischen Staat richtete und hauptsächlich von Kurden und türkischen Linken getragen wurde (die deutsche Linke hat bis auf einige Ausnahmen leider noch immer kaum eine Beziehung zu derlei Kämpfen entwickelt), verlief bunt, friedlich und laut.

Aber: Offenbar hatten die eingesetzten Beamten vor, im Ausgleich für die Feiertagszulage mal wieder die Verhaftetenquote zu erfüllen, damit niemand auf die Idee kommt, ihre massive Präsenz bei derlei Veranstaltungen könnte vielleicht sogar unnötig sein. Man muss sich seinen Daseinsgrund eben manchmal selber schaffen.

Und so gab es von Anfang an Indizien dafür, dass die Staatsmacht eine Eskalation wollen könnte. “Pack. Ihr kriegt schon noch auf die Schnauze”, maulte eine Dorfschönheit in Uniform bereits am Startpunkt Aktivisten an. Gefilmt wurde auch lange bevor irgendetwas auch nur annähernd Illegales vorgefallen war.

Mittel der Eskalation war wie so oft das “Versammlungsrecht”. Denn der deutsche Staat hat die tolle Idee gehabt, sämtliche Symbole der kurdischen Befreiungsbewegung zu verbieten, jede legale Fahne hat normalerweise eine Halbwertszeit von einigen Monaten, dann ist sie wieder illegal. Auch das Mitführen des Konterfeis Abdullah Öcalans, des inhaftierten Chefs der kurdischen Arbeiterpartei PKK, wird als Straftat gewertet. Früher hatten sich die Beamten da noch tolle Massregeln ausgedacht, etwa eine Öcalan-Fahne auf 50 Leute oder die Beschränkung, Öcalan nicht in Guerillauniform zu zeigen. Heute war sein Gesicht rundum illegal. “PKK” darf auch nicht skandiert werden, und überhaupt wäre es der Bullenführung wohl am liebsten, die Kurden würden nackt und stumm durch Kreuzberg ziehen.

Als die Demo nun vorbei war, nichts, keine Sachbeschädigung, keine Körperverletzung, kein Steinwurf, passiert war, mussten nun vermeintliche Verstösse gegen das deutsche Bilderverbot (in der Türkei übrigens wird das sogar liberaler gehandhabt) herhalten, um das zu erreichen, was man offenbar von Anfang an geplant hatte.

Eine Gruppe Jugendlicher entfernt sich nichtsahnend von der Demo, 6 Beamte hinterher – und Zugriff. Damit war der Anfang gemacht, denn selbstverständlich solidarisierten sich nun andere und stellten sich vor den zum Abtransport bereitstehenden Polizeiwagen. Auftakt für die Hooligans in Uniform. Ein paar schlagen auf sitzende Menschen ein, wenden ihre tollen, mühsam erlernten Schmerzgriffe an, während die gewaltgeilsten unter den Mackern schon mal den Pfefferlöscher aus der Hose geholt haben, und wahllos in die Menge spritzen.

Es gibt einige Verhaftungen und mehrere Verletzte aufgrund des Pfefferspray-Einsatzes. Für eine ältere kurdische Frau muss ein Krankenwagen gerufen werden, selbst als der da ist, gibt es noch Übergriffe und Verhaftungen, weil einige der Geschädigte den Cops nicht ihre Personalien aushändigen wollen. Verständlicherweise, denn was nun folgt, kennen wir nur zu gut. Weil die Polizei ja grundsätzlich nur Gewalt gegen Leute einsetzt, die “etwas Verbotenes” getan haben, werden nun alle, die man vorher verletzt hat, rasch zu Tätern erklärt. Das Gummidelikt “Landfriedensbruch”, Widerstand gegen die Staatsgewalt, oder sonst irgendeinen Scheiss, irgendwas kann man jedem anhängen, um die eigenen Kollegen zu entlasten.

Der Fairness halber müssen wir anfügen: Einige der eingesetzten Cops hielten offenbar das Verhalten ihrer Hooligan-Kollegen für nicht tragbar. Auf Nachfrage behauptete ein Polizist, dass es angeblich bereits Beschwerden einiger Kollegen gegeben habe und es wohl “dienstliche Verfahren” (was immer das sein soll) gegen einige Bullen geben werde. Ob das der Wahrheit entspricht oder nicht, wird man sehen.

LCM