When Vincent Gallos Schlaflieder

Kultur

20. Juni 2013

Es ist fraglich, ob man das Album von Vincent Gallo überhaupt noch Musik nennen darf, so gefährlich nah bewegt es sich an der Grenze zur Nicht-Kunst.

Vincent Gallo in concert.
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Vincent Gallo in concert. Foto: Nadya Peek (CC BY 2.0)

20. Juni 2013
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Aber das macht seine Kompositionen, die man vermutlich minimalistisch nennen wird, auch so einzigartig, dass man der Selbstbewegung der Seele nämlich nun einmal zuhören kann: dauernd drohen die kargen Stücke ihre Formqualität zu verlieren und in blosse Tagträumerei auf der Klampfe abzugleiten, dem Rohmaterial jeder Kunst also.

Alles wiederholt sich, alles dehnt und verlangsamt sich und manchmal muss man um ihren Fortgang bangen, so untertourig dümpeln die Lieder dahin. In ihnen wird die ganze Welt zur Ruhe angehalten, zum Halten und Innehalten, zum Verstummen.

Verwirrend zu sagen, dass sie dem Schweigen verwandt sind, doch ist ihnen ein grosses Bedürfnis nach Schlaf eingelassen. „Was zum Schlaf führt, hat die Form des Rhythmus, der Regelmässigkeit und der Wiederholung. Es handelt sich um nichts anderes als um einen Mimetismus, denn der Schlaf selbst ist Rhythmus, Regelmässigkeit und Wiederholung.“ [1]

Wie Atmung und Kreislauf im Schlaf zu einer tieferen Amplitude finden, so wird man auch hier von einem langsameren Takt mitgezogen, einem Takt der Abwesenheit, die in die Anwesenheit eindringt, in mehreren aufeinanderfolgenden Wellen, wie eine Flut am Sand leckt und ihn mit jeder neuen Welle ein wenig weiter oben tränkt und Flocken von Schlafschaum niederlegt.

So gleitet man sanft ins Nirgendwo. Und tatsächlich habe ich das Album nur nachts gehört, wenn ich alleine und schon betrunken war – und davon geträumt, was wäre wenn: It could be so nice, soo nice, sooo nice ...

M. A. Sieber

Vincent Gallo - When (Warp Records, 2001)



[1] Jean-Luc Nancy, Vom Schlaf. Zürich-Berlin 2013, S. 41.