Zur „Querfront“-Debatte Jenseits von Ken Jebsen

Politik

28. Dezember 2017

Sie ist wieder da. Die „Querfront“-Debatte, ein periodisch wiederkehrendes Phänomen, in dem sich zumeist vor allem eines zeigt: Die permanente ideologische Krise weiter Teile der deutschen Linken.

Ken Jebsen und Steffen Schwarzkopf, Reporter bei N24.
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Ken Jebsen und Steffen Schwarzkopf, Reporter bei N24. Foto: Miala (CC BY-SA 2.0 cropped - filtered)

28. Dezember 2017
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Dieses Mal entzündete sie sich an dem Clickbait-Youtuber Ken Jebsen. Zu dessen Weltbild hat kürzlich die junge Welt alles Nennenswerte zusammengefasst, Recherchen zu seiner politischen Strategie, seinen Verbindungen in rechte Milieus, seiner Arbeitsweise existieren zuhauf. Man könnte also meinen, es sei alles gesagt. Aber nein, eine kleine Provinzposse, die Verleihung eines unwichtigen Preises in einem Berliner Kino, reichte, um das Thema erneut viral zu machen. Dutzende Zeitungen, auflagenstarke wie klitzeklitzekleine, greifen das Ding auf. Es wird getan, als entschiede sich an der Frage „Wie stehst du denn zu Ken?“ die Zukunft der gesamten Linken.

Wem nützt das? In erster Linie Ken. Denn Ken Jebsens Produkt ist Ken Jebsen. Und ein solches Produkt vermarktet sich über den kalkulierten Tabubruch und die Möglichkeit, sich permanent als Opfer diverser Verschwörungen darzustellen. Jebsens mediale Existenz ist die eines Clickbaits. Er muss, soll das Konzept aufgehen, dauernd als Underdog gehandelt werden, am besten von „Systempresse“ und alternativen Konkurrenzmedien gleichzeitig. Denn der Beweis seiner subversiven Macht liegt in der geschlossenen Front, die sich gegen ihn stellt. Das Konzept ist kein Alleinstellungsmerkmal Jebsens, er ist nur der, der es am erfolgreichsten anwendet. Politclown Jürgen Elsässer spielt in der selben Liga. Und irgendwo weit abgeschlagen hinter seinen Genrekollegen rollt sich Erdogan-Cheerleader Martin Lejeune von Streifenwagen zu Streifenwagen in der Hoffnung, man möge ihm die Aufmerksamkeit schenken, die ihn aus seinem bemitleidenswerten Dasein emporhebt.

Die von der Weltverschwörung gegen sie geplagten Aufklärer leben vom Skandal. Und jener Teil der Linken, deren bevorzugter Gestus der der Empörung ist, schenkt ihnen selbigen hin und wieder – im Verein mit den um Soap-Opera-Themen bemühten Medien.

Ein wirksames Mittel gegen die Querfront ist das nicht. Noch weniger da, wo die Gegner der Querfront sich ihrerseits mit antilinken Kräften von Springer bis SPD- und Grünen-Funktionärsriege gemein machen. Denn KenFM (und ähnlich gelagerte rechte Projekte) knüpfen an in weiten Teilen der Bevölkerung vorhandene Formen des Unbehagens an: Das Gefühl, von den Institutionen der bürgerlichen Demokratie nicht repräsentiert zu sein; das Gefühl, in dieser Gesellschaft zu den Verlierern zu gehören; und die Skepsis gegen die hiesige Medienlandschaft.

All diese Stimmungslagen sind zunächst einmal nicht verwunderlich. Dass das Gefühl entsteht, die bürgerliche Demokratie sei nicht die bestmögliche Form politische Willensbildung zu organisieren, hat seinen Grund darin, dass die bürgerliche Demokratie nicht die bestmögliche Form politischer Willensbildung ist. Den etablierten Medien ihre Selbstinszenierung als „objektive“, „neutrale“ Chronisten der Wirklichkeit nicht abzunehmen, ist ebenfalls keine Haltung, die Linke verdammen sollten. Und die begrifflich völlig unscharfe Wendung gegen das „Establishment“, gegen die „Elite“, ist eigentlich ein ausgezeichnter Anknüpfungspunkt für linke Politik. Was tun nun diverse „alternative“ Rinks-lechts-Demagogen?

Sie greifen diese Stimmungen auf und geben auf die Fragen der Menschen regressive Antworten. Was sollte die Linke tun? Die in der Bevölkerung vorhandene Unzufriedenheit aufgreifen und progressive Antworten auf sie geben. Das geht, wenn man in lokalen Kämpfen verankert ist und mit seinen Kolleg*innen und Nachbar*innen als Kolleg*in und Nachbar*in reden kann. Das geht, wenn man von den eigenen Positionen so überzeugt ist, dass man nicht fürchtet, sie zu verlieren, wenn man mit Leuten redet, die andere Positionen haben. Und das geht, wenn man die Angst vor „Vereinfachung“ und „Populismus“ ablegt und verstehen lernt, dass das Agieren in einer Gesellschaft sich von dem in einem Uni-Seminar unterscheidet.

Der Tod jeder Querfront ist eine starke, klassenkämpferische Linke, die zugleich in der Lage ist, identitätspolitische Fragen in ihr Paradigma zu integrieren. Und die dann noch in der Lage ist, ihre Positionen in einer Sprache und Ästhetik zu formulieren, die anschlussfähig über die Schicht der Postdoktoranden und Designstudent*innen hinaus ist. Der Aufbau einer solchen Linken beginnt jenseits von Jebsen. Wenn er nicht gelingt, hilft auch die permanente Empörung nicht gegen das Erstarken regressiver Positionen von AfD bis KenFM.

Fatty McDirty / lcm