Fehlerhafte Bescheide des BAMF machen Beratung unentbehrlich Gilt die Unschuldsvermutung nicht für Flüchtlingsberater?

Politik

20. Juni 2018

Die Staatsanwaltschaft Aachen wirft einem Mitarbeiter einer Beratungsstelle für Flüchtlinge gewerbsmässige Schleusung von Ausländern vor.

Aussenstelle M C 2 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der Rothenburger Strasse 29 in Zirndorf.
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Aussenstelle M C 2 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der Rothenburger Strasse 29 in Zirndorf. Foto: Aarp65 (CC BY-SA 4.0 cropped)

20. Juni 2018
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Nun droht der Einrichtung nach 27 Jahren die Schliessung, weil die Stadt Aachen und das Land Nordrhein-Westfalen die Förderung beenden. Und das obwohl die Staatsanwaltschaft sagt, dass die Einrichtung an sich nicht Gegenstand der Ermittlungen sei.

Die Vorsitzende des Trägervereins der Einrichtung, Elisabeth Hodiamont, sagt: „Eine Anklage des Mitarbeiters erfolgte bis heute nicht“. Jetzt steht allerdings die Förderung durch die Stadt Aachen und das Land Nordrhein-Westfalen in Gänze auf der Kippe. Hodiamont: „Wir erhielten am 8.6. nach Monaten, in denen die weitere Förderung der nicht betroffenen MitarbeiterInnen nie in Frage gestellt wurde, die abschlägige Antwort“. Auch die Nicht-Beschuldigten Mitarbeiter werden nun nicht weiter gefördert. Der Beratungsstelle, die in zwei Büros Erwachsene und unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge berät, droht nun das Aus. Die Berater haben dieses Jahr schon fast 1.200 Beratungsgespräche allein für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge geführt. Im letzten Jahr fanden insgesamt 9.000 Beratungsgespräche für Kinder und Erwachsene statt.

Schon Dobrindts (CSU) Kommentar, dass es eine „Anti-Abschiebe-Industrie“ gäbe, hat Flüchtlingsberater in die Nähe von Kriminellen gestellt. Die Ereignisse um die Beratungsstelle in Aachen zeigen, dass es nicht bei Populismus bleibt. Und so muss die Frage erlaubt sein: Gilt die Unschuldsvermutung auch für Flüchtlingsberater?

Auch in der Pfalz scheinen Beratungsstellen vor Herausforderungen bei der Erneuerung der Förderung zu stehen. Und in Oberbayern versucht die Bezirksregierung, den Verfahrensberatern den Zugang zu Flüchtlingen zu erschweren.

Fehlerhafte Bescheide des BAMF machen Beratung unentbehrlich

Schon im März 2017 berichtete die ZEIT, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in seinen Ablehnungen Textbausteine benutzt und auf Empfehlungen der Unternehmensberatung McKinsey zwar eine „Hochleistungsbehörde“ wurde, die allerdings mehr als schlampig arbeitet. Im zusammengesparten BAMF herrscht ein ungeheurer Zeitdruck und sogenannte „Entscheider“ beurteilen Asylanträge ohne die Flüchtlinge je gesehen zu haben, wodurch sie keine Rückfragen zu deren Fluchtgeschichte stellen können. Innerhalb der Behörde kursiert sogar ein anonymer Brief von Mitarbeitern: „Der Mitarbeiter als Mensch, der Asylbewerber sowieso (…) spielt keine Rolle mehr. Die Zahlenfetischisten regieren durch – Rechtsbrüche sind vollkommen egal“. Leidtragende dieser Reformen sind nicht nur die MitarbeiterInnen des BAMF, sondern vielmehr noch die Flüchtlinge. Ihr Schicksal wird zu einer blossen Statistik, die es zu „optimieren“ gilt.

Allein in den ersten neun Jahren des letzten Jahres gab es 273.000 Klagen gegen Entscheidungen des BAMF. 100.000 der Klagen waren erfolgreich, was veranschaulicht, dass die Ablehnungen des BAMF häufig gegen geltendes Recht verstossen. Diese Zahlen zeigen die Notwendigkeit einer juristischen Beratung. Die Beratung von Flüchtlingen, vor allem auch von minderjährigen Unbegleiteten, ist ein grundlegendes Recht dieser Menschen.

Nico Beckert
zebralogs.wordpress.com