Mit der Schaufel in die Kohle Beobachtung der Wespen beim Mahl

Lyrik

13. September 2020

Wespen Arbeiterin auf Tisch am Cola trinken.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Wespen Arbeiterin auf Tisch am Cola trinken. Foto: Umsiedlungen (CC BY-SA 4.0 cropped)

13. September 2020
2
0
2 min.
Drucken
Korrektur

Erst fallen sie über den Rest-Rand
Einer Scheibe Mettwurst her. Eine von ihnen
Hängt überm Bröckchen wie ein Porno-Berserker
Überm Hintern der Frau; eine andere


Knickt ihren Leib, im Winkel 180 Grad.
Das nenne ich eine Wespentaille!
Dann stossen drei aufeinander, es ist
In der Gier der Viecher zu viel

Erotisches, denke ich da, das ablenkt
Vom Animalischen. Wer ist hier
Was: die Wespe, der Wespe, das Wespe –
Das gendert schwarzgelb übern Teller
Wie ein irrgewordener Borussia-Dortmund-Fan:

Über den Rand fällt jetzt einer,
Lässt nicht ab vom Bröckchen Fettes,
Ja, das erhebt sich sogar in die Luft
Und fliegt davon wie Nils Holgersson,
Zwischen den Beinen die Beute;
Wem bringt er die oder sucht sie nur

Nach einem Rückzugsort, einem
Rückflugsort, wo sie, einverstanden mit sich –
Ob der, die oder das ist beim Essen egal –
Frisst, bis sie adipös ist und sich Hummel nennt
Und sich der Familie entfremdet.

An der Scheibe Lachs-Schinken
Arbeiten sie noch. Rackern. Reingebissen
Haben sie sich wie Adolf Hennecke
Mit der Schaufel in die Kohle:
Sie mit ihren Beisserchen rein in
Des Metzgers formidables Ergebnis.

Rausgeknabbert. Rasend schnell. Kleine Buchten
Im Fleisch. Wos Meer Tausende Jahre braucht,
Um der Küste was abzukauen, da brauchen Wespen
Minuten; falls niemand kommt und sie erschlägt.

Ein Vibrieren ist's. Ein Zittern. Die Hinterleibchen
Stöhnen lautlos: Noch ist Sommer, noch ist Fülle,
Verweile, Augenblick, zum Fressen schöner! –
Ich gönn es ihnen. Den Teller stell ich über Nacht
In einen Blumenkasten auf dem Balkon;

Anderntags ist die Wurst weg, weil sie,
Wie jeder weiss, doch nur zwei Enden hat.

Eckhard Mieder