Wahlkampf in den USA David, Goliath und ein Elefant

Politik

10. Februar 2016

Mit den Vorwahlen in Iowa ist der US-Präsidentschaftswahlkampf offiziell eröffnet. Die Aussenseiter Bernie Sanders und Donald Trump mischen das Establishment der Demokraten und Republikaner auf. Noch nie war ein Vorwahlkampf so unberechenbar.

Porträt des Underdogs Bernie Sanders.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Porträt des Underdogs Bernie Sanders. Foto: DonkeyHotey (CC BY 2.0 cropped)DonkeyHotey (CC BY-SA 2.0)

10. Februar 2016
0
0
6 min.
Drucken
Korrektur
Iowa ist erst der Auftakt für die kommenden Wochen und Monate der Vorauswahl der Kandidat/innen. Die jeweiligen Parteianhänger/innen werden in allen US-Bundesstaaten und Territorien darüber abstimmen, wer für die Republikaner und Demokraten als Kandidat oder Kandidatin ins Rennen geht. In Iowa fing nun alles an – hier versammelten sich die Befürworter/innen der einzelnen Politiker/innen in je kleinen Gruppen (Caucuses), um öffentlich über die aussichtsreichsten Kandidat/innen abzustimmen.

Dieses Prozedere mag anachronistisch und eigenartig anmuten, zugleich ist es jedoch ein faszinierendes Zelebrieren direkter Demokratie. In einer Demokratie geht es nicht immer nur um Themen. Es geht auch um Persönlichkeiten und um Narrative. Die Vorwahlen in Iowa haben zwei Geschichten erzählt, beide spannend, beide wichtig und beide unterkomplex. Aber so ist es in der ersten Phase der US-Wahlen. Die Inhalte kommen später. Und davon gibt es bei der Weltlage genug!

Demokraten: David gegen Goliath

Auf Seiten der Demokraten schien das Rennen schon gelaufen, bevor es überhaupt begonnen hatte. Das Establishment der Partei hatte sich vor fast einem Jahr auf Hillary Clinton als Kandidatin festgelegt. Dementsprechend warfen keine anderen namhaften Kandidat/innen überhaupt ihren Hut in den Ring. Es brauchte einen Aussenseiter wie den bis dato parteilosen selbsternannten „demokratischen Sozialisten“ Bernie Sanders, um sie herauszufordern.

Wider Erwarten vermochte er es im Laufe des letzten Jahres, eine erfolgreiche Kampagne aufzubauen. Mit Kleinspenden wie seinerzeit Barack Obama, seinem charismatischen und authentischen Auftreten, einem Schuss linksliberalen Populismus und einer erfolgreichen Mobilisierung junger Erstwähler/innen wurde er zu einer ernstzunehmenden Gefahr für die etablierte, erfahrene, aber auch immer wieder von Skandalen aus ihrer langen politischen Vergangenheit heimgesuchte Hillary Clinton. Sie ist weiterhin die Favoritin, aber eben nicht die unangefochtene. Clinton hat die breitere Basis von Unterstützer/innen, vor allem bei den zunehmend wichtigen Minderheiten, als auch bei Frauen. Sie hat die Unterstützung der Mehrheit der etablierten Akteure der demokratischen Partei und sie hat eine stärker ausgebaute Wahlkampfstruktur in den umkämpften Bundesstaaten.

In einem politischen Klima, in dem die politischen Ränder links und rechts starken Zulauf erfahren und in dem es zunehmend schädlich ist, auf politische Erfahrung zu bauen und damit als „etabliert“ zu gelten, kann ihr Sanders dennoch weiterhin gefährlich werden. Die US-amerikanische Gesellschaft liebt die Underdogs.

Das Ergebnis der Vorwahlen in Iowa hat einen fast biblischen Ausgang: Der rebellische David hat gewonnen. Auch wenn das Team Hillary (entgegen allen Gepflogenheiten) bereits kurz Auszählung ihren Sieg verkündeten – dieser Sieg steht auf tönernen Füssen. Weniger als 0,5 Prozent und ein Münzwurf entschieden den Wettstreit zugunsten der früheren First-Lady. Der Underdog ist gestärkt aus dem Iowa-Wettstreit herausgekommen. Ein weiterer Rückschlag für die Hillary-Kampagne, die zudem weiter auf die Entscheidung des FBI warten muss, ob ihre Kandidatin wegen Unregelmässigkeiten im Umgang mit Dienst-Emails mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat. Die schwere Zeit der ehemaligen Wahl-Favoritin wird mit dem Ausgang des Iowa-Caucuses noch lange nicht zu Ende sein.

Republikaner: Der Elefant im Porzellanladen

Auf Seiten der Republikaner hatte kaum jemand damit gerechnet, dass Donald Trump ernsthaft kandidieren würde. Und nachdem er antrat, schien ihn seine forsche, arrogante, ausgrenzende und beleidigende Rhetorik schon früh zu disqualifizieren. Doch seither hat er alle politischen und demoskopischen Profis das Fürchten gelehrt. Spätestens aus seinen Zeiten als Reality-TV-Figur weiss Trump, wie er maximale Aufmerksamkeit generieren kann.
trump-3-2_1.jpg

Bild: Populistisch par excellence: Donald Trump im Porträt. / DonkeyHotey (CC BY-SA 2.0)

Das Spiel mit den Medien beherrscht er wie keiner seiner Gegenkandidaten. Kein Tag vergeht, an dem rechte wie linke Medien nicht über ihn berichten, wohl auch, weil diese Geschichten viel Leserschaft generieren. Ob diese Berichterstattung positiv oder negativ ist, scheint dabei fast keine Rolle zu spielen. Hauptsache Aufmerksamkeit. Als populistischer Kandidat par excellence, der gegen alle Etablierten, auch in der eigenen Partei, und gegen jede Form der politischen Korrektheit antritt, scheint es bislang kein Fettnäpfchen zu geben, das ihm schaden könnte.

Er ist zugleich der Elefant im ohnehin fragilen Porzellanladen der republikanischen Partei. Bereits in den letzen Jahren zerfiel die Partei zunehmend in unterschiedliche sich gegenseitig bekämpfende Strömungen. Etablierte Republikaner warnen seit Langem, dass ein Erfolg Donald Trumps der Partei dauerhaften Schaden zufügen könnte bis hin zu einer Spaltung der Partei. Und dennoch haben sie es noch nicht vermocht, sein Momentum zu stoppen.

Das liegt auch an der Spaltung seiner innerparteilichen Gegner/innen. Fast ein Dutzend Kandidat/innen treten gegen ihn an und nehmen sich gegenseitig die Stimmen und die Unterstützung weg. Der Druck auf die etablierten Kandidaten wird nun weiter wachsen, sich auf einen Gegenkandidaten zu einigen und hinter diesem zu versammeln. Nur so scheint ein Erfolg gegen ihn derzeit möglich. Kompliziert wird diese Frage jedoch dadurch, dass Trumps derzeit schärfster Konkurrent, der erzkonservative texanische Senator Ted Cruz, vom Establishment der Partei noch mehr abgelehnt wird als Trump selbst. Es gibt in Washington keinen Politiker, der vergleichbar unbeliebt ist, auch in den eigenen Reihen. Und ausgerechnet dieser Ted Cruz hat es nun vermocht, die Caucuses in Iowa für sich zu entscheiden. Die beiden Rebellen Trump und Cruz bestimmen daher wohl noch bis auf Weiteres das republikanische Rennen.

David, Goliath, Elefanten und viel zerbrochenes Porzellan: Noch nie war ein Vorwahlkampf so unberechenbar. Möglich scheint auf Seiten der Republikaner gar ein gespaltener Nominierungsparteitag im Sommer ohne klaren Favoriten. Nach Iowa scheint aber klar zu sein: Cruz, Trump und Rubio ist das wahrscheinlichste Kandidaten-Trio der Republikaner. Auch die Demokraten stehen vor einem ungewissen Vorwahlkampf. Denn im Hintergrund wartet Joe Biden auf seine Chance, falls Hillary angeschlagen das Handtuch werfen müsste. Und auch der unabhängige ehemalige Bürgermeister von New York Michael Bloomberg beobachtet sehr genau, wohin die Reise geht. Die nächsten Vorwahlen im März werden vermutlich mehr Gewissheit bringen. Es bleibt zu hoffen, dass der Kampf zwischen Personen und Narrativen dann bald den Auseinandersetzungen um politische Fragen weichen wird.

Sergey Lagodinsky / Bastian Hermisson
boell.de

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-SA 3.0) Lizenz.